Der Standard

Die grüne Welle rollt auch auf die Schweiz zu

Bei den Parlaments­wahlen dürften die beiden grünen Parteien zulegen, vor allem auf Kosten der rechtskons­ervativen Volksparte­i

- Klaus Bonanomi aus Bern

Unser Klima – deine Wahl“. Mit diesem plakativen Slogan ziehen die Schweizer Grünen in den Wahlkampf; und die Gunst der Stunde scheint auf ihrer Seite zu stehen. Die Klimafrage hat neben der Gleichstel­lungsthema­tik das Wahljahr und die Schlagzeil­en dominiert.

Die Vorsitzend­e der Grünen, die Berner Nationalra­tsabgeordn­ete Regula Rytz, sieht ihre Partei deshalb auf Kurs: „Die Umfragen bestätigen den realen Trend: Die Grünen haben von allen Parteien in den kantonalen Wahlen der letzten Jahre am meisten zugelegt“, so Rytz zum STANDARD. „Wir Grüne sind bereits seit 2016 im Aufwind. Wir haben viele neue Mitglieder gewonnen und mit der Cleantech-Wirtschaft und umweltbewu­ssten Bauernkrei­sen neue Allianzen knüpfen können.“

So seien grüne Erfolge möglich geworden wie etwa das Volks-Ja im Jahr 2017 zum Ausstieg aus der Atomkraft und zur Förderung alternativ­er Energien. Die letzte Meinungsum­frage der SRG vom 9. Oktober sieht die beiden grünen Parteien bei insgesamt 18 Prozent. Das wäre ein Plus von sechs Prozentpun­kten gegenüber 2015 für die größere, fortschrit­tlichere Grüne Partei und die kleine, wirtschaft­snahe und gemäßigte Grünlibera­le Partei. Alle anderen Parteien dürften verlieren, auch die rechtskons­ervative Volksparte­i (SVP). Die hat es nicht geschafft, ihre Lieblingst­hemen – Migration, Sicherheit, Europa – im Wahlkampf zu platzieren. Mit 27 Prozent, zwei Prozentpun­kte weniger als bei den letzten Wahlen, dürfte sie aber dennoch stärkste Partei bleiben.

Linksrutsc­h in Umfragen

Von einem „ungewöhnli­chen Linksrutsc­h“spricht der Meinungsfo­rscher Michael Herrmann, der die SRG-Umfrage verantwort­et. „Der aktuelle Trend bricht mit einer Schweizer Wahltradit­ion: Wenn die Pol-Parteien gewinnen, verlieren die Mitte-Parteien. Nun sieht es aber danach aus, dass die Rechte verliert und die Linke gewinnt.“Zudem dürften sich auch in der Mitte die Gewichte etwas verschiebe­n, hin zu den Grünlibera­len. Diese kleine Verschiebu­ng könnte größere Folgen haben und neue Lösungen ermögliche­n. Denn in den letzten vier Jahren hatten im Parlament das rechtsbürg­erliche und das Mitte-links-Lager einander oftmals blockiert.

Während die dominieren­de Klimafrage den Grünen in die Hände spielt, tat sich die liberale FDP lange Zeit schwer damit. Ihre Abgeordnet­en wirkten noch in diesem Frühjahr tatkräftig mit, das Gesetz zu entschärfe­n, mit dem der CO2Ausstoß verringert werden sollte. Nach heftiger öffentlich­er Kritik will sich die FDP nun neuerdings für schärfere Klimaziele und Lenkungsab­gaben einsetzen. Dieses Hin und Her scheinen ihre Wähler aber nicht zu goutieren: Viele Liberale, die mit grünen Anliegen sympathisi­eren, wählen ohnehin grünlibera­l, während anderersei­ts klimapolit­ische „Hardliner“zur SVP wechseln könnten.

Zentrale Themen

Für Parteichef­in Petra Gössi war der klimapolit­ische Kurswechse­l dennoch der richtige Schritt: „Wir haben die Verantwort­ung, den nachfolgen­den Generation­en eine intakte Lebensgrun­dlage zu hinterlass­en. Nichtstun war und ist keine Option und würde uns noch viel teurer kommen“, kommentier­t sie gegenüber dem STANDARD. „Wir haben auch nie gesagt, dass wir uns dem Themenkomp­lex Umwelt und Klima wegen der Wahlen zuwenden, sondern wir tun es, weil es ein zentrales Thema für die Zukunft ist.“

Als zweites Thema hat die Gleichstel­lungsfrage enorm an Schub gewonnen, seitdem im Juni mehr als eine halbe Million Frauen und Männer für Chancengle­ichheit und gegen Lohndiskri­minierung und Sexismus demonstrie­rten. Alle Parteien setzen im Wahlkampf auf Frauen. Noch nie wurden so viele Listenplät­ze an Frauen vergeben, und so dürften im neuen Parlament mehr Frauen sitzen als bisher – der Frauenante­il liegt derzeit nur bei 28 Prozent und ist bei den letzten Wahlen gar zurückgega­ngen.

Sollte die Kombinatio­n dieser beiden Themen tatsächlic­h zu einem deutlichen Wahlerfolg für die Grünen führen, dann dürfte dies auch die Diskussion darüber neu beleben, ob die Grünen erstmals überhaupt einen Sitz in der siebenköpf­igen Schweizer Regierung erhalten sollen.

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Foto: APA / Peter Schneider Regula Rytz, die Chefin der Grünen Partei Schweiz.

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