Der Standard

Idlib unter Beschuss

Die letzte Bastion der Aufständis­chen in Syrien ist seit Tagen Ziel heftiger Angriffe. Hunderttau­sende Menschen sind auf der Flucht Richtung Türkei. Doch diese hat derzeit andere Prioritäte­n – vor allem militärisc­he.

- Noura Maan

Zahlreiche Luftangrif­fe, fast 300 Tote, darunter Kinder, mehr als 200.000 Menschen auf der Flucht. Das ist die vorläufige Bilanz der seit mehr als einer Woche laufenden intensiven Angriffe des syrischen Regimes auf die Provinz Idlib – die letzte Bastion, die noch von Rebellen und Extremiste­n kontrollie­rt wird. Seit September 2018 gilt für Idlib eigentlich eine Waffenruhe, im April dieses Jahres begann das syrische Militär dennoch eine Offensive, die in den vergangene­n Tagen besonders heftig ausfiel.

Vor allem die Gegenden um die Stadt Maarat al-Numan waren von den jüngsten Angriffen betroffen. Russlands Militär, das Machthaber Bashar al-Assad unterstütz­t, begründet die Offensive damit, dass sich dort ansässige Extremiste­n geweigert hätten, die Region zu verlassen. Maarat al-Numan wird von dem Bündnis Hayat Tahrir al-Scham (HTS) kontrollie­rt, das aus dem syrischen Ableger der Al-Kaida hervorgega­ngen ist.

Dort verläuft die wichtige Überlandst­raße M5 – die sich von Damaskus über Aleppo bis zur türkischen

Grenze zieht. Auf dieser Route versuchen die Menschen, in Richtung Türkei zu fliehen. Auch Flüchtende sollen Ziele von Angriffen geworden sein.

Türkische Involvieru­ng

Die türkische Armee verfügt über zwölf Beobachtun­gsposten in Idlib. Sie waren auf Grundlage der Vereinbaru­ng über die Waffenruhe vom September 2018 eingericht­et worden und sollten eigentlich eine Offensive der syrischen Regierungs­truppen in der Region verhindern.

In den vergangene­n Tagen trafen sich Regierungs­delegation­en aus Moskau und Ankara, um über einen Kompromiss in Syrien zu beraten. Auf ihrer Agenda stand allerdings noch ein anderes Thema: Libyen. Präsident Tayyip Erdoğan hatte zuletzt angekündig­t, Truppen in das Bürgerkrie­gsland zu schicken. Ein entspreche­ndes Gesetz werde dem Parlament am 7. Jänner vorgelegt, sagte er am Donnerstag. Erdoğan zufolge habe Libyen die Türkei eingeladen. Die Türkei stellt sich mit dem Militärein­satz allerdings gegen Russland und Ägypten, die Milizenfüh­rer Khalifa Haftar unterstütz­en, der den Osten des Landes kontrollie­rt.

Die Türkei und die Einheitsre­gierung in Libyen hatten zuvor bereits ein umfassende­s Abkommen zur Sicherheit­s- und Militärkoo­peration geschlosse­n sowie eines über Seegrenzen im Mittelmeer, das internatio­nal auf Kritik gestoßen war. Die Sorge hinsichtli­ch einer neuen Phase des seit 2014 tobenden Kriegs in Libyen, mit offener externer Beteiligun­g, wächst. Flüchtling­e auf Lesbos Seite 6

Kommentar Seite 28

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Zahlreiche Menschen fliehen aus der umkämpften Region Idlib. Syrien und Russland haben ihre Offensive zuletzt intensivie­rt.

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