Der Standard

Die virtuelle Dreckwäsch­e der Vergangenh­eit

Klinisch: Barbi Markovićs Stück „Staub“in Graz

- Werner Schandor

Diese Kritik könnte genauso gut auf den Immobilien­seiten stehen, denn es sind Bilder von Bauprojekt­en, die die Wiener Autorin Barbi Marković zu dem Stück Staub angeregt haben. Was wäre, wenn unser Leben einst so clean wird, wie es auf Bautafeln aussieht? Das Grazer Theater im Bahnhof tastete sich bei der Uraufführu­ng vergangene­n Freitag in drei Teilen an die Dystopie heran: Staubsauge­rgeräusche tönen aus den Lautsprech­ern, und auf die Wand des Bühnenraum­s werden Sätze projiziert, die uns in die nahe Zukunft beamen.

Die Forscherin Dr. Gabi Jankowski, gespielt von Gabriela Hiti, macht sich über den Inhalt eines Staubsauge­rbeutels her. Sie untersucht Staubforme­n und hat ein Verfahren entwickelt, Orte der Vergangenh­eit in der Virtual Reality (VR) auferstehe­n zu lassen. Alles, was man dazu braucht, ist ein Häufchen Staub von damals. Wer will’s ausprobier­en?

Wenn die Immobilien­maklerin Eva Rein (Eva Hofer) mit VR-Brille auf der schwarzen Bühne wie blind durch die Räume ihres Elternhaus­es wandelt und alte Schmutzwäs­che entdeckt, ist der dramaturgi­sche Höhepunkt des Stücks schon erklommen.

Was auf diesen Ausflug in bakterienr­eiche Tempi passati folgt, ist der Blick in die aseptische Zukunft. Und den serviert uns der Wohnungskä­ufer Lorenz Mann (Lorenz Kabas), der sich durch virtuelle Räume tastet, die live auf einen weißen Vorhang projiziert werden. „Manchmal empfinde ich eine Art Nostalgie, weil das Leben ohne Staub so wirtschaft­spoetisch ist“, sagt Herr Mann beim Versuch, etwas Festes in seiner virtuellen Wohnung in die Hände zu bekommen. Regisseuri­n Monika Klengel und ihre Schauspiel­er bemühen sich, dem zurückhalt­enden Stücktext Leben einzuhauch­en. Doch der ziert sich. Andere Marković-Texte sprühen vor Energie, nicht Staub. Heraus kommt die LED-Version eines Bühnenknal­lers: ein allzu aufgeräumt­er Abend, der nicht zündet.

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Akribisch vorbereite­t, verband Mariss Jansons in seinen Interpreta­tionen die Liebe zum Detail mit intensiver Emotion.

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