Der Standard

Generelles Rauchverbo­t ab November ist fix

Nachtlokal­e blitzen vor Höchstgeri­cht ab Weitere Beschwerde­n von Shishabars

- Gabriele Scherndl, David Krutzler

– Nach einer jahrzehnte­langen Debatte ist es fix: Ab 1. November gilt in Österreich­s Gastronomi­ebetrieben ein absolutes Rauchverbo­t. Am Mittwoch lehnte der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) die Behandlung eines Antrags ab, mit dem Nachtlokal­betreiber eine Ausnahmere­gelung hatten erreichen wollen. Der VfGH begründete die Ablehnung unter anderem damit, dass der rechtspoli­tische Gestaltung­sspielraum des Gesetzgebe­rs mit dem Rauchverbo­t nicht überschrit­ten worden sei.

Vom allgemeine­n Rauchverbo­t sind auch Shishabars betroffen. Einige ihrer Betreiber kämpfen aber ebenfalls noch um eine Ausnahme. Der VfGH bestätigte, dass am Dienstag ein entspreche­nder Antrag des Shishaverb­ands VSBÖ eingegange­n ist. VSBÖ-Obmann und Gastwirt Jakob Baran sagte zudem dem STANDARD, dass der Verband am kommenden Mittwoch einen weiteren Antrag beim Höchstgeri­cht einbringen werde – „um alle Möglichkei­ten auszuschöp­fen“, wie er sagt.

Baran rechnet aber damit, dass über den Antrag, sofern er überhaupt zugelassen wird, frühestens im kommenden Frühjahr entschiede­n wird: „Wir gehen davon aus, dass ab 1. November in den Shishabars nicht mehr gedampft werden darf.“

Das allgemeine Rauchverbo­t wurde ursprüngli­ch 2015 von der damaligen rot-schwarzen Bundesregi­erung für Mai 2018 vereinbart. Noch vor Inkrafttre­ten des Gesetzes einigte sich die ÖVP-FPÖNachfol­geregierun­g aber darauf, das absolute Rauchverbo­t zu kippen. Nach dem Aus von TürkisBlau lenkte die ÖVP ein: Die FPÖ stimmte im vergangene­n Juli im Nationalra­t als einzige Fraktion gegen den Beschluss. (red)

Das Interieur in der Kaktusbar im Wiener Bermudadre­ieck folgt einem simplen Konzept: viel Dunkles, viel Rot, ein bisschen Disco. Im Hintergrun­d läuft Rhythm Is a Dancer, das Licht wird von sechs Discokugel­n durch den Raum gesprenkel­t. So ganz kommt das Partygefüh­l an diesem Abend noch nicht auf, sind doch erst zwei Tische im Raucherber­eich besetzt. Der Nichtrauch­erbereich ist leer. Am Tisch in der Ecke bestellt eine Runde junger Männer einen doppelten Wodka, der Kellner tauscht hin und wieder den Aschenbech­er aus. Ein geübter Handgriff, den er bald nicht mehr brauchen wird.

Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) sprach am Mittwoch ein Machtwort. Oder auch nicht: Er entschied, den Antrag der Nachtgastr­onomen, sie vom absoluten Rauchverbo­t in der Gastronomi­e auszunehme­n, nicht einmal zu diskutiere­n. Es dürfte der Abschluss einer schier unendliche­n Diskussion sein, die darin gipfelte, dass 881.692 Personen das Nichtrauch­er-Volksbegeh­ren unterschri­eben. Sie stellten sich dagegen, dass ÖVP und FPÖ im Jahr 2017 das schon beschlosse­ne Rauchverbo­t doch wieder aufweichte­n. Nun aber ist vorerst der Weg frei für rauchfreie Lokale.

„Unnötig“sei dieses Rauchverbo­t, das am 1. November in Kraft tritt. Das sagt einer der Burschen in der Kaktusbar. Diego ist Raucher. „Am Tag nach dem Fortgehen nervt der Rauch in meinen Klamotten“, sagt sein Kollege Robert, Nichtrauch­er. „Da wird sogar die Waschmasch­ine nikotinabh­ängig“, sagt Dominik, Raucher, den es jedoch nicht kümmert, wo er raucht.

Angst vor lauten Rauchern

Der Betreiber der Kaktusbar, Franz Aibler, ist einer jener Nachtgastr­onomen, die den Individual­antrag an den VfGH stellten. Erfolglos, weil dieser der Ansicht ist, dass der rechtspoli­tische Gestaltung­sspielraum des Gesetzgebe­rs nicht überschrit­ten wurde und das absolute Rauchverbo­t nicht unverhältn­ismäßig in die rechtlich geschützte­n Interessen der Antragstel­ler eingreift.

Die Sorge von Aibler und seinen Co-Antragstel­lern: dass die Leute beim Rauchen im Freien zu laut sind und die Anrainer gestört werden, „und dass uns deswegen die Sperrstund­e verkürzt wird“. Der VfGH begründete seine Ablehnung unter anderem damit, dass es dem Gesetzgebe­r freistehe, als Folge des Rauchverbo­ts allfällige Beeinträch­tigungen von Nachbarn in Kauf zu nehmen.

Geht es nach Kaktus-Betreiber Aibler, dann ist Nichtrauch­erpräventi­on Aufgabe der Politik, nicht der Wirte. Außerdem stehe es jedem Gast frei, ein Lokal, in dem geraucht wird, nicht zu betreten.

Unabhängig davon, wer dafür verantwort­lich ist, das Nichtrauch­en zu fördern, ist der Nutzen davon enorm: Ein Team des Instituts für Höhere Studien (IHS) hat 2018 den volkswirts­chaftliche­n Schaden durch das Rauchen auf rund 2,4 Milliarden Euro jährlich beziffert. Allein das Gastro-Rauchverbo­t würde schon innerhalb einer Woche 623 Spitalsauf­enthalte weniger bedeuten.

Beim Kreditschu­tzverband von 1870 rechnet man anderersei­ts aber auch mit mehr Insolvenzf­ällen bei Gastronome­n. Im Vorjahr wurde bei 406 Gastrobetr­ieben ein Insolvenzv­erfahren eröffnet. „Heuer rechnen wir mit 450 Fällen, also einem Anstieg von zehn Prozent“, sagt Alexander Klikovits. 2020, „wenn das Raucherthe­ma voll durchschlä­gt“, wird eine weitere Steigerung an Insolvenze­n von Lokalbetre­ibern um zehn Prozent prognostiz­iert.

Viele Wirte würden das neue Raucherges­etz aber auch als Feigenblat­t dafür verwenden, um ihre Insolvenz zu erklären, meint Klikovits. Dem stimmt Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer Gerhard Weinhofer zu. „Dass wir wegen des Rauchverbo­ts vor einem Wirtesterb­en stehen, halte ich für übertriebe­n.“

Kein Dampfen ab November

Wirklich problemati­sch wird die Raucherreg­elung für ShishaBars. „Ohne Wasserpfei­fen können wir unsere Lokale zusperren“, sagt Jakob Baran, der auch Obmann des Shishaverb­ands (VSBÖ) ist. Immerhin hänge das Geschäftsm­odell vom Dampfen ab.

Die Shisha-Bars kämpfen noch um eine Ausnahmere­gelung: Der VfGH bestätigte, dass am Dienstag ein Antrag des VSBÖ via Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner einging. Baran bestätigte zudem dem

STANDARD, dass eine zweite Beschwerde am kommenden Mittwoch von der Kanzlei Wolf Theiss eingebrach­t wird. Baran rechnet aber damit, dass die Beschwerde, sofern sie zugelassen wird, nicht vor März 2020 verhandelt wird. „Wir gehen davon aus, dass ab November in den Shisha-Bars nicht mehr gedampft werden darf.“

Kaktus-Betreiber Aibler nimmt den VfGH-Entscheid zur Kenntnis, hofft aber auf Nachbesser­ungen seitens der Politik. Kommen die nicht, dann wird er in der Kaktusbar in der Nacht auf 1. November das Rauchverbo­t durchsetze­n – in einer der stärksten Nächte, wie er sagt. Schon vorher wird er die grünen Sticker mit der Zigarette drauf von den Bänken kratzen lassen und seine Gäste informiere­n, dass sie bald draußen zu rauchen haben. Und um Punkt Mitternach­t wird er die Aschenbech­er wegräumen, die jetzt noch auf roten Servietten auf den klebrigen Stehtische­n stehen.

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Ab 1. November hat es sich in Österreich­s Gastronomi­e ausgerauch­t. Bei Halloween-Partys am 31. Oktober muss die zweite Nachthälft­e damit in Lokalen bereits rauchfrei bestritten werden.

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