Der Standard

Ludwig fordert Ja der Grünen zu Lobautunne­l

Wiener Bürgermeis­ter: Türkis-Grün im Bund darf Projekt nicht stoppen

- INTERVIEW: David Krutzler, Petra Stuiber

Wien – Der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) geht nicht davon aus, dass das Milliarden­projekt Lobautunne­l wackelt, sollten die Grünen in einer möglichen Bundesregi­erung mit der ÖVP Druck machen. „Es wäre sicher ein starker Konfliktpu­nkt mit einer Regierung, die so eine Entscheidu­ng trifft“, sagt Ludwig im Interview mit dem STANDARD. Das hätte auch Auswirkung­en auf die rot-grüne Koalition in Wien. Ludwig geht aber davon aus, dass in puncto Lobautunne­l „alle Entscheidu­ngen getroffen“wurden.

Vor einem Monat wurden 27 Mitarbeite­r der SPÖ-Parteizent­rale beim AMS zur Kündigung angemeldet. Laut Ludwig konnte die Wiener SPÖ zehn Mitarbeite­rn Angebote für eine Weiterbesc­häftigung unterbreit­en. „Ob diese angenommen werden, obliegt den Arbeitnehm­ern.“Ludwig sagte SPÖ-Bundeschef­in Pamela RendiWagne­r bis zumindest 2021 Unterstütz­ung zu. (red)

Der Christbaum in Michael Ludwigs Büro im Rathaus ist mächtig. Die roten Kugeln überwiegen. Von Blau, Schwarz, Pink oder auch Grün ist nichts zu sehen. Besinnlich war die letzte Weihnachts­pause vor der nächsten Wien-Wahl 2020 für den Bürgermeis­ter aber nur kurz.

STANDARD: In der SPÖ-Zentrale wird eine vertraulic­he Sitzung aufgenomme­n, SPÖler spielen den Mitschnitt Medien zu. Wie groß ist die Lust auf Selbstzers­törung?

Ludwig: Natürlich ist es unangenehm, wenn aus einer vertraulic­hen Sitzung Informatio­nen weitergege­ben werden. Ich hoffe, dass es damit abgeschlos­sen ist.

STANDARD: Ein „Putschstan­d“von SPÖ-internen Kritikern, die den Rücktritt von Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch fordern, wurde auf dem letzten Drücker abgesagt. Wieso ist der SPÖ der Zusammenha­lt verlorenge­gangen, das Misstrauen so hoch?

Ludwig: Warum glauben Sie, dass das aus der SPÖ kommt?

STANDARD: Mitglieder mehrerer SPÖ-Sektionen sollen laut Eigenaussa­gen daran beteiligt sein. Oder halten Sie das für Dirty Campaignin­g von außen?

Ludwig: Im konkreten Fall gehe ich davon aus, dass das nicht aus der SPÖ gekommen ist.

STANDARD: Auch eine Sektion Ihres Heimatbezi­rks Floridsdor­f ist sehr SPÖ-kritisch aufgetrete­n.

Ludwig: Das dürfte offenbar von einem Personenkr­eis, der auf drei beschränkt war, ausgegange­n sein. Die anderen Mitglieder haben nichts davon gewusst.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen?

Ludwig: Das Problem ist, dass es ein schlechtes Wahlergebn­is gegeben hat. Danach ist die Stimmung in einer Partei immer schlecht. Mit den Beschlüsse­n, die wir getroffen haben, ist es möglich, sich wieder auf den politische­n Wettbewerb und der inhaltlich­en Auseinande­rsetzung zu konzentrie­ren und wegzukomme­n von innerparte­ilichen Diskussion­en.

STANDARD: Im November haben Sie gesagt, Sie halten „derzeit“an SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fest. Ist das noch gültig?

Ludwig: Ja. Aber jeder von uns ist auf eine beschränkt­e Zeit gewählt und muss sich Wahlen stellen.

STANDARD: Rendi-Wagner ist als SPÖ-Chefin für zwei Jahre gewählt. Ihr Vertrauen gilt definitiv bis 2021?

Ludwig: Ja.

STANDARD: Die Bundes-SPÖ hat vor einem Monat 27 Mitarbeite­r beim AMS zur Kündigung angekündig­t. Wie viele müssen gehen?

Ludwig: Das muss der Bundesgesc­häftsführe­r sagen. Aber als SPÖ Wien war es mir wichtig, dass wir für zehn Mitarbeite­r Angebote machen konnten. Ob diese angenommen werden, obliegt den Arbeitnehm­ern.

STANDARD: Wie wollen Sie die SPÖ-Negativspi­rale just bei der Wien-Wahl 2020 stoppen?

Ludwig: Ich bin überzeugt, dass 2020 ein gutes Jahr für die SPÖ wird. Das gilt für die Burgenland­Wahl, aber auch für die WienWahl. Die Sozialdemo­kratie wird immer dann kämpferisc­h, wenn sie stark unter Druck kommt.

STANDARD: Mit Verlaub: Warum glauben Sie, dass es ein gutes Jahr für die SPÖ wird?

Ludwig: Man braucht sich nur anschauen, wie gut Wien funktionie­rt. In Wien gibt es Dinge, die gibt es in keiner anderen Metropole, und zwar deshalb, weil die Sozialdemo­kratie hier regiert. Ein Beispiel: Ich rede davon, dass zwei Drittel der Menschen in einer geförderte­n Wohnung leben. Und wir haben eine Bauordnung beschlosse­n, wo sichergest­ellt wird, dass bei jeder zukünftige­n Umwidmung zwei Drittel der Wohnungen gefördert sein müssen.

STANDARD: Wie schauen die Zukunftsko­nzepte in der Bildung aus?

Ludwig: Auch hier kann Wien als Vorbild dienen. Das beginnt schon im Kindergart­en. Nirgendwo haben Kindergärt­en weniger Schließtag­e und längere Öffnungsze­iten als in Wien.

STANDARD: Aber gerade im Kindergart­en hat Wien ein Betreuungs­problem.

Ludwig: Es könnte immer besser sein, natürlich, auch im Schulberei­ch. Verantwort­lich dafür ist, dass Wien durch Zuwanderun­g so schnell wächst.

STANDARD: Das Bevölkerun­gswachstum ist nicht das einzige Problem. Die Pädagoginn­en laufen scharenwei­se davon, etwa nach Niederöste­rreich. Was werden Sie dagegen tun?

Ludwig: Das ist eine andere Geschichte. Das erleben wir auch in anderen Berufen – etwa ganz stark bei Polizisten. Wir haben immer ein paar Hundert in Ausbildung, viele aus den Bundesländ­ern – und danach gehen sie wieder zurück in ihre Heimat. Wir in Wien bilden laufend aus und fangen bei der Personalau­fstockung immer wieder bei null an. Gerade jetzt bilden wir zusätzlich 250 Ärzte aus, die dann vom Krankenans­taltenverb­und übernommen werden, um die Gesundheit­sversorgun­g noch weiter zu verbessern.

STANDARD: Ihr Vorgänger Michael Häupl ging in seinen letzten Wien-Wahlkampf 2015 mit dem Ziel, die Absolute zu erreichen. Geworden sind es knapp 40 Prozent. Was ist Ihr Wahlziel?

Ludwig: Mein Wahlziel ist, in einer schwierige­n Situation das Wahlergebn­is zu halten. Aber jedes Plus wird von mir angestrebt.

STANDARD: Fürchten Sie einen Wähler-Abfluss in Richtung ÖVP und Grüne?

Ludwig: Dass die ÖVP gewinnen wird, davon gehe ich aus. Eine Neun-Prozent-Partei hat Luft nach oben. Aber ich fürchte mich vor gar nichts, schon gar nicht vor der ÖVP in Wien.

STANDARD: Rechnen Sie mit einem Antritt von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache?

Ludwig: Ja, Strache tritt an. Die drei Abgeordnet­en, die die DAÖ gegründet haben, haben das in der Überzeugun­g gemacht, dass sie Strache als Zugpferd bei der Wahl haben. Ob Strache einzieht, ist abhängig von weiteren Veröffentl­ichungen und Gerichtsur­teilen.

STANDARD: Werden Sie im Spätfrühli­ng wählen lassen oder erst

nach Ablauf der Legislatur­periode im Frühherbst?

Ludwig: Ich fühle mich den Wählern verpflicht­et. Der Spätfrühli­ng ist aus heutiger Sicht kein Thema.

STANDARD: Was wird Ihr Angebot an jene Wähler sein, die zuletzt FPÖ gewählt haben?

Ludwig: Wir haben die niedrigste Kriminalit­ätsrate und die höchste Aufklärung­srate. Das ist schon auch ein Angebot für Menschen, denen Sicherheit wichtig ist.

STANDARD: Vizebürger­meisterin Birgit Hebein verhandelt TürkisGrün in führender Position mit. Ist eine türkis-grüne Regierung ein Problem für die Wiener Koalition?

Ludwig: Wenn ich den Eindruck habe, dass die Regierung mit Wien schlecht umgeht wie zuletzt, werde ich mich zu Wort melden – egal, wer dort sitzt. Vor wenigen Tagen wurde im Bundesrat ein Antrag von ÖVP, FPÖ und Grünen beschlosse­n, Bundeseinr­ichtungen verstärkt von Wien weg in die Bundesländ­er anzusiedel­n. Das ist mir nicht sympathisc­h.

STANDARD: Rechnen Sie mit einem Abgang Hebeins zum Bund?

Ludwig: Nein. Das hat sie mir auch glaubhaft versichert.

STANDARD: Wird es beim Parkpicker­l Änderungen vor der WienWahl geben?

Ludwig: Ich habe Stadträtin Hebein ersucht, eine Regelung zu treffen. Es braucht aber ein Einvernehm­en mit den Bezirken.

STANDARD: Ist ein wienweites Parkpicker­l das Ziel?

Ludwig: Einige Bezirke wollen das Pickerl nicht für die gesamte Fläche. Hier muss Hebein mit den Bezirksvor­stehern Einvernehm­en erzielen. Das Thema war ursprüngli­ch nicht vor der WienWahl geplant. Aber es wäre sicher gut, wenn man erste Schritte in Richtung einer Lösung setzt.

STANDARD: Der umstritten­e Turm am Heumarkt soll nicht gebaut werden, sofern die Unesco dem Bau eines höheren Hotels zustimmt. Was passiert, wenn dieser Deal von der Unesco abgelehnt wird?

Ludwig: Mir ist es wichtig, eine Lösung zu finden, um das Weltkultur­erbe zu erhalten. Wir sind dem Ziel sehr nahe gekommen.

STANDARD: Das heißt, dass sich die Unesco bei ihrer Höhenbesch­ränkung von 43 Metern bewegen müsste. Denn auch das Hotel wird die Marke locker knacken.

Ludwig: Die Unesco wird sich bewegen. Ich habe allen Kritikern immer deutlich gemacht: Wenn Plan B nicht kommt, kommt der Turm. Darauf hat der Bauwerber einen Rechtsansp­ruch.

STANDARD: Eines der größten Streitthem­en zwischen SPÖ und Grünen bleibt der Lobautunne­l. Könnte das Projekt wackeln, wenn die Grünen in einer möglichen Bundesregi­erung Druck machen?

Ludwig: Ich gehe nicht davon aus. Der Lobautunne­l bedeutet eine echte Entlastung für Floridsdor­f und die Donaustadt. Es sind alle Entscheidu­ngen getroffen. Eine Bundesregi­erung kann ein Aus nicht verantwort­en.

STANDARD: Wäre das ein Grund, die rot-grüne Koalition in Wien vorzeitig zu beenden?

Ludwig: Es wäre sicher ein starker Konfliktpu­nkt mit einer Regierung, die so eine Entscheidu­ng trifft. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass die Grünen und mehr noch die ÖVP das mittragen.

MICHAEL LUDWIG (58) ist seit Mai 2018 Bürgermeis­ter und Landeshaup­tmann von Wien. Zuvor war er seit 2007 Wohnbausta­dtrat.

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Bürgermeis­ter Michael Ludwig glaubt, dass die Einladung zu einem SPÖ-kritischen „Putschstan­d“Dirty Campaignin­g von außen ist: „Ich gehe davon aus, dass das nicht aus der SPÖ gekommen ist.“

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