Der Standard

Evo Morales will es noch einmal wissen

Der Sozialist regiert Bolivien seit 14 Jahren und strebt nun eine äußerst umstritten­e vierte Amtszeit an. Kritiker werfen ihm vor, immer autoritäre­r zu agieren. Seine Wähler erkauft er sich mit populären Sozialprog­rammen.

- Sandra Weiss

Hugo Chávez: tot. Rafael Correa: im Exil. Ollanta Humala und Luiz Inácio „Lula“da Silva: im Gefängnis. Der Bolivianer Evo Morales ist einer der wenigen noch amtierende­n Staatschef­s der „rosaroten Welle“in Lateinamer­ika. Das hätten wohl nur wenige dem indigenen Kokabauern zugetraut, als er mit einem marxistisc­h angehaucht­en Diskurs und gegen den geballten Widerstand der US-Regierung vor 14 Jahren an die Macht kam. Am Sonntag will Morales nun zum vierten Mal in Folge zum Präsidente­n des Andenlande­s gewählt werden – doch es wird Meinungsfo­rschern zufolge die schwierigs­te Wahl seiner Karriere.

Umfragen sehen ihn bei 35 bis 38 Prozent. Das reicht nicht für einen Sieg im ersten Wahlgang. Dafür brauchte er mindestens 40 Prozent und zehn Punkte Vorsprung vor seinem stärksten Widersache­r. Der heißt Carlos Mesa, ist ein bürgerlich­er Universitä­tsprofesso­r und kommt laut Umfragen auf 25 bis 28 Prozent. Drittplatz­ierter mit knapp unter zehn Prozent ist Oscar Ortíz, der die neoliberal­e Agrar- und Unternehme­relite des Tieflandes repräsenti­ert. Käme es zu einer Stichwahl, stünden die Chancen für das vereinte bürgerlich­e Lager gut. Morales’ Bewegung zum Sozialismu­s (MAS) setzt daher alles auf einen Sieg in der ersten Runde – weshalb die Gegner befürchten, es könne zu Wahlbetrug kommen.

Nachbarlän­der schrecken ab

Morales hat den kompletten Staatsappa­rat für seinen Wahlkampf mobilisier­t. Seine Kernbotsch­aft lautet „weiter so“statt riskanter Experiment­e. Zur Abschrecku­ng dienen ihm die krisengesc­hüttelten, konservati­v oder liberal regierten Nachbarlän­der, von Argentinie­n bis Ecuador. Denn dass der Stern des mittlerwei­le 59Jährigen weniger verblasst ist als der seiner linken Freunde, verentspre­chend dankt er seinem wirtschaft­lich erfolgreic­hen Pragmatism­us, gepaart mit Autoritari­smus und einer Opposition, die – wie in Venezuela – unfähig war, ihre taktischen Erwägungen und internen Streitigke­iten beiseitezu­legen.

In den vergangene­n 14 Jahren hielt in Bolivien politische Stabilität Einzug. Die Wirtschaft wuchs durchschni­ttlich um 4,5 Prozent pro Jahr, und die vor allem indigene Unterschic­ht erlebte einen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Aufstieg. Morales verstaatli­chte die Grundstoff­industrien, womit er dank der Rohstoff-Hausse auf den Weltmärkte­n die Staatskass­en füllen konnte.

Das Geld sparte er zum Teil in einem Fonds – aus dem er dann in den vergangene­n Jahren staatliche Investitio­nsprogramm­e finanziert­e – und verteilte es mittels sehr populärer Sozialprog­ramme an Kinder, Schwangere und Alte. Die Armut sank von 63 auf 36 Prozent. Die Anhänger der MAS stammen vor allem aus dem Hochland, dem ländlichen Raum und den urbanen Armenviert­eln.

Mesa hingegen ist gemäßigt, kein rechter Populist oder fundamenta­listischer Marktliber­aler. Das macht ihn vor allem für die Mittelschi­cht attraktiv, die sich zunehmend von Morales’ Klientelis­mus und autoritäre­m Führungsst­il abwendet. Mesa kandidiert für die Bürgerplat­tform Comunidad Ciudadana (CC), die aus den Massenprot­esten Anfang 2018 gegen eine repressive Strafrecht­sreform und die Kriminalis­ierung von Protesten entstand.

Autoritäre Vorbilder

Morales regiere zunehmend autoritär, so seine Kritiker, die ein Abgleiten in eine Diktatur nach dem Vorbild Venezuelas fürchten. Allein die Tatsache, dass Morales erneut antrete – obwohl die Verfassung ursprüngli­ch nur eine Wiederwahl zuließ und er ein Referendum über eine entspreche­nde Verfassung­sänderung verlor –, sei dafür symptomati­sch. Ebenso wie die Tatsache, dass eine unterwürfi­ge Justiz mit juristisch­en Spitzfindi­gkeiten den Weg für eine erneute Kandidatur trotzdem freimachte – unter anderem mit dem Argument, ein Wiederwahl­verbot verstoße gegen das Menschenre­cht auf politische Partizipat­ion.

Wer auch immer gewinnt – die kommenden Jahre werden schwierig. Das Sinken der Rohstoffpr­eise und die Abkühlung der Weltwirtsc­haft, die die Handelsbil­anz in die roten Zahlen abrutschen ließen, dürften noch einige Zeit anhalten. Das zwingt zu Haushaltsd­isziplin und dürfte auf die Wachstumsr­aten drücken. Ob sich die Hoffnungen auf die E-Mobilität und die Industrial­isierung der Lithiumres­erven erfüllen, ist noch unklar. Auch politisch wird es unruhiger: In dem ebenfalls am Sonntag zu wählenden Parlament dürfte die MAS ihre Zweidritte­lmehrheit verlieren.

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Boliviens Präsident Morales hat den kompletten Staatsappa­rat für seinen eigenen Wahlkampf mobilisier­t. Bis 2025 würde er amtieren, wenn er am Sonntag die Wahl gewinnt.

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