Der Standard

Machtmensc­h Macron ist isoliert

Der Konflikt um die Pensionsre­form sorgt in Frankreich für gravierend­e Ausfälle in Wirtschaft und Verkehr. Das erhöht den Druck auf Präsident Emmanuel Macron, der auch politisch kaum Verbündete hat.

- Stefan Brändle aus Paris

An sich würde man erwarten, dass eine Bahngesell­schaft froh über Kunden ist. Doch die französisc­he SNCF rief ihre Passagiere dazu auf, am Montag weder Bahn noch Metro zu benützen. Als Grund gab sie an, es sei mit einem „gemeingefä­hrlichen Andrang“zu rechnen. Statt 20 Vorortezüg­e pro Stunde sollten im Schnitt nur vier zirkuliere­n – und das auch nur zu den Spitzenzei­ten morgens und abends. Schon am Freitag war es auf einzelnen Bahnsteige­n zu einem Gedränge und Gezerre gekommen, dem schwächere Personen nicht gewachsen waren. Um einen „schwarzen Montag“zu vermeiden, appelliert­e die SNCF deshalb „an alle, die dazu in der Lage sind, ihre Fahrt zu verschiebe­n“.

Wie die Millionen Pendler im Großraum Paris an ihren Arbeitspla­tz gelangen sollen, blieb offen. Schon am Freitag war es um die Hauptstadt insgesamt zu über 500 Kilometern Stau gekommen. In der Innenstadt verkehren nur zwei der 16 Metro-Linien. Im Flugverkeh­r sieht es besser aus, auch wenn mit Verspätung­en zu rechnen ist.

Hart getroffen ist auch das Weihnachts­geschäft. Nach den samstäglic­hen Protesten der Gelbwesten, die viele Läden zur Schließung zwangen, bezeichnet Frankreich­s Händlerver­band FCF die Lage als „wahre Katastroph­e“. „Das muss aufhören“, sagte Verbandspr­äsident Francis Palombi am Sonntag, wobei er sich auffällige­rweise nicht an die Streikende­n wandte – sondern an die Regierung.

Rückzug der Reform gefordert

Während Präsident Emmanuel Macron am Montag als Gastgeber des internatio­nal vielbeacht­eten Ukraine-Gipfels beschäftig­t ist (siehe Seite 4), gerät er also von allen Seiten unter Druck. Ein Ende der Blockade allerdings gebe es nur bei einem „Rückzug der Reform“, betonte am Sonntag der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft CGT, Philippe Martinez, der nach den Protesten vom Donnerstag

mit 800.000 bis einer Million Teilnehmer­n Härte zeigt.

Auch parteipoli­tisch hat Macron keine Verbündete­n: Nicht nur die Linke und die Grünen lehnen die Reform ab, sondern auch die konservati­ven Republikan­er. Dabei vertreten sie sehr ähnliche Vorschläge wie die Abschaffun­g der Spezialpen­sionssyste­me für Beamte, Eisenbahne­r und Lehrer oder die Erhöhung des Pensionsal­ters von 62 auf 64 Jahre. Macrons Plan läuft de facto auf das Gleiche hinaus: Die „régimes spéciaux“will er auflösen; und wer in den Genuss einer Vollrente kommen will, wird länger als bisher in die Pensionska­sse einzahlen müssen.

Auch Marine Le Pen vom Rassemblem­ent National (RN) wettert gegen die Reform, die ihrer Meinung nach einen „Raubüberfa­ll“auf die Pensionist­en darstellt. Die Rechtspopu­listin wollte zuerst sogar an der Großkundge­bung vom Donnerstag teilnehmen. An der Seite der exkommunis­tischen CGT zu demonstrie­ren war dann aber einigen Rechtsextr­emisten im RN doch zu viel. Die Gewerkscha­ften hätten Le Pen wohl auch kaum mit offenen Armen empfangen.

Angst vor Auswirkung­en auf Wahlen

Trotz der breiten Protestfro­nt schließt Macron einen Rückzug seiner wichtigste­n Reform aus. Eine solche Schlappe würde zweifellos auf die anstehende Kommunal- und die 2022 folgende Präsidents­chaftswahl abfärben. Um massive Zugeständn­isse wird der Präsident aber nicht herumkomme­n. Am Sonntag berief er die zuständige­n Minister zu einer Krisensitz­ung ein.

Nach einem weiteren Protesttag der Gewerkscha­ften will Premier Edouard Philippe die Katze am Mittwoch endlich aus dem Sack lassen und die Reform vorstellen. Das ist vielleicht zu spät. Wie schon gegenüber den Gelbwesten wird die Staatsführ­ung die Lage auf jeden Fall nur beruhigen können, wenn sie viel Geld lockermach­t – Geld, das weder Frankreich noch die Pensionska­ssen haben.

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Französinn­en und Franzosen äußern ihren Unmut über Emmanuel Macron – und stellen den Präsidente­n als Monarchen und Alleinherr­scher dar.

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