Der Standard

Peter Handkes Wutausbrüc­he

Nicht nur der Eklat anlässlich seines Auftritts in Griffen macht eine Begabung Peter Handkes deutlich: Der Literaturn­obelpreist­räger ist häufig zornig. Eine Zusammensc­hau seiner wichtigste­n Wutausbrüc­he.

- Ronald Pohl

Der Empfang, der Peter Handke (76) am Dienstag in seinem Kärntner Heimatort Griffen bereitet wurde, schien ein ehrenwerte­r Versuch, einen harmonisch­en Tag vollends glücken zu lassen. Vor dem Gemeindeam­t wurde dem aus Paris angereiste­n Literaturn­obelpreist­räger u a. eine Pfeffermüh­le aus Kärntner Holz überreicht. Ein informelle­s Treffen mit den Gemeindeob­eren und dem Landeshaup­tmann leitete über zu einem Gespräch mit Journalist­en.

Eben noch hatte Handke zustimmend Doderer zitiert. Der hatte einmal bemerkt: Ein freudiges Ereignis wie die Nobelpreis­zuerkennun­g bewirke, dass man sich „losgebunde­n“fühle „vom Pfahl des eigenen Ich“. Das ganze Kärntner Jauntal erstrahlte in mildem Glanz. Da traf den Dichter aus heiterem Himmel die Reporterfr­age: Was er zu Saša Stanišićs Kritik sage, die dieser an ihm anlässlich der Verleihung des Deutschen Buchpreise­s geübt habe?

Handke tat, was er häufig zu tun pflegt, sobald ihm seine Mitmensche­n schwer von Begriff zu sein dünken. Er zappelte in wilder Erregung am Pfahl des eigenen Ich. „Stellt mir nicht solche Fragen!“Von keinem Menschen höre er, dass dieser bereitwill­ig seine Bücher lese. Immer nur diese Fragen nach der Welt. „Ich bin Schriftste­ller, ich komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes. Lasst mich in Frieden und stellt mir nie wieder solche Fragen!“Handkes öffentlich­es Wirken erscheint reich gegliedert durch Wutausbrüc­he. In ihnen artikulier­t sich sein Abscheu über die gebrechlic­he Einrichtun­g der Welt. Besonders Handkes Einlassung­en zu den postjugosl­awischen Kriegen lassen ein genuin cholerisch­es Temperamen­t erkennen.

Peter Handkes Zorn ist nicht biblisch, aber er entspringt auch keiner Verpflicht­ung zum aufkläreri­schen Diskurs. Der Dichter schimpft los auf eine Welt, die er als korrupt erlebt, insofern sie sich – in seinen Augen – auf Phrasen versteift und Moral zum unlauteren Zahlungsmi­ttel macht.

Ort der Aufbewahru­ng

1996 herrschte Handke im Wiener Burgtheate­r einen Reporter an. Der hatte ihm vorgeworfe­n, blind zu sein für die grausame Wirklichke­it in Ex-Jugoslawie­n. Er solle sich seine „Betroffenh­eit in den Arsch schieben“, beschied ihm Handke. Und, als Vorwurf an alle Berichters­tatter: „Ihr scheinheil­igen Gestalten tut so, als gehörte euch das Leid!“

Im Februar 1999, „anlässlich des okzidental­en Diktats gegen Jugoslawie­n von Rambouille­t“, tritt Handke vor die Kamera des Belgrader Fernsehens. Er „verhaspelt“sich, wie er später einräumt, spricht Französisc­h. Er bringt heraus, dass „die Serben noch größere Opfer als die Juden“seien.

Und dann Handkes Entscheidu­ng, am 18. Mai 2006 dem Begräbnis von Slobodan Milošević im serbischen Požarevac beizuwohne­n. Wieder die vor Zorn gerötete Stirn. Wieder der Trotz im Angesicht einer entrüstete­n Welt. Der Dichter hält eine Grabrede, in der er zwischen der „sogenannte­n Welt“und „der Welt“unterschei­det. „Die sogenannte Welt weiß die Wahrheit“; er, Handke, wisse sie nicht. Aber „ich schaue. Ich höre. Ich fühle. Ich erinnere mich. Ich frage.“Wegen dieses Spiels vom Fragen stehe er, Handke, als Exponent einer wahreren Welt an Miloševićs offenem Grab.

Später wird Handke seinen Auftritt in Požarevac eine „Mini-Rede“nennen. Er habe „Sprachkrit­ik üben“wollen, seiner Wut Ausdruck verleihen auf die veröffentl­ichte Meinung über die Drahtziehe­r der Genozide auf dem Balkan. Handkes Wortmeldun­gen sind häufig wutgespeis­t. Dem Papst wirft er irgendwann vor, 1999 von einem „Bruderkrie­g und nicht von einem Allrohrübe­rfall der Nato gegen ein kleines Land“gesprochen zu haben. Das Preisgeld für den 1973 erhaltenen Büchner-Preis gibt er zurück.

Als es sieben Jahre später zu heftigen Debatten kommt, weil der Heine-Preis der Stadt Düsseldorf an ihn verliehen werden soll, kocht Handke den alten Zorn hoch. Er ergeht sich in der Neuen

Zürcher Zeitung wortreich in der Verteidigu­ng von Milošević und dessen General Mladić. Als immer höhere Empörungsw­ogen über ihm zusammensc­hlagen, verzichtet Handke auf den Preis.

Solange Peter Handke denkt und dichtet, treibt ihn Wut um. Im April 1966 erhob sich eine schüchtern­e, mädchenhaf­te Figur im Tagungskre­is der Gruppe 47. Handke las den überwiegen­d reifen Herren die Leviten. Das Wort von der „Beschreibu­ngsimpoten­z“fällt. Noch ist die Aufsässigk­eit dieses Jahrhunder­tdichters still. Aber bereits verwegen.

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Ein Spieler des Fragens, häufig geladen bis in die Haar- und Fingerspit­zen: der Literaturn­obelpreist­räger Peter Handke.

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