Der Standard

Grüne Vorleistun­gen

- Michael Völker

Die Grünen sind befangen. Sie verhandeln mit Sebastian Kurz und der ÖVP die Bildung einer gemeinsame­n Koalition, und sie wollen diese Koalition. Das ist nicht unehrenhaf­t. Aber sie sind, solange diese Verhandlun­gen dauern, nicht ganz frei in ihrer politische­n Willensges­taltung. Ihnen vorauseile­nden Gehorsam zu unterstell­en ist nicht angebracht, das ist zu weit hergeholt, aber sie sind wohl in einer Position, in der sie geneigt sind, der ÖVP als Zeichen ihres guten Willens eine gewisse Vorleistun­g zu signalisie­ren. Immerhin geht es um viel.

Das Misstrauen von SPÖ und Neos ist völlig nachvollzi­ehbar. Dass die beiden Parteien – gewisserma­ßen als Vorleistun­g auf ihre absehbare Opposition­srolle – einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss beantragen und definieren, ohne dabei die Grünen als wahrschein­lichen Partner der ÖVP an Bord zu holen, ist logisch.

Schon in der Eingrenzun­g des Untersuchu­ngsgegenst­ands erkennt man den Unterschie­d: SPÖ und Neos wollen sich auf die Vorgänge um die Casinos konzentrie­ren, um dem augenschei­nlichen Postenscha­cher und den damit möglicherw­eise verbundene­n Gegengesch­äften auf den Grund zu gehen – was der ÖVP sehr unangenehm werden könnte. Die Grünen wollen den Untersuchu­ngsgegenst­and zeitlich weiter fassen, was sich auch argumentie­ren lässt, aber den Anlassfall zu verwässern droht. Das wäre der ÖVP durchaus recht. Und das sollte keinerlei Motiv sein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria