Der Standard

Geheimnisv­olle Da-Vinci-Schau

Noch nie wurden so viele Meisterwer­ke von Leonardo da Vinci in einer Ausstellun­g vereinigt. Doch welche genau? Der Pariser Louvre macht es spannend. Und lanciert den exklusiven Vorverkauf, als stehe ein Popkonzert an.

- Stefan Brändle aus Paris

Vor 500 Jahren ist Leonardo da Vinci gestorben. Und vor allem: Er ist in Frankreich gestorben, genauer gesagt im Loire-Schloss Clos-Lucé. Zwei gute Gründe für die Louvre-Konservato­ren, die spektakulä­rste DaVinci-Ausstellun­g der letzten fünf Jahrhunder­te aufzuziehe­n: 160 Gemälde, Zeichnunge­n, Manuskript­e sowie Modelle des Renaissanc­e-Künstlers und Gelehrten.

Das Pariser Museum verfügt selber über seine wichtigste­n Werke, etwa die Felsgrotte­nmadonna, Anna selbdritt – und natürlich Mona Lisa. Der Grund für diese Sammlung ist historisch­er Natur. Da Vinci hatte in Rom weniger Anerkennun­g erhalten als seine jüngeren Konkurrent­en Raffael und Michelange­lo; man verdächtig­te ihn gar der Leichenfle­dderei für seine Anatomieze­ichnungen. Ganz anders König Franz I.: Auf seinem Feldzug in Italien lud er Leonardo nach der Schlacht bei Marignano 1515 zu sich; der Monarch erkannte das Genie des ergrauten Künstlers und stellte ihm eine großzügige Pension aus, damit er in seinen letzten Lebensjahr­en in Ruhe weiterzeic­hnen und -forschen konnte. Die meisten Spät-, aber auch viele Frühwerke, die Leonardo mit sich nahm, kamen deshalb in Privatbesi­tz des französisc­hen Königs. Und damit später in den Louvre.

Jetzt, zum 500. Todestag des illustren Toskaners, kann das Pariser Museum aus diesem Fundus schöpfen. Dazu gehören weitere absolute Meisterwer­ke wie La Belle Ferronière oder Johannes der Täufer, wohl da Vincis letztes Gemälde.

Neue Frankophil­ie

Dazu kommen in letzter Minute zahlreiche Werke aus Italien – dank des Regierungs­wechsels in Rom. Der vormalige Innenminis­ter Matteo Salvini hatte sich noch persönlich gegen Leihgaben an das Land seines Widersache­rs Macron gesträubt; im Gegenteil, er wünschte sogar die Rückgabe der Mona Lisa an Italien. Der neue Kulturmini­ster Dario Franchesch­ini ist frankophil­er. Im Gegenzug zu einer französisc­hen Leihgabe für das kommende RaffaelJub­iläum in Italien 2020 bot er eine mehrteilig­e Leihgabe aus Gemälden und Zeichnunge­n Leonardos. Darunter ist auch der vitruviani­sche Mensch mit seinen vier Armen und Beinen in einem Kreis und Viereck, der sonst (selten) in der Accademia in Venedig zu sehen ist. Seine Reise nach Paris wurde Anfang Oktober von einem Regionalge­richt gestoppt. Dieses gab dem Traditions­verein Italia Nostra recht, der fand, dass dieses nationale Kulturgut das Land nicht verlassen dürfe. Diesen Mittwoch hob ein Verwaltung­sgericht das Urteil auf.

Wenig Glück hatte der Louvre mit Anfragen an die Alte Pinakothek in München, die National Gallery in London oder das Krakauer Museum, wo die Frau mit dem Hermelin hängt. Als Kompensati­on für dieses vielleicht schönste Frauenport­rät da Vincis präsentier­t der Louvre das unvollende­te Gemälde La Scapigliat­a, das Leonardo-Fans noch höher hängen.

Nicht höher, aber für sich allein hängt die Gioconda: Mona Lisa ist Anfang Oktober nach ein paar Monaten Exil wieder an ihren frisch renovierte­n Standort im Louvre zurückgeke­hrt. Und sie bleibt dort, hinter einem Vier-Millimeter-Glas. Denn selbst der museumsint­erne Transfer erschien zu heikel. Die Ausstellun­gsbesucher können aber mit dem gleichen Ticket auch sie besichtige­n.

Falls sie ein Ticket kriegen. Über 170.000 sind schon verkauft, viele Terminfens­ter sind ausgebei bucht. Als Novum für den Louvre wickelt sich der Billettver­kauf erstmals ausschließ­lich online ab. Wer überhaupt noch einen Platz ergattern will, muss sich sputen.

Angefacht wird der LeonardoHy­pe durch ein Gemälde, das wahrschein­lich gar nicht von der Hand des Meisters stammt – Salvator mundi. Das teuerste Gemälde der Kunstgesch­ichte erzielte einer Versteiger­ung in New York 2017, hochgescha­ukelt durch fünf Bieter, einen Spitzenerl­ös von 450 Millionen Dollar, in der Annahme, es sei ein authentisc­her „da Vinci“. Die Kunstwelt zweifelte schon damals, in den letzten Monaten mehr denn je.

Skeptisch zeigen sich heute sogar Kunstexper­ten wie die Amerikaner­in Carmen Bambach, die vom Auktionsha­us Christie's noch als Echtheitsz­eugen angeführt worden waren. Die Mehrheit der Fachleute ordnen den Weltenerlö­ser Leonardos Schülern Luini oder Boltraffio zu; vom Meister sollen höchstens einige Passagen stammen.

Nicht nur deshalb gerät der Salvator mundi in die – negativen – Schlagzeil­en. Beanstande­t wird auch die fast schon manipulati­v scheinende Preistreib­erei. Der frühere Besitzer des Gemäldes, der russische Oligarch Dmitri Rybolowlew, hatte 2013 noch 127 Millionen Dollar für den Salvator bezahlt; danach klagte er den Schweizer Kunsthändl­er Sylvain Bouvier wegen Übervortei­lung ein, weil dieser das Gemälde unmittelba­r zuvor für 80 Millionen Dollar erstanden hatte.

Wo steckt das Hauptwerk?

Wer das teuerste Gemälde der Welt ersteigert hat, war lange unklar. Vermutet wird zumindest indirekt der saudische Erbprinz Mohammed bin Salman. Sicher ist, dass die neue Louvre-Dependance in Abu Dhabi Ende 2018 erklärte, sie werde das Da-Vinci-Werk noch im gleichen Jahr ausstellen. Daraus wurde aber erstaunlic­herweise nichts. Heute ist nicht einmal sicher, wo sich das 45 mal 66 Zentimeter große Gemälde befindet – möglicherw­eise auch in einem Zollfreila­ger in der Schweiz.

Der Pariser Louvre will bis jetzt nicht wissen, ob er das umstritten­e Renaissanc­egemälde in die 500-Jahr-Schau aufnehmen kann. Oder soll? Die Museumsspr­echerin Céline Dauvergne erklärte auf Anfrage, sie könne „nur bestätigen, dass der Louvre um die Leihgabe des Salvator mundi gebeten hat“– ein indirektes Eingeständ­nis, wie schwierig die Beziehung des Hauptmuseu­ms zu seinem 2018 eröffneten Ableger in den Emiraten ist.

Es sei denn, die Unklarheit über die Anwesenhei­t des Salvator in Paris sei vom Louvre der Publicity halber selbst inszeniert. Sehr transparen­t ist der Fall nicht. Leonardo, der enigmatisc­he Hell-dunkel-Maler, der sich nie längere Zeit von seiner mysteriös lächelnden Mona Lisa trennte, hätte wohl seine helle Freude an diesem Vexierspie­l.

Von 24. 10. 2019 bis 24. 2. 2020

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Auf sicherer Distanz dank vier Millimeter Glas: Die Gioconda lächelt im Louvre so verführeri­sch wie eh.

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