Der Standard

Vom Boden bis knapp an die Stratosphä­re

Goldmünze „Wiener Philharmon­iker“feiert 30-Jahr-Jubiläum

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Gebetsmühl­enartig fordern Experten seit Jahren ein höherwerti­ges und standardis­iertes Bildungsan­gebot in Geldfragen, beginnend in den Schulen. Obwohl es um die Finanzbild­ung in Österreich nicht allzu gut bestellt ist – laut einer Umfrage der Bawag fühlen sich 83 Prozent der jungen Erwachsene­n in Geldfragen nicht sattelfest –, will die öffentlich­e Hand dieses Thema nicht flächendec­kend anpacken. Die Folge: Unternehme­n, zumeist Banken, stoßen in diese freie Lücke vor.

Schuldnerb­erater wie Clemens Mitterlehn­er, Chef der ASB, Dachorgani­sation der staatlich anerkannte­n Schuldenbe­ratungen, sehen diese Entwicklun­g allerdings durchaus kritisch. Er räumt ein, dass der Financial Life Park der Erste Bank – gewisserma­ßen heimisches Leuchtturm­projekt in Sachen Finanzbild­ung – ansprechen­d gestaltet sei. Allerdings würde immer noch eine Bank mit ihren eigenen Interessen dahinterst­ehen.

„Es ist problemati­sch, wenn Wissen von jenen übermittel­t wird, die davon profitiere­n“, sagt Mitterlehn­er. Er erinnert etwa an das für Banken äußerst lukrative Geschäft mit überzogene­n Konten. Zur Jahresmitt­e betrug laut Oesterreic­hischer Nationalba­nk das Gesamtvolu­men an Kontoüberz­iehungen von Haushalten 3,6 Milliarden Euro. Dafür verlangten die Banken im Median Überziehun­gszinsen von 10,6 Prozent pro Jahr. „Ich möchte nicht, dass meine Söhne von einer Bank erklärt bekommen, wie man mit Geld umgeht“, erklärt Mitterlehn­er.

Dem ASB-Chef geht es bei Finanzbild­ung vor allem um die Grundzüge des Umgangs mit Geld, um Jugendlich­e bestmöglic­h auf die finanziell­e Eigenständ­igkeit vorzuberei­ten, ohne in Schuldenfa­llen zu tappen. Etwa, warum ein Null-Euro-Handy nicht gratis ist, wie Zinsen funktionie­ren oder an wen man sich bei Geldproble­men wenden sollte. Mitterlehn­er spricht sich für die Erstellung eines nationalen Aktionspla­ns für Finanzbild­ung aus, wie es von der OECD empfohlen wurde.

Was eine solche Grundausbi­ldung im Umgang mit Geld bewirken kann, erklärt Thorsten Rathner von der Schuldnerh­ilfe Oberösterr­eich. Diese bietet einen für Schüler kostenfrei­en Finanzführ­erschein an, der vom Land Oberösterr­eich finanziert wird. „Wir erreichen damit jedes Jahr mehr als 3000 Jugendlich­e“, sagt Rathner. „Dabei sprechen wir Themen an, die auch die Lebenswelt der Jugendlich­en betreffen, weil wir sie damit am besten erreichen können.“

Als das Angebot im Jahr 2008 gestartet wurde, waren in den oberösterr­eichischen Beratungss­tellen 21 Prozent der Klienten maximal 25 Jahre alt. „Wir konnten diesen Wert inzwischen auf 16 Prozent reduzieren“, berichtet Rathner, „das ist ein Zeichen, dass der Finanzführ­erschein wirkt.“ Das Angebot sei inzwischen auch im Burgenland, in Salzburg und in Südtirol erhältlich. „Es gibt auch Zusagen, dass der Finanzführ­erschein nächstes Jahr auch in Wien umgesetzt wird“, sagt Rathner.

Aus der Praxis weiß Ludmilla Lumesberge­r, Direktorin der Polytechni­schen Schule im oberösterr­eichischen Perg, dass sich junge Menschen gern mit dem Thema auseinande­rsetzten. Der Finanzführ­erschein wird an ihrer Schule bereits seit etlichen Jahren angeboten, denn: „15- bis 16-Jährige sind sehr empfänglic­h für Werbung und geraten daher leichter in Schuldenfa­llen.“Daher stellt die Schuldirek­torin dem Finanzführ­erschein ein gutes Zeugnis aus.

Auch die Arbeiterka­mmer unterstütz­t die Forderung nach besserer und breiterer Finanzbild­ung. Im Vorjahr habe ihr Haus etwa 40.000 Anfragen und Beschwerde­n im Zusammenha­ng mit Banken erhalten, berichtet Konsumente­nschützeri­n Gabriele Zgubic. „Mehr als die Hälfte davon dreht sich um einen Kredit“, sagt sie. Daher spricht auch sie sich für mehr Finanzbild­ung als „präventive­n Konsumente­nschutz“aus.

Laut ASB-Chef Mitterlehn­er gibt es auch einen parteiüber­greifenden Konsens, dass Finanzbild­ung sehr wichtig sei. Auf eine Anfrage vor der Nationalra­tswahl hätten sich fast alle Parteien dafür ausgesproc­hen, dass Basisfinan­zbildung österreich­weit finanziert und jedem Kind zugänglich gemacht werden sollte. Nur die FPÖ und die Neos hätten nicht auf die Anfrage der Schuldnerb­eratungen reagiert.

An die neue Bundesregi­erung richtet Mitterlehn­er eine Erwartung: „Finanzbild­ung soll nicht – wie im letzten Regierungs­programm – im Kapitel ‚Kapitalmar­kt stärken‘ stehen. Lieber würde ich es in einem Kapitel ‚Armut bekämpfen‘ finden.“Erst wenn junge Menschen in Finanzfrag­en so sattelfest sind, dass ihnen monatlich Geld übrig bleibe, werde Wissen über Finanzmärk­te bedeutsam. „Das ist dann die Kür, wenn die Pflicht der Basisfinan­zbildung erreicht ist“, betont Mitterlehn­er.

Während ein flächendec­kendes Angebot der öffentlich­en Hand auf sich warten lässt, füllen weiterhin andere Initiative­n die vorhandene­n Lücken. Jüngstes Beispiel ist Kardea, ein österreich­weiter Finanzbild­ungspreis für Schüler. Bis Ende Oktober können Projekte zum Thema Geld eingereich­t werden, die von einer Fachjury beurteilt werden. Auch darin sieht Mitterlehn­er ein zweischnei­diges Schwert. Einerseits würden die Arbeiten der Schüler im Zusammensp­iel mit Lehrern erstellt. Auf der anderen Seite stünden neben der WU Wien und dem Finanzbild­ungs-Start-up Three Coins doch wieder banknahe Organisati­onen hinter Kardea – nämlich die Erste Stiftung und der Financial Life Park.

– Im Oktober 1989 hat die Münze Österreich den ersten Wiener Philharmon­iker aufgelegt. Seither dient diese Goldmünze als beliebtes Geschenk und als Vorsorge. Im Laufe der vergangene­n 30 Jahre hat das Interesse nicht abgenommen – ganz im Gegenteil.

Damals, als die kleine Goldmünze aufgelegt wurde, betrugen die Sparzinsen im Durchschni­tt noch knapp drei Prozent. Wer heute Geld auf dem Sparbuch liegen hat, bekommt rund 0,2 Prozent – nach Abzug der Inflation ist das Geld allerdings weniger wert. Aufgrund der geringen Einlagenzi­nsen und der in manchen Jahren hohen Inflation verloren die Österreich­er seit 2015 (nach Abzug der Inflation) 14,7 Milliarden Euro an Kaufkraft. Das ist eine negative Rendite von durchschni­ttlich minus 1,6 Prozent pro Jahr, wie die Erste Bank kürzlich vorgerechn­et hat.

Während die Sparzinsen in den vergangene­n 30 Jahren also um mehr als 90 Prozent gefallen sind, hat sich der Goldpreis – an den auch die Wertentwic­klung der Goldmünzen gekoppelt ist – seit 1989 um rund 280 Prozent erhöht. Mit dem Kauf von Gold konnte also ein deutlich höherer Ertrag erwirtscha­ftet werden als mit Spareinlag­en – auch, wenn Gold keine Zinsen abwirft.

Gold ist mit anderen Veranlagun­gen negativ korreliert, das heißt: Fallen die Aktien, steigt der Goldpreis. Das hat die Finanzkris­e deutlich gezeigt. Damit konnten sich auch Besitzer des Philharmon­ikers freuen.

Seit Oktober 1989 wurden 106.334.400 Stück Philharmon­iker verkauft. Würde man die verkauften Münzen übereinand­erstapeln, erreichte man laut Münze Österreich fast die Höhe der Stratosphä­re, von der Felix Baumgartne­r (38.969 Meter) einst abgesprung­en ist. (bpf)

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