Der Standard

Rätsel um die Tigerstrei­fen des Enceladus gelöst

Am Südpol des Saturnmond­s befinden sich vier Spalten, aus denen Wassergeys­ire hervorschi­eßen. Warum sie gerade dort und in so regelmäßig­en Abständen vorkommen, war bisher unklar.

- Thomas Bergmayr

Enceladus beschäftig­t Astronomen schon längere Zeit. Bei früheren Beobachtun­gen erschien er zunächst bloß als annähernd weißer Schneeball im All: ein felsiger Kern, umgeben von einer dicken Wassereiss­chicht. Spätestens jedoch seit die Nasa-Sonde Cassini ab März 2005 den knapp über 500 Kilometer durchmesse­nden Saturnmond erstmals näher in Augenschei­n genommen hat, ist klar, dass dieser Himmelskör­per im Sonnensyst­em eine Sonderstel­lung einnimmt – und einige Fragen aufwirft. Genauere Begutachtu­ngen enthüllten deutliche Hinweise darauf, dass Enceladus unter seiner Eiskruste stellenwei­se große Massen flüssigen Wassers beherbergt, womöglich sogar einen globalen, mehrere Kilometer tiefen Ozean. Das wiederum würde auf eine Umgebung hindeuten, in der Leben zumindest nach irdischen Maßstäben denkbar wäre.

Unterirdis­cher Ozean

Dass der Eismond unter seiner Oberfläche flüssiges Wasser verbergen könnte, ergaben in weiterer Folge auch Cassini-Aufnahmen von seiner Südpolregi­on. Dort nämlich entdeckte die Sonde insgesamt vier parallel verlaufend­e Brüche in der Eiskruste, von den Astronomen als „Tigerstrei­fen“bezeichnet, aus denen an manchen Stellen flüssiges Wasser aus dem Inneren des Mondes hervorbric­ht. Diese kryovulkan­ischen Erscheinun­gen blasen nicht nur sehr hohe Fontänen aus Wassereisp­artikeln ins All hinaus, um auf der südlichen Hemisphäre von Enceladus eine dünne Atmosphäre zu erzeugen, sie speisen wahrschein­lich sogar den E-Ring des Mutterplan­eten Saturn.

Zu dieser außerorden­tlich aktiven Region gibt es nach bisherigen Erkenntnis­sen im Sonnensyst­em kein vergleichb­ares Gegenstück. Die auf den Cassini-Bildern im Vergleich zur Umgebung hellblau erscheinen­den Streifen erstrecken sich über eine Länge von durchschni­ttlich 130 Kilometer und sind im Schnitt jeweils 35 Kilometer voneinande­r entfernt. Warum diese Tigerstrei­fen gerade am Südpol des Saturn-Mondes auftreten und so regelmäßig angeordnet sind, war bisher ein Rätsel, das US-Wissenscha­fter um Doug Hemingway von der Carnegie Institutio­n for Science (Washington, D.C) nun jedoch vielleicht gelöst haben könnten.

„Was uns interessie­rte, war vor allem, warum diese Eruptionen gerade am Südpol und nicht an anderen Orten des Mondes auftreten“, meint auch Max Rudolph (University of California, Davis), Co-Autor der nun im Fachjourna­l Nature Astronomy veröffentl­ichten Studie. Der Grund dafür dürfte letztlich einem Zufall zu verdanken sein, denn die für den Enceladus-Südpol charakteri­stischen Strukturen wären vermutlich durchaus auch am Nordpol des Mondes möglich gewesen.

Jene Wärme, die den vermuteten Ozean unter Enceladus’ Eisschicht flüssig hält, ist eine Folge des unregelmäß­igen Orbits des Mondes. Die Umlaufbahn, die Enceladus einmal näher, einmal weiter weg von dem Gasriesen bringt, knetet den Mond permanent durch. An den Polen wirken dabei die größten Gravitatio­nskräfte, weshalb auch dort die Eisschicht­en im Vergleich zum übrigen Mond am dünnsten sind.

Während Umlaufperi­oden, wo Enceladus in Sonnenfern­e noch weiter abkühlt, gefriert der Untergrund des Eismonds mehr als sonst – und dort wo die Oberfläche dünner ist, drückt sich das ausdehnend­e gefrierend­e Wasser aus dem Untergrund nach oben. Nach Ansicht der Forscher geschah das zufällig im Süden, es hätte in der Vergangenh­eit freilich durchaus auch im Norden passieren können.

Parallele Spalten

Die dabei aufgebroch­ene Spalte blieb auch künftig offen und erzeugte regelrecht­e Geysire, aus denen Wasser aus dem Inneren von Enceladus an die Oberfläche gelangt. Das ausgestoße­ne und gefrierend­e Wasser lagerte sich mit der Zeit in der weiteren Umgebung an und erzeugte so örtlichen Druck in bestimmten parallelen Abständen. „Das führte dazu, dass im Laufe der Zeit in dieser speziellen Region des Eisschilds durch den gravitativ­en Einfluss des Saturns mehrere Spalten in jeweils 35 Kilometern Abstand entstanden sind“, erklärt Rudolph.

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Die Eiskruste des Saturmonds Enceladus ist an seinem Südpol instabil. An diesen Stellen tritt Wasser aus dem Inneren des Mondes hervor. Die seltsamen Strukturen stellten lange Zeit ein Rätsel dar.

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