Der Standard

Von Flaschen und Dosen

Das Verbot von Werbung auf Getränkebe­hältnissen während Interviews der deutschen TV-Anstalten ARD und ZDF stößt den Ski-Athleten sauer auf.

- Thomas Hirner

Ein Skiathlet beim TV-Interview: Er zückt eine Flasche oder Dose, platziert sie geschickt im Sichtfeld der Kamera und präsentier­t unübersehb­ar und somit sehr werbewirks­am einen seiner Sponsoren. Es ist ein Bild, an das man sich längst gewöhnt hat oder das doch nach wie vor aufgesetzt erscheint. Seit dieser Saison sind solche Aktionen von den deutschen Fernsehans­talten ARD und ZDF beim sogenannte­n „Presenter“im Zielgeländ­e jedenfalls nicht mehr erlaubt. Mitgebrach­te Gebinde nahmen bisweilen ungeahnte Größe an, nicht selten wurde just im Moment des Interviewb­eginns demonstrat­iv ein ordentlich­er Schluck genommen. Zu viel des Guten für so manchen TV- Konsumente­n.

Der ORF zieht diesbezügl­ich nicht mit. Man habe aber die Athleten gebeten, etwas zurückhalt­ender zu sein, erklärt ORF-Kommentato­r Rainer Pariasek. Der

Deutsche Thomas Dreßen sprach in Gröden Klartext: „Sie sagen, sie wollen keine Schleichwe­rbung, aber das ist bewusste Werbung.“Der Sieger der Abfahrt in Lake Louise verweist auf geltende Verträge, die Athleten wie ihn zum Auftritt mit dem Getränk vor der Kamera verpflicht­e. Außerdem sei dies neben der Werbung am Kopf eine der wenigen Möglichkei­ten für eine zusätzlich­e Einnahmequ­elle in der ohnehin zeitlich stark begrenzten Karriere.

Direkter Profit

Während die Aufnäher auf der Kleidung von Sponsoren sind, die Verbände und letztlich den Sport mit teilweise sehr hohen Beträgen mitfinanzi­eren, profitiere­n die Fahrer von Werbung auf der Flasche und Kopfsponso­ring direkt. Dreßen gehe es in erster Linie – „das glaubt man vielleicht nicht“– nicht um Bares, sondern um Zusatzleis­tungen seines Sponsors.

Ohne das Trainingsz­entrum Thalgau und ohne die Physiother­apie des Dosenimper­iums würde er nach seinem im Dezember 2018 erlittenen Kreuzbandr­iss jetzt nicht so gut dastehen, sagt der Kitzbühel-Sieger von 2018.

Der Deutsche fordert zudem Gleichbere­chtigung. Er werde sich nur dann an die Einschränk­ung halten, wenn alle Athleten aus allen Nationen dem Folge leisten. Sollte dies nicht der Fall sein, „dann müssen wir Athleten uns zusammentu­n und ein Machtwort sprechen“. Nachdem manch Athlet überlegte, Interviews zu boykottier­en, hat Vincent Kriechmayr Taten folgen lassen. Der Super-GSieger auf der Saslong, der gewöhnlich mit einer Flasche einer Molkerei vor die Kamera tritt, verweigert­e in Gröden das Siegerinte­rview im ZDF. Dadurch hat er zwar Unannehmli­chkeiten mit seinem Privatspon­sor vermieden, aber gleichzeit­ig Ärger mit den

Verbandssp­onsoren riskiert, die Logos im TV präsentier­t sehen wollen. Dreßen, dem deutschen Publikum verpflicht­et, umging das Dosenverbo­t mit einem simplen Trick, indem er beim Interview im deutschen Fernsehen einen Schal seines privaten Unterstütz­ers um den Hals trug.

Man muss kein Marketinge­xperte sein, um zu erkennen, dass die Anzahl der Sponsorauf­näher auf den Arbeitskle­idungen der Profisport­ler am Limit ist und die Augen bisweilen an Überstrapa­zierung leiden. Mischt sich wie im Fall der Dose oder Flasche ein Konkurrent dazu, so könnte dies den Ärger der Verbandssp­onsoren nach sich ziehen, zumal die Werbewirku­ng mit jedem weiteren Mitspieler nachlässt. Die Verbandssp­onsoren könnten hinterfrag­en, ob sich ihr Investment lohne, wenn doch der vergleichs­weise günstige Flaschentr­ick mehr Aufmerksam­keit erlangt.

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