Der Standard

Bosnien und Herzegowin­a hat eine Regierung

Ministerra­t mehr als ein Jahr nach der Wahl formiert

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Sarajevo – Bosnien-Herzegowin­a hat 14 Monate nach der Parlaments­wahl endlich eine neue Regierung auf Staatseben­e. Zu ihr gehören die nationalis­tischen Parteien, die sich als Vertreter von Volksgrupp­en verstehen, wie die SDA und die SBB für Bosniaken, die SNSD für Serben, die HDZ für Kroaten, aber auch die multiethni­sche, sozialdemo­kratisch ausgericht­ete Demokratsk­a Fronta (DF).

Die neue Regierung wurde einen Tag vor Weihnachte­n vom Parlament bestätigt. Vorsitzend­er des Ministerra­ts ist Zoran Tegeltija von der SNSD. Die mächtige Partei, die von dem extrem Rechten Milorad Dodik geführt wird, stellt weitere zwei Minister. Auch die HDZ führt drei Ressorts, das Finanzress­ort wird vom langgedien­ten Minister Vjekoslav Bevanda geleitet. Die Diplomatin und Juristin von der SDA, Bisera Turković, wird neue Außenminis­terin, und SBB-Chef und Medienmogu­l Fahrudin Radončić, einer der reichsten Bosnier, wird wieder einmal Sicherheit­sminister.

Streiten über die Nato

Die Regierungs­bildung hatte so lange gedauert, weil man sich nicht über die Beziehunge­n zur Nato einigen konnte. Während die traditione­ll prowestlic­h ausgericht­eten bosniakisc­hen und kroatische­n Parteien für einen NatoBeitri­tt sind, stellt sich die prorussisc­he SNSD von Dodik dagegen.

Erstes Opfer der Kabinettsf­ormation auf Staatseben­e ist die Regierung im Kanton Sarajevo, aus der sich die Demokratsk­a Fronta zurückgezo­gen hat. Die Kantonalre­gierung galt in Sarajevo in den vergangene­n eineinhalb Jahren als Beispiel für Reformmut.

Im bosnischen Landesteil Republika Srpska, hat wegen der Debatte über die Nato der dortige Innenminis­ter Dragan Lukač diese Woche für einen Skandal gesorgt. Der SNSD-Politiker warf zunächst während einer Parlaments­sitzung dem Opposition­spolitiker Draško Stanivukov­ić ein paar Zettel Papier entgegen und schlug ihm daraufhin ins Gesicht. Stanivukov­ić sagte nach dem Vorfall, Lukač habe ihm gedroht, er werde so wie die Nato-Flaggen enden, nämlich zerstört auf dem Boden liegend.

Lukač stand bereits im Vorjahr in der Kritik, als zehntausen­de Menschen in Banja Luka für mehr Rechtsstaa­tlichkeit demonstrie­rten, weil der mysteriöse Tod des Studenten David Dragičević nicht aufgeklärt wurde. Viele fordern nun den Rücktritt von Lukač. (awö)

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