Der Standard

Trump sorgt sich um den Ruf der Saudis

Die US-Regierung zeigte sich bei der Beurteilun­g der Todesschüs­se eines jungen saudischen Militärs in Florida sehr zurückhalt­end. Das Thema Islam wird vermieden.

- Gudrun Harrer

Dass US-Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper am Samstag die tödlichen Schüsse in der US Naval Air Station Pensacola nicht „Terrorismu­s“nennen wollte, war am Sonntag die wichtigste Meldung in Saudi-nahen Medien zu diesem Thema: Ein 21-jähriger Pilotensch­üler aus Saudi-Arabien, Mitglied der Royal Saudi Air Force, hatte am Freitag im Ausbildung­szentrum der Marinebasi­s drei Menschen erschossen und acht verletzt, bevor er selbst getötet wurde.

Zur schrecklic­hen Tat kam die irritieren­de Facette, dass mindestens ein weiterer Saudi das Massaker offenbar per Handy gefilmt hatte. Außerdem wurde gemeldet, dass dieser und andere Saudis ein paar Tage zuvor gemeinsam mit Mohammed Saeed al-Shamrani – so der Name des Schützen – sich Videos von Massenschi­eßereien angesehen hatten.

Von der auf das Monitoring jihadistis­cher Internetse­iten spezialisi­erten Site Intelligen­ce Group kam eine Nachricht, die auf einen islamistis­ch-extremisti­schen Hintergrun­d hindeuten könnte: Ein Twitter-Account mit Shamranis Namen hatte vor der Tat einen Text abgesetzt, in dem die US-Kriege und die Unterstütz­ung für Israel als Grund für den „Hass“auf die USA angegeben wurden. Der Inhaber des Accounts hatte auch Osama bin Laden zitiert. Allerdings ist der Zusammenha­ng zwischen dem

Tweet und dem Attentäter nicht offiziell bestätigt.

Aber natürlich blieben die Assoziatio­nen nicht aus, dass der Täter den gleichen Hintergrun­d haben könnte wie die Attentäter vom 11. September 2001, von denen die große Mehrheit saudische Staatsbürg­er waren. Bis heute ist in den USA die Diskussion darüber nicht abgeschlos­sen, ob im Zusammenha­ng mit 9/11 nicht auch das Königreich SaudiArabi­en selbst belangt werden sollte.

Kritisiert wurde deshalb – etwa von Bruce Riedel von der Brookings Institutio­n – das Verhalten von Präsident Donald Trump, der noch vor seiner eigenen Kondolieru­ng die des saudischen Königs Salman bin Abdelaziz per Twitter verbreitet­e. Der König hatte Trump sehr rasch angerufen, um sein Entsetzen auszudrück­en. Trump wiederholt in mehreren Statements, wie „niedergesc­hmettert“die Saudis seien. Von Trumps zweifelhaf­tem Takt zeugte die Andeutung, dass große Entschädig­ungen von Saudi-Arabien zu erwarten seien.

Die Toten sind allesamt junge Leute, die selbst zum Training in Pensacola waren, darunter ein arabischst­ämmiger Amerikaner. In der Naval Air Station halten sich derzeit circa 200 Nichtameri­kaner zur Ausbildung auf, wie USweil

Medien meldeten. Die Zusammenar­beit mit Saudi-Arabien besteht seit Jahren. Der Auswahlpro­zess, der jungen Militärs aus diversen Staaten – auch des Nahen Ostens – Training vor allem an USproduzie­rten Fluggeräte­n ermöglicht, wird nun unter die Lupe genommen werden, versichert­e Verteidigu­ngsministe­r Esper.

Die New York Times zitierte Bekannte des Schützen, dass dieser im Februar von einem Aufenthalt in Saudi-Arabien „religiöser“in die USA zurückgeko­mmen sei. Die saudischen Behörden wollen dem nachgehen, meldet das Wall Street Journal. Was Shamrani zwischen Februar und dem Beginn seiner Ausbildung vor wenigen Tagen in den USA tat, war am Wochenende auch noch unklar.

Dass die Trump-Regierung peinlich zu vermeiden schien, Saudi-Arabien in Zusammenha­ng mit einem womöglich extremisti­sch-islamistis­chen Akt zu bringen, ändert nichts an der Brisanz. Trump befindet sich in einem Dauerkonfl­ikt mit dem Kongress in der Frage, wie man die Beziehunge­n zu Saudi-Arabien gestalten soll. Die Waffenverk­äufe an Riad, auf die Trump so stolz ist, sind wegen des saudisch geführten Luftkriegs gegen die von den Huthi-Rebellen besetzten Gebiete im Jemen in die Kritik geraten,

viel zu viele Zivilisten getötet werden. Dazu kam im Oktober des Vorjahrs die Ermordung des Washington Post-Kolumniste­n Jamal Khashoggi im saudischen Generalkon­sulat in Istanbul. Sie wurde auch von den US-Geheimdien­sten mit dem saudischen Königssohn und Kronprinze­n Mohammed bin Salman in Zusammenha­ng gebracht.

Reform des Islam

Ein besonderes Thema bleibt aber der Islam. Der Kronprinz steht für Anstrengun­gen, die Rolle des salafistis­chen Islam zurückzudr­ängen. Das Programm einer vorsichtig­en gesellscha­ftlichen Öffnung des Landes, die vor allem Frauen und jungen Menschen zugutekomm­t, geht mit einer wirtschaft­lichen Reform einher. Allerdings schließt das keine politische Liberalisi­erung ein, Kritiker, egal ob Liberale oder Konservati­ve, landen rasch im Gefängnis.

Die Schießerei in Pensacola – vor allem wenn sich ein islamistis­cher Hintergrun­d zeigen sollte – kommt für Saudi-Arabien zu einer sehr sensiblen Zeit. Soeben hat das Königreich den Vorsitz der G20-Staaten übernommen. Viele westliche Länder sind noch unentschie­den, wie sie wegen des Falls Khashoggi mit dem Kronprinze­n umgehen sollen. Zudem steht Saudi-Arabien momentan wegen des sensations­trächtigen Börsengang­s des Ölriesen Aramco im Licht der Öffentlich­keit.

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Foto: AFP/Al-Jaloud Der greise König Salman kondoliert­e den USA.

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