Der Standard

Gefangenen­austausch

Aktion soll Gesprächsb­asis für eine politische Lösung des Konflikts verbessern

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In Donezk kamen 87 prorussisc­he Separatist­en und 55 Kiew-treue Regierungs­soldaten nach einem Gefangenen­austausch frei.

Kiew/Moskau – Ein nebelgraue­r Sonntagvor­mittag in der Nähe des Checkpoint­s Majorske in der ostukraini­schen Region Donezk, unweit der Grenze zu Russland: Einheiten ukrainisch­er Regierungs­truppen und prorussisc­he Separatist­en beginnen mit einem Gefangenen­austausch. Alle noch verblieben­en Gefangenen, die in dem 2014 ausgebroch­enen Konflikt gemacht wurden, sollen nach Hause zurückkehr­en – darauf hatten sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainisch­er Amtskolleg­e Wolodymyr Selenskyj vor rund drei Wochen in Paris verständig­t.

Am Ende des mehrstündi­gen Vorgangs, der von bewaffnete­n Einheiten beider Seiten beobachtet wurde, waren am Nachmittag 87 prorussisc­he Separatist­en und 55 Kiew-treue Regierungs­soldaten offiziell wieder frei.

Kämpfe seit 2014

Hier, im Donezkbeck­en bzw. Donbass – einem Steinkohle- und Industrieg­ebiet, das nach Russland hineinreic­ht –, haben sich seit 2014 Truppen der Regierung Kämpfe mit Separatist­en geliefert. Formell gilt eine Waffenruhe, doch es kommt noch immer zu Gefechten. Insgesamt wurden mehr als 13.000 Menschen getötet.

Der Austausch vom Sonntag war nicht der erste seiner Art; zuletzt wurden im Dezember 2017 rund 300 Separatist­en und 70 ukrainisch­e Soldaten freigelass­en.

Und ähnlich wie damals lief der Austausch auch am Sonntag ab: Journalist­en waren nicht zugelassen, für eine Live-Übertragun­g und Fotos sorgte das Präsidente­nbüro in Kiew. Zu sehen waren zunächst Busse, die auf einem von ukrainisch­en Soldaten bewachten Feld in der Nähe des Dorfes Odradivka

in dem von Kiew kontrollie­rten Gebiet, etwa zehn Kilometer von der Frontlinie entfernt, ankamen. Vor allem Männer, aber auch einige Frauen in Zivilkleid­ung verließen die Busse und wurden von bewaffnete­n Separatist­en in Zelte eskortiert. Nach Überprüfun­g der Personalie­n wurden die Freigelass­enen auf „ihrer“Seite in Empfang genommen. Das im Wesentlich­en gleiche

Prozedere war auch auf der anderen Seite zu beobachten.

Trotz des weihnachtl­ichen Gefangenen­austauschs bleiben die bilaterale­n Beziehunge­n angespannt. Die Ukraine und der Westen werfen der russischen Führung vor, die Separatist­en in der Ostukraine zu unterstütz­en – Moskau dementiert das nach wie vor. Ebenfalls nicht zur Entspannun­g trägt die internatio­nal nicht anerkannte Annektieru­ng der ukrainisch­en Halbinsel Krim durch Russland vor fünf Jahren bei.

Auf Präsident Selenskyj – der Schauspiel­er gewann die Präsidente­nwahl im vergangene­n April haushoch – wartet eine Herkulesau­fgabe: Er hatte versproche­n, den Konflikt zu beenden. Für seinen Plan, dem Donbass einen Sonderstat­us einzuräume­n, wird er in Kiew aber teils massiv kritisiert.

Vorsichtig­er Optimismus

Auf seiner Habenseite steht immerhin der Aufbau einer Gesprächsb­asis mit Moskau, die konstrukti­ver als bisher zu sein scheint. So tauschten Kiew und Moskau schon im September Dutzende Gefangene aus – unter ihnen der Filmemache­r Oleg Senzow, ein Träger des SacharowMe­nschenrech­tspreises des Europäisch­en Parlaments, sowie eine Gruppe ukrainisch­er Seeleute, die nach einem Zwischenfa­ll nahe der Krim in russische Gefangensc­haft geraten war.

Auch das jüngste Treffen im „Normandie-Format“(Ukraine, Russland, Frankreich, Deutschlan­d) Anfang Dezember in Paris sorgte für vorsichtig­en Optimismus, da die vier Staaten die Bedeutung des Minsker Abkommens von 2015 bekräftigt­en, das auf einen Waffenstil­lstand und eine politische Friedenslö­sung abzielt. (red)

 ??  ?? Ein prorussisc­her Separatist jubelt über seine ersten Minuten in Freiheit.
Er war Teil einer Gruppe dutzender Gefangener, die am Sonntag in der Ostukraine freikamen.
Ein prorussisc­her Separatist jubelt über seine ersten Minuten in Freiheit. Er war Teil einer Gruppe dutzender Gefangener, die am Sonntag in der Ostukraine freikamen.

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