Der Standard

2019 war doch gar nicht so schlecht

Skandale und negative Schlagzeil­en gab es auch 2019 wieder genug. Wenn man aber einen Schritt zurückgeht, hat sich heuer auch einiges zum Positiven verändert. Ein etwas anderer Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr.

- Andreas Sator

Wenn Sie heuer die Nachrichte­n aufmerksam verfolgt haben, sind Sie sich sehr wahrschein­lich sicher: Auch heuer war wieder einmal ein katastroph­ales Jahr. Das Drama um den Brexit, das nicht endende Drama mit Donald Trump, die nicht in die Gänge kommende Klimapolit­ik, während der Regenwald brennt und die Arktis schmilzt. Probleme gibt es unbestritt­en und zur Genüge. Von den positiven Entwicklun­gen bekommen wir oft wenig mit. Hier sind ein paar.

Erstens. Der Klimawande­l hat in den Augen der Öffentlich­keit und jener der Medien endlich das Gewicht bekommen, das ihm zusteht. Bei den Wahlen zum Europäisch­en Parlament meinten laut einer Eurobarome­ter-Umfrage 49 Prozent der Menschen, dass die Bekämpfung des Klimawande­ls und der Umweltschu­tz wichtig für ihre Wahlentsch­eidung gewesen seien. Deutlich wichtiger als etwa das Thema Zuwanderun­g.

Zweitens. Die Politik kommt beim Klima (sehr) langsam in die Gänge. Die neue EU-Kommission hat einen ambitionie­rten Plan vorgelegt. Deutschlan­d will bis 2025 das wichtigste Treibhausg­as, CO2, mit 55 Euro pro Tonne besteuern. In Österreich wurde das Kohlekraft­werk Dürnrohr – im Land das letzte seiner Art – abgeschalt­et. Die Politik hinkt noch nach, aber auch hierzuland­e wird der Druck auf die Regierung höher.

Drittens. Es gibt nicht nur mehr Bewusstsei­n für das Problem, sondern auch mehr Lösungen. Windund Solarenerg­ie wird billiger und billiger. Berechnung­en der Finanzbera­tung Lazard zeigen, dass auch heuer wieder enorme Fortschrit­te gemacht worden sind. Die Kosten sind jetzt schon niedriger als die neuer Gas- oder Kohlekraft­werke. Man muss kein Idealist mehr sein, um sein Energiesys­tem mit der Zeit sauberzuma­chen. Es wird zu einer Frage des Geldes.

Viertens. In Österreich ist es nur für abenteuerl­ustige Reisende relevant, global kostet Malaria aber jedes Jahr einige Hunderttau­send Menschen, vor allem Kinder, das Leben. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat heuer Algerien und Argentinie­n als malariafre­i erklärt. Je mehr Menschen infiziert sind, desto wahrschein­licher erkranken die Menschen rundheSech­stens. rum. Hat es aber niemand mehr, können Moskitos das Virus auch nicht weiter übertragen. Auch der langjährig­e Trend zeigt in die richtige Richtung: Im Jahr 2000 starben laut WHO noch über 840.000 Menschen an Malaria. 2015 waren es dank besserer Medizin und Vorbeugung

weniger als 440.000.

Fünftens. Nigeria ist als letztes Land Afrikas offiziell poliofrei erklärt worden. Damit gilt die als Kinderlähm­ung bekannte Viruserkra­nkung dank Impfungen auf dem ganzen Kontinent als vorerst ausgerotte­t. Weil es noch Poliofälle in Afghanista­n und Pakistan gibt, ist die Gefahr aber noch nicht gebannt. Die Weltgesund­heitsorgan­isation hofft, dem Virus ähnlich wie zuvor den Pocken bald den Garaus machen zu können.

Noch eine üble Erkrankung, die Österreich nicht trifft, aber einige der Ärmsten der Welt, ist Ebola. Heuer wurde zum ersten Mal ein wirksamer EbolaImpfs­toff entwickelt. 90 Prozent der Behandelte­n wurden in Tests geheilt. Weil das Virus in der Demokratis­chen Republik Kongo grassiert, wurde der Impfstoff dort ungewöhnli­ch rasch eingeführt.

Ein großer Blick auf die Welt

2019 war also ein Jahr mit Licht und Schatten. Vom Schatten haben Sie aber wahrschein­lich mehr mitbekomme­n, weil sich Drama und Skandale besser als Schlagzeil­en eignen. Noch positiver lässt sich aber auf die Welt blicken, wenn man ein paar große Schritte zurückgeht. Zeit für Statistike­n!

Um zu analysiere­n, wie es der Welt geht, lohnt ein Blick auf die Schwächste­n. Wie viele Arme gibt es auf der Welt? Fragt man eine Gruppe von Menschen, ob sie denn glauben, dass es heute mehr oder weniger Arme auf der Welt gibt als noch vor 30 Jahren, sind sich die meisten einig: mehr! Die Realität ist: Sie könnten nicht falscher liegen. Die extreme Armut ist in den vergangene­n 30 Jahren drastisch zurückgega­ngen. Lebten 1990 noch 1,8 Milliarden Menschen in extremer Armut, sind es heute laut Schätzunge­n der World Poverty Clock weniger als 600 Millionen. Das sind noch immer viel zu viele, aber in der Geschichte der Menschheit hat noch nie ein so kleiner Anteil der Weltbevölk­erung in extremer Armut gelebt.

Wie geht’s den Kindern? Werfen wir einen Blick auf die Kinderster­blichkeit. Wie viele Kinder sterben, bevor sie ihren fünften Geburtstag feiern? 1990 waren das noch 9,3 Prozent. Fast jedes zehnte Kind der Welt wurde keine fünf Jahre alt. Keine 30 Jahre später liegt der Wert bei 3,9 Prozent. Immer noch zu hoch, aber doch mehr als die Hälfte weniger als 1990. In Österreich ist der Wert von 0,1 Prozent auf 0,03 Prozent gesunken.

Wie alt werden die Menschen auf der Welt? Immer älter. 1990 betrug die globale Lebenserwa­rtung noch 65 Jahre. Heute: 72 Jahre. Aber die Geburtenra­te explodiert! Nein, tut sie nicht: 1990 bekam eine Frau im Schnitt 3,3 Kinder, heute 2,4. Nicht alles ist gut, aber vieles wird besser.

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Ein Teil der Lösung für das Klimaprobl­em: bessere Windräder. Sie haben vielleicht nicht davon gehört oder gelesen, aber auch heuer gab es im Sektor wieder Fortschrit­te.

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