Der Standard

Spätstarte­r mit Hang zum Blues vertagt Pension

- Karin Riss

Er weiß, worauf er sich eingelasse­n hat. Er kennt „die irrational­en Abläufe“solcher Runden: „Die Wirtschaft­skammer wird sagen, alles läuft schlecht, Arbeiterka­mmer und ÖGB werden sagen, alles ist leiwand.“

Walter Pöltner hat trotzdem zugesagt. Ab

7. November wird der Melancholi­ker als Leiter der „Alterssich­erungskomm­ission“die Arbeit aufnehmen – mit fast vierjährig­er Verspätung.

Im Streit um einen Pensionsau­tomatismus wurde der Start der 15köpfigen Arbeitsgru­ppe von der damaligen SPVP-Koalition für Jänner 2017 anvisiert. Weil man sich aber nicht auf einen Chef einigen konnte, hat sich alles etwas verzögert.

Auf Insistiere­n von Sozialmini­sterin Brigitte Zarfl hat jetzt ein Mann zugesagt, der auf dem Gebiet als ausgewiese­ner Experte gilt. Mit dem Sozialvers­icherungsr­echt beschäftig­te sich Pöltner bereits als Referent bei der Arbeiterka­mmer, das war 1986. Vier Jahre später holte ihn der damalige Sozialmini­ster Josef Hesoun als Sekretär ins Ministerbü­ro, 2002 stieg er unter dem Blauen Herbert Haupt zum Sektionsch­ef auf und war für die Pensionsre­form von Schwarz-Blau II verantwort­lich.

In der SPÖ nahmen ihm das einige übel. Irgendwann ist Pöltner dann aus der Partei ausgetrete­n. Die Genossen bereiteten weiter Ärger: Dass ihm als KurzzeitSo­zialminist­er nach dem Ibiza-bedingten Koalitions­ende unter roter Federführu­ng das Misstrauen ausgesproc­hen wurde, nimmt der bald 68-Jährige persönlich.

Vielleicht hätte er einst das Angebot, als Schiffmusi­ker um die Welt zu fahren, annehmen sollen. Doch das Kind aus dem Gemeindeba­u, als junger Mann Industriek­aufmann bei Semperit, hat sich für Sicherheit statt Abenteuer entschiede­n. Wenn schon, denn schon: Mit 29 Jahren holt er die Matura nach, heiratet, betreut die beiden Kinder und hängt noch ein JusFernstu­dium dran.

Jetzt wollte er „eigentlich wieder Musiker werden“. Blues, B. B. King, Robert Johnson! Er spielt gelegentli­ch bei Feiern (Gitarre, Akkordeon, Klavier), aber die für die Pension erträumte Hotelbar muss noch warten.

Was geschehen solle, damit er als „Mr. Pensionsre­form“nicht den Blues bekommt? Es solle gelingen, „ein klares Bild über die Situation der Alterssich­erung zu schaffen“und auch das „Problembew­usstsein bei Politikern aller Couleur“zu erhöhen. Was in den letzten Tagen vor der Nationalra­tswahl beschlosse­n wurde, findet er „unverantwo­rtlich“und „furchtbar“. Da habe man dem Populismus Vorrang vor Verantwort­ung gegeben.

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Foto: APA/Techt Kurzzeitmi­nister Walter Pöltner leitet die Alterssich­erungskomm­ission.

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