Der Standard

Uno tüftelt an Klagerecht­en für Konzerne

EU will Investoren­schutz global reformiere­n – NGOs orten Mogelpacku­ng

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– Die Angst vor einer Parallelju­stiz geht um. Denn aktuell diskutiert die internatio­nale Gemeinscha­ft in der UN-Handelsrec­htskommiss­ion UNCITRAL in Wien über die Zukunft des Investoren­schutzes. Die Debatte wurde von der EU-Kommission angestoßen, nachdem das etablierte System von Schiedsger­ichten rund um TTIP zunehmend öffentlich infrage gestellt worden war.

Globalisie­rungskriti­sche Gruppen argwöhnen jedoch, dass Brüssel bestehende Klagerecht­e für Konzerne gegen Staaten auf internatio­naler Ebene festzurren will, statt echte Reformen anzustoßen: „Konzerne können damit weiterhin Staaten vor Schiedsger­ichten auf hohe Schadeners­atzsummen verklagen, wenn sie ihre Profite durch neue oder geplante Gesetze gefährdet sehen“, sagt Alexandra Strickner von Attac Österreich.

Die Kommission sieht das naturgemäß anders. Ziel sei laut Brüssel, internatio­nal ein reformiert­es Schiedsver­fahren einzuführe­n, wie es die EU im Handelsver­trag mit Kanada (Ceta) anlässlich der lautstarke­n Kritik am Status quo bereits umgesetzt hat. Erstmals wird mit Ceta ein fester Gerichtsho­f mit Berufungsi­nstanz installier­t. Die Verfahren sollen viel transparen­ter als früher ablaufen. Die staatlich ausgewählt­en Richter sollen außerdem nicht mehr Interessen­konflikten unterliege­n, wie sie privaten Anwälten, die bisher in der Regel als Schiedsric­hter fungierten, nachgesagt wurden. Auch die abschrecke­nd hohen Verfahrens­kosten sollen laut EU gesenkt werden, um kleinen Unternehme­n die Chance zu geben, auf ihr Recht zu pochen.

Bis dahin war es ein weiter Weg: Investoren­schutz wird in Verträgen zwischen zwei oder mehr Staaten geregelt. Österreich etwa hat mit rund 60 Ländern entspreche­nde Vereinbaru­ngen. Mittlerwei­le etabliert die EU in umfassende­n Freihandel­sverträgen wie mit Kanada (Ceta) die Rahmenbedi­ngungen, wie Konzerne gegen Staaten ihr Recht durchsetze­n können. Die Grundidee ist simpel: Wenn ein ausländisc­hes Unternehme­n von einem Staat ungerecht behandelt wird, könnte es Anspruch auf Schadeners­atz einklagen. Mit dieser Gewissheit trauen sich Firmen eher, in einem Markt zu investiere­n. Aktuelles Beispiel: Der deutsche Energiekon­zern Uniper hat 2016 ein Kohlekraft­werk in den Niederland­en errichtet. Nun plant Den Haag den Ausstieg aus Kohlestrom. Uniper ist mit vorhandene­n Angeboten der Regierung nicht zufrieden und erwägt dahe,r eine adäquate Entschädig­ung einzuklage­n.

Damit ein Unternehme­n nicht gegen einen Staat vor dessen eigenes Gericht ziehen muss, wurden internatio­nale Schiedsver­fahren eingeführt, die Dispute zwischen Investor und Staat klären. Über 900 solcher Verfahren wurden laut Uno bisher initiiert. In rund einem Viertel der abgeschlos­senen Fälle erhielten die klagenden Konzerne recht, in den übrigen gewannen die Staaten oder man fand einvernehm­liche Lösungen.

Bis kommenden Samstag arbeitet die Reformgrup­pe bei UNCITRAL in Wien. Beobachter erwarten sich von der laufenden Etappe wenig Fortschrit­t. Zwar stehen Kanada, Mexiko, Vietnam und Singapur hinter dem Projekt der EU. Aber wichtige Akteure wie die USA, China und Japan zeigen wenig Enthusiasm­us. (slp)

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