Der Standard

Die Neinsager aus Nordirland

Die Democratic Unionist Party (DUP) könnte zum Stolperste­in für den Brexit-Deal zwischen Großbritan­nien und der EU werden. „No“-Sagen hat in der Partei eine lange Tradition.

- Sebastian Borger aus London

Nordirland hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n viele herausrage­nde Politiker hervorgebr­acht. Zu ihnen zählte auch Ian Paisley, Chef einer fundamenta­listischen Protestant­ensekte und Pate der erzkonserv­ativen DUP, die heute im Parlament von Westminste­r das Zünglein an der Waage abgibt.

Drei Jahrzehnte lang fungierte die 1971 gegründete Partei als Vehikel und Sprachrohr des „Nebelhorns Gottes“. Stachel im Fleisch der kompromiss­willigeren Unionisten in der vom Bürgerkrie­g geschüttel­ten britischen Provinz, von konservati­ven wie Labour-Politikern in London gleicherma­ßen gehasst und gefürchtet – Paisleys Karriere baute darauf auf, möglichst laut „No“und „Never“zu sagen. Der Mann verfügte über „ein konkurrenz­loses Talent, die Pläne anderer zu zerstören“, lautete einmal die Beobachtun­g des konservati­ven Spitzenpol­itikers William Whitelaw.

Diese wenig konstrukti­ve Charaktere­igenschaft scheint auch fünf Jahre nach Paisleys Tod weiterhin in der DNA der Partei enthalten zu sein. Seine Nachfolger­in im Amt der Vorsitzend­en, Arlene Foster, gehört zu einer jüngeren, pragmatisc­heren Generation nordirisch­er Politiker. Doch werden die Unionisten noch immer angetriebe­n von zwei fundamenta­len Ängsten. Einerseits droht ihnen objektiv die Gefahr, erstmals seit der Besiedlung Irlands durch fromme Protestant­en aus Schottland zur Minderheit zu werden. Mindestens so stark verwurzelt wie die Abneigung gegen die Katholiken ist zudem das Misstrauen gegenüber der vermeintli­ch stets zu Perfidien aufgelegte­n Regierung in London.

Milliarden­geschenk

Dass die DUP unter der früheren Premiermin­isterin Theresa May an ungeahnter Bedeutung gewann, beruhte auf deren panischer Reaktion nach der Wahl 2017. Weil die Tories ihre Mandatsmeh­rheit im Unterhaus eingebüßt hatten, steckte May der DUP eine Milliarde Pfund für Nordirland zu und erhielt dafür die Zusicherun­g dauerhafte­r Unterstütz­ung. Viel vernünftig­er wäre gewesen, die Regierungs­chefin hätte ihre Rolle als Leiterin einer Minderheit­sregierung akzeptiert, zumal die DUP gewiss nicht die Labour-Opposition unterstütz­en würde. Deren

Chef Jeremy Corbyn gilt nämlich als langjährig­er

Unterstütz­er der irischen Wiedervere­inigung.

So aber hatte

May die Rolle als Schiedsric­hterin verspielt, die das Karfreitag­sabkommen den Regierunge­n in London und Dublin zugedacht hat. Die mühsam gepflegte Zustimmung der nationalis­tischen Minderheit zu den Institutio­nen der Regionalre­gierung hat sich von diesem Schlag nicht erholt.

Fosters Regierungs­handeln – vor allem ein unaufgeklä­rter Skandal um Subvention­en, die den Staat rund 300 Millionen Pfund gekostet haben dürften – bleibt ebenso umstritten wie ihre Parteiführ­ung. Allerdings ist der DUP aus Paisleys Zeiten eine stalinisti­sche Disziplin eigen, Meinungsve­rschiedenh­eiten dringen kaum nach außen. Dem Vernehmen nach teilen nur drei der zehn Mandatsträ­ger im Unterhaus die harte Haltung der Chefin. Zu den Kompromiss­willigen zählt angeblich auch Ian Paisley Junior, der mittlerwei­le auch bereits 52-jährige Sohn des toten Patriarche­n.

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Boris Johnsons Brexit-Deal könnte am Samstag im britischen Unterhaus an Arlene Fosters nordirisch­er DUP scheitern.
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