Der Standard

Koalition unter Druck

Ein SPÖ-Neustart wird nur gelingen, wenn die Lager ihre Feindselig­keiten einstellen

- Petra Stuiber

Nach dem überrasche­nden Ausgang der Wahl mahnt die CDU die neue SPD-Führung zur Koalitions­treue.

Game of Thrones ist nichts dagegen. Auch das bei HeinzChris­tian Strache beliebte Computersp­iel Clash of Clans kann schwer mithalten: Das Gemetzel, dem sich die SPÖ derzeit hingibt, ist ein Showdown der roten Clans. Auge um Auge, Zahn um Zahn – das Drama hat fast schon alttestame­ntarische Züge. Das zeigt auch eine interne „Analyse“, die derzeit als E-Mail im Wiener Rathaus kursiert und die Lage, wenn auch primär aus Wiener Sicht, klar seziert.

Auf der einen Seite steht die „Liesinger Partie“des von Christian Kern abgesägten damaligen SPÖChefs und Bundeskanz­lers Werner Faymann. Christian Deutsch und Doris Bures sind die Proponente­n, die im Ruf stehen, immer noch Rache für Faymanns Schmach von ehedem zu üben. Zu ihnen scheint ausgerechn­et Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner, ehemals eine enge Vertraute von Kern, übergelauf­en zu sein. Die Liesinger Partie ist der „Häupl-Partie“des ehemaligen Wiener Bürgermeis­ters immer noch in herzlicher Feindschaf­t verbunden – obwohl die Hauptperso­nen dieser Fehde längst in Pension sind oder die Politik verlassen haben. Das ist der eine große rote Graben in der SPÖ. Es gibt aber noch weitere.

Denn auf der anderen Seite stehen die Fans von Gerhard Zeiler, dem ehemaligen ORF-General, der Kern im Match um den SPÖ-Vorsitz unterlegen war. Zu ihnen zählt Niederöste­rreichs SP-Chef Franz Schnabl. Er und andere wollen den Fehler, den in ihren Augen die SPÖ mit Kern gemacht hat, endlich korrigiere­n. Dazwischen irrlichter­n weitere rote Länderfürs­ten, die sich, je nach eigenem Nutzen und eigener Berechnung, einmal hierhin und einmal dorthin wenden; die SPÖGewerks­chafter, die stets recht behalten, weil sie am Ende immer mit den Richtigen fraktionie­ren; und der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig, der zwar mit der Liesinger Partie gut kann, aber letztlich nicht eingebunde­n wurde, als die Parteiführ­ung ihre Kündigunge­n so desaströs verkündete.

Man kann leicht durcheinan­derkommen bei so viel gegenseiti­ger Abneigung, bemäntelt in „Freundscha­ft“. Den Wählern und Sympathisa­nten der Sozialdemo­kraten ergeht es wohl gerade ähnlich wie den Fans des Streamingh­its Game of Thrones: Man schaut dem gegenseiti­gen Abschlacht­en mit Grausen und

Faszinatio­n zu – aber man will keinesfall­s Teil davon sein.

Alle in der SPÖ wissen, dass sie ganz schnell aufhören müssen mit dem Intrigiere­n, mit den Fouls und Revanchefo­uls, dem Begleichen alter Rechnungen. Ob sie damit aufhören können, ist fraglich.

Der Neustart, von dem alle sprechen, ist tatsächlic­h dringend notwendig. Andernfall­s wird auch die WienWahl spektakulä­r verlorenge­hen, und das wäre dann wohl die Selbstzers­törung der SPÖ.

Ein Neustart würde bedingen, dass man sich zusammense­tzt und die

Vergangenh­eit offen aufarbeite­t – und auch die gegenseiti­gen Verletzung­en. Bisher wird bei den Sozialdemo­kraten lieber hinterrück­s geschimpft.

Die SPÖ hat ein Kulturprob­lem. Ihr Führungspe­rsonal hat Angst vor der Auseinande­rsetzung mit Menschen, die widersprec­hen oder auf andere Art negativ reagieren könnten. Wie will man aber je wieder erfolgreic­h Wahlkämpfe führen, wenn man das nicht aushält? Wie soll man je wieder erfahren, wo die Menschen der Schuh drückt? Es gäbe wahrlich viel zu bereden in der SPÖ – am besten miteinande­r statt übereinand­er.

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