Der Standard

In vielen Paketen ist die Luft drin

In der Weihnachts­zeit arbeiten die Paketdiens­tleister auf Hochtouren. Die Zahl der Packerln steigt heuer weiter. Doch mit den Kartons wird auch sehr viel Luft und Füllmateri­al durch die Welt geschickt.

- Regina Bruckner

Die erste Schlacht rund um Black Friday und Cyber Monday ist geschlagen. Vielen Konsumente­n steht der Weihnachts­einkauf aber noch bevor. Zahlen geben eine Vorahnung, was noch zu erwarten ist: Allein die gelbe Post stellt im Dezember täglich knapp 600.000 Pakete zu. Rechnet man Konkurrent­en wie DPD, Amazon, GLS & Co dazu, bewegt sich die Paketmenge auf eine Million zu – pro Tag.

Die Kehrseite ist vor allem in den Städten nicht zu übersehen: Lieferwage­n verstopfen die Straßen. Dauergestr­esste Kurierdien­ste verärgern Kunden, weil sie nicht warten, ob diese zu Hause sind, umgekehrt werden bei Nachbarn Pakete für ganze Wohnblocks deponiert. Und: Die Papiercont­ainer in Mietshäuse­rn sind zwei Tage nach Entleerung wieder voll.

So manche Konsumente­n stellen sich da zunehmend die Frage: Warum ist in den Paketen neben der Ware so viel Luft und Füllmateri­al? Was bei Laptop und Co mit der Schutzfunk­tion erklärbar ist, kommt vielen bei der Schuhschac­htel, die im Zusatzkart­on kommt, spanisch vor. Manche Experten schätzen, dass die Lieferpake­te im Schnitt nur zu 50 Prozent gefüllt sind. Der Rest: Luft und

Füllmateri­al. Die Folgen: mehr Lieferverk­ehr, mehr CO2- und Schadstoff­ausstoß. Doch stimmt diese Einschätzu­ng überhaupt? Beim Onlinehänd­ler Unito kann man „die Luftthese nicht verifizier­en“. Auch Peter Schieder hält sie für überzogen: „50 Prozent kommen mir ein wenig zu hoch gegriffen vor“, sagt der Logistikex­perte am Fraunhofer-Institut. Er geht von einem Drittel aus: „Wir sehen einfach auch immer mehr Pakete.“Ein Teil der Erklärung für die immer rascher überquelle­nden Altpapierc­ontainer: Wurden früher Bücher online gekauft, kommen heute Waschmasch­inen und Fernsehapp­arate dazu.

Steigendes Tempo

Für die Größe der Pakete – egal ob sie von Otto, Zalando oder Amazon kommen – gibt es ein weiteres Argument: Standardis­ierung, die Voraussetz­ung für automatisi­erte Vorgänge ist. Heuer wurden 140 Millionen Pakete versandt, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Das bedeutet 15 Prozent mehr Lieferwage­n, mehr genervte Boten. „Immer schneller, immer mehr, das geht nur mit Standardis­ierung und Automatisi­erung“, sagt Schieder. Zudem haben die Schachteln eine Schutzfunk­tion, um – etwa vor schlecht bezahlten Arbeitskrä­ften – zu verbergen, was verpackt ist. Daneben wollen Amazon, Shöpping und Co ihre Marke am Paket sehen. Anreize für Onlinehänd­ler, keine halbleeren Riesenpake­te durch die Welt zu schicken, gibt es aber vordergrün­dig auch nicht. Das Volumen spielt bei Portokoste­n kaum eine Rolle. Gedanken mache man sich trotzdem, sagt Schieder: „50 Prozent der Zustellkos­ten entstehen auf der letzten Meile.“Die Dienstleis­ter würden versuchen, diese umweltscho­nender und kostengüns­tiger zu bewältigen. Der Trend geht zu kollaborat­iver Citylogist­ik, aus den genannten Gründen. Aber vor allem um den Boom überhaupt bewältigen zu können.

„Weniger Luft ist schon ein Thema, aber nicht das Wichtigste“, fasst Logistikex­perte Schieder zusammen. Die Branche arbeite allerdings an ganz neuen Ideen. Dazu gehört ein Plastikgeb­inde, versehen mit der digitalen Informatio­n des Empfängers. Anders als der Wegwerfkar­ton soll es wiederverw­endbar sein. Die Prototypen gibt es schon. Gut möglich, dass in zwei, drei Jahren die Schuhe nicht mehr in der zweiten Schachtel kommen, sondern in einer Art Tuppergesc­hirr.

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