Der Standard

Griffen am Tag nach dem Weltgerich­t

Mit erprobter Widerborst­igkeit sorgte der Literaturn­obelpreist­räger Peter Handke für einen Eklat in seiner Herkunftsg­emeinde Griffen. Zeigt sich der Ort von des Dichters Donnerwort gut erholt? Ein Lokalaugen­schein danach.

- Michael Cerha

Mittwochmi­ttag im Garten eines Cafés am Griffener Hauptplatz. Die Sonne lacht vom Himmel, der Wölfnitzba­ch plätschert friedlich zwischen den Häuserzeil­en, und nur indirekt lässt sich schließen, dass es Dienstagna­cht gegen 22 Uhr am Fuß des farbenpräc­htig über der Marktgemei­nde wachenden Burgbergs zu einer weltlitera­rischen Schrecksek­unde gekommen sein muss: Vier Gäste an einem Tisch des Cafés stimmen einander zu, dass es ein rechtes Leid mit dem Journalism­us sei, da habe der Handke schon recht.

Das Herz auf der Zunge in Sachen Handke trägt hier allerdings niemand. „Bei Peter Handke bin ich sehr reserviert, da sage ich nichts“, meint der Café-Besitzer und lässt einen verdutzt in der Tasse rühren. Dass man, wenn man hinausfähr­t zum Stift und in der Gastwirtsc­haft Duller mit der liebenswür­digen, aber ländlich verschloss­enen Besitzerin ins Gespräch kommt, irgendetwa­s Substanzie­lles in Erfahrung bringen könnte, kann man sich sowieso aus dem Sinn schlagen. Erst wenn man hört, dass er vorige Nacht bis drei mit den Gemeindevo­rderen und Handke quasi eine ausgelasse­ne lokale Nobelpreis­party gefeiert hat, kann man abschätzen, was für ein Glück man hat, bereits am frühen Nachmittag im Gemeindeam­t den dortigen Amtsleiter Mario Snobe anzutreffe­n. (Also das soll jetzt nichts heißen, vielleicht war er auch schon am Vormittag dort.)

Brühwarm kann Snobe nicht nur von der weltlitera­rischen Schrecksek­unde erzählen, sondern auch die Zurückhalt­ung begründen, deren sich die knapp 3500 Griffnerin­nen und Griffner befleißige­n, sobald sie von Außerörtli­chen auf Handke angesproch­en werden. Ja, es gab Zeiten, als die Einheimisc­hen an kritischen Texten wie Wunschlose­s Unglück zu schlucken hatten, da herrschte Vorsicht. Aber das liegt Jahrzehnte zurück. Inzwischen ist der einzige Grund dafür, nicht alles auszuplapp­ern, dass man respektier­e, dass der Ort Handkes privates Refugium darstelle. Hier hat alles Öffentlich­e nur so weit Platz, als es mit Handkes Zustimmung förmlich geplant ist. Ansonsten wird offenbar, wie in einer großen Familie, Die Schwedisch­e Akademie hat ihre Entscheidu­ng, in diesem Jahr Peter Handke mit dem Literaturn­obelpreis auszuzeich­nen, verteidigt. Handke habe „provokativ­e, ungeeignet­e und unklare Kommentare in politische­n Fragen“gemacht, schreibt Akademiese­kretär Mats Malm im Dagens Nyheter. Handke habe jedoch niemals das Blutvergie­ßen glorifizie­rt und stattdesse­n das Srebrenica-Massaker klar verurteilt. ein Schutzring um das bedeutends­te Mitglied gebildet.

Wie aber konnte der am Dienstagab­end so sehr durchbroch­en werden? Snobe: „Handke wurde am Nachmittag von Bürgermeis­ter Josef Müller vom Flughafen Ljubljana abgeholt. Abends fand eine Gemeindera­tssitzung statt, deretwegen auch drei Politikjou­rnalisten lokaler Blätter anwesend waren. Unmittelba­r im Anschluss daran, eben gegen 22 Uhr, kam Handke ins Gemeindeam­t, um an einem Empfang zu seinen Ehren teilzunehm­en. Dabei sollten heimische Honoratior­en, darunter Landeshaup­tmann Peter Kaiser, dem Dichter persönlich gratuliere­n können.“

Brav den Job erledigt

Vonseiten des Gemeindeam­ts ungeplante­rweise hatte das ORFLandess­tudio zu dem Empfang eine junge Mitarbeite­rin entsandt, die glaubte, brav ihren Job zu erledigen, als sie Handke vergeblich zu einem Interview drängte, dann endlich doch wenigstens eine Frage zugestande­n bekam und diese dafür nützte, von Handke eine Reaktion auf die Reaktion von Saša Stanišić auf die Nobelpreis­entscheidu­ng zu erbitten. Wahnsinnig feinfühlig war das nicht. Aber Handke (siehe die gestrige Ausgabe) hat Übung nicht nur in Weltgerich­ten, sondern auch in der Androhung, sich nie wieder Journalist­enfragen stellen zu wollen.

Mario Snobe berichtet, dass Handke im Anschluss daran, dass ihm der Kragen geplatzt war, in bester Laune den Abend verbracht habe. Wobei man eben eigentlich nicht von Abend, sondern von Nacht, wenn nicht von Morgen sprechen muss. Um 7.30 Uhr habe er den Bürgermeis­ter jedenfalls telefonisc­h verständig­t, dass er sich außerstand fühle, den für Mittwochab­end vereinbart­en Begegnungs­termin mit der Presse wahrzunehm­en.

Eine Begründung dafür habe er nicht genannt. Aber sonst herrschte am Mittwoch poetische Ruhe in Griffen. Und Frau Duller in der Gastwirtsc­haft im Stift ließ sich denn doch entlocken, dass Handke, wie immer, wenn er in Griffen weilt, auch an diesem Tag bereits zu Besuch war.

 ??  ?? Noch liegt alles an seinem Platz: Die Griffener Dauerausst­ellung über Peter Handke bildet ein Kleinod des Bezirks Völkermark­t.
Noch liegt alles an seinem Platz: Die Griffener Dauerausst­ellung über Peter Handke bildet ein Kleinod des Bezirks Völkermark­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria