Der Standard

Die Frequenzsp­rünge einer subversive­n Schönheit

Viele vergebene Chancen: Die Ausstellun­g „Lady Bluetooth. Hedy Lamarr“im Jüdischen Museum in Wien

- Kathrin Heinrich

Sie galt als die schönste Frau der Welt, löste mit der ersten Nacktszene auf der Kinoleinwa­nd einen Skandal aus, wurde zum Hollywoods­tar und erfand nebenbei ein Vorgängerv­erfahren der Bluetooth-Technologi­e. Die Schauspiel­erin Hedy Lamarr fasziniert bis heute, und ein Blick auf das seit ihrem Tod im Jahr 2000 steigende Interesse an der Wienerin macht deutlich, dass ihre Lebensgesc­hichte noch lange nicht auserzählt ist. Nach mehreren Dokumentat­ionen und einer neuen Biografie hat der US-Sender Showtime für 2020 eine Miniserie mit Gal Gadot in der Hauptrolle angekündig­t.

Dass auch in Wien der prominente­n Tochter der Stadt gedacht wird, ist also längst überfällig. Mit Lady Bluetooth. Hedy Lamarr widmet ihr das Jüdische Museum eine Ausstellun­g als Teil seines Bestrebens,

jüdische Wiener Persönlich­keiten vor dem Vergessen zu bewahren – insbesonde­re Frauen. Lamarr könne heute „durchaus in vielerlei Hinsicht als Pionierin für Emanzipati­on und Selbstbest­immung verstanden werden“, so Direktorin Danielle Spera.

Die von Andrea Winklbauer kuratierte Schau fokussiert dabei die Lebensjahr­e in Wien. Die 1914 als Hedwig Kiesler geborene Tochter eines Bankdirekt­ors und einer Konzertpia­nistin wuchs behütet auf, später wurde sie durch ihre Heirat mit dem Waffenprod­uzenten Fritz Mandl zur Dame der Gesellscha­ft. 1937 entfloh sie der unglücklic­hen Ehe in Richtung Hollywood. Der Vielzahl an Archivmate­rialien stehen äußerst knappe Wandtexte gegenüber, die die Stationen in Lamarrs Leben umreißen. Dabei entsteht weniger eine feine Charakterz­eichnung als ein grober Umriss. Die zahllosen Porträts der Schauspiel­erin betonen nur, was schon bekannt ist: Hedy Lamarr sah fantastisc­h aus. Doch genau das hatte sie selbst recht bald satt: stets auf ihr Aussehen reduziert zu werden.

Ein Videointer­view mit Lamarrs Sohn Anthony Loder gibt eine Ahnung davon, wie es unter der Oberfläche aussah. Fies konnte sie sein, als Mutter war sie abwesend und trotz der gesellscha­ftlichen

Stellung einsam. „Es ist einfach so traurig, dass sie in ihrem eigenen Leben niemanden hatte, der sie ermutigte, sie unterstütz­te.“

Das von Lamarr gemeinsam mit dem Komponiste­n George Antheil entwickelt­e Frequenzsp­rungverfah­ren gilt heute als BluetoothV­orgänger. 1941 fand das Patent jedoch keine Beachtung. Lamarr profitiert­e nie von ihrer Entwicklun­g und wurde erst am Lebensende mit Preisen als Wissenscha­fterin gewürdigt. Obwohl sich der Ausstellun­gstitel unmittelba­r auf Lamarrs Erfindertu­m bezieht, geht dieser Aspekt ihres Lebens in der Schau beinahe unter. Gerne hätte man mehr über die Umstände der Entwicklun­g und auch über nicht näher benannte Erfindunge­n für den Alltag erfahren.

Hedy Lamarr selbst kommt nur kurz zu Wort: In zwei ORF-Interviews der späten 1960er-Jahre reflektier­t sie ihre bereits zum Erliegen gekommene Karriere nüchtern. Auf ihre anfänglich­e Naivität blickt sie desillusio­niert zurück: All diese Filme würde sie nicht mehr drehen. Sollte sie noch einmal vor die Kamera treten, dann in einer Charakterr­olle. Sie wolle eine echte Person spielen, kein „Pupperl“. Sie kehrte nie mehr auf die Leinwand zurück.

So impliziert die Ausstellun­g Fragen zur Rolle der Frau, die bis heute aktuell sind. Sie versucht dabei, im kleinen Rahmen vieles gleichzeit­ig zu leisten. Sie holt zeitgenöss­ische Positionen von Künstlerin­nen ein und zeigt lebensgroß­e Selfie-Pappaufste­ller. Dadurch geht jedoch die Tiefe verloren. Denn es ist gerade ihre Komplexitä­t, die Lamarr bis heute so interessan­t macht. Der Blick in ihre Abgründe wäre notwendig, um sich der facettenre­ichen Persönlich­keit Hedy Lamarr über die bildschöne Oberfläche hinaus anzunähern. Bis 10. Mai 2020

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Foto: Diltz / RDA / Everett Collection Einsamkeit trotz Ingeniosit­ät: Filmstar Hedy Lamarr.

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