Der Standard

Die Ghanaerin und der Milliarden­konzern

Louis Vuitton strengte Markenschu­tzprozess gegen 28-Jährige an, die gefälschte Tasche verkaufte

- Michael Möseneder

Wien – Produktfäl­schungen sind ein gutes Geschäft, wenn man der europäisch­en Polizeiage­ntur Europol glaubt. 2,5 Prozent des weltweiten Handels würden mit nachgemach­ten Luxusartik­eln, Zigaretten, Lebensmitt­eln, Medikament­en, Nahrungsmi­tteln und Mode gemacht. Umgerechne­t 417 Milliarden Euro Umsatz werden so gemacht. In der EU sei der Anteil am gesamten Warenhande­l mit rund fünf Prozent noch höher.

Bei manchen dieser Delikte geht es potenziell um Menschenle­ben, etwa wenn wirkungslo­se Arzneien auf den Markt kommen oder technische Ersatzteil­e von minderer Qualität sind. In anderen Fällen geht es lediglich um die Markenrech­te der Originalpr­oduzenten – wie im Fall der Privatankl­age von Louis Vuitton Malletier gegen die 28-jährige Mabel A., die vor Richterin Minou Aigner sitzt.

Zwischen 300 und 800 Euro verdiene sie im Monat in einer kleinen Boutique in Wien, erzählt die unbescholt­ene Angeklagte aus Ghana. Der Klägerseit­e geht es besser: Der Nettogewin­n des französisc­hen Mutterunte­rnehmens LVMH stieg 2018 um 18 Prozent auf rund 6,4 Milliarden Euro. Das bescherte auch den Aktien einen Höhenflug und brachte Unternehme­nschef Bernard Arnault, der 47 Prozent der Anteile hält, auf Platz drei der reichsten Menschen weltweit. Laut der Liste der Nachrichte­nagentur Bloomberg besitzt er 96 Milliarden Euro.

Doch zurück in das Wiener Straflande­sgericht. Richterin Aigner weiß bereits, dass das Verfahren mit einem Freispruch enden wird. Denn Louis Vuitton vertraut nicht nur auf Strukturer­mittlungen der Exekutive, um die Hintermänn­er der Fälscherne­tzwerke zu enttarnen, sondern stellt auch eigene Nachforsch­ungen an. „Mystery Shopper“werden in Geschäfte geschickt, um Falsifikat­e zu entdecken. Es folgt eine Anzeige bei Gericht, die zurückgezo­gen wird, wenn sich die Angeklagte­n zu einem Vergleich bereiterkl­ären.

Im Fall von Frau A. ist das so. Um 25 Euro hat sie eine Taschenkop­ie an einen Lockvogel verkauft. Nun ist sie zu einem Vergleich bereit, wie ihre Verteidige­rin Sabine Riehs ankündigt. Die Louis-Vuitton-Anwältin übergibt eine Kopie des Schriftstü­cks an die Richterin, damit diese die Vereinbaru­ng im Protokoll festhalten kann. Frau A. verspricht, in sieben Raten 3500 Euro zu zahlen und die Anwalts- und Gerichtsko­sten in Höhe von 440 Euro zu übernehmen. Da die Privatankl­age daraufhin zurückgezo­gen wird, spricht Aigner A. rechtskräf­tig frei.

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