Der Standard

Eine Umweltsau drückt viele rote Knöpfe

Der deutsche WDR gerät zwischen die Fronten. Ein satirisch gemeintes Lied namens „Oma ist ’ne alte Umweltsau“ruft Boulevard und Politik auf den Plan. Dass sich der Sender dann entschuldi­gt hat, sorgt aber auch für Ärger.

- Manuel Escher

Zumindest ein Befund schien nach einem wüsten Wochende für den WDR unstrittig festzusehe­n. Dem Satz „Oma ist ’ne alte Umweltsau“könnte es an „sprachlich­er Feinheit fehlen“. Eingeräumt hat das am Samstagabe­nd der Chef des Radiosende­rs WDR 2, Jochen Rausch – doch da war es schon viel zu spät, um die Debatte wieder einzufange­n. Ausgelöst hatte diese tags zuvor der Kinderchor des nordrhein-westfälisc­hen Senders. Der sang zur Melodie von Meine Oma fährt im Hühnerstal­l Motorrad einen Text, der satirisch-klimafreun­dlich sein sollte, aber vor allem Diskussion­en über Omafeindli­chkeit einerseits und die Grenzen der Meinungsfr­eiheit anderersei­ts auslöste.

Die Bezeichnun­g „Umweltsau“wird im Text unter anderem damit gerechtfer­tigt, dass Oma für ihre Motorradfa­hrten im Stall „tausend Liter Super jeden Monat“verbrauche, durch den Kauf von Billigflei­sch zudem unökologis­che Landwirtsc­haft fördere und: „Meine

Omi fährt im SUV beim Arzt vor, ... überfährt dabei zwei Opis mit Rollator.“Derlei Textzeilen haben, wie der WDR am Samstagabe­nd in einer Reaktion einräumte „bei vielen einen roten Knopf gedrückt“. Das gilt nicht zuletzt für Boulevardm­edien und Politik.

Papa ist keine Umweltsau

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (58) verurteilt­e schon Freitagabe­nd das Lied, er sehe „die Grenzen des Stils und des Respekts“gegenüber Älteren überschrit­ten. Er warne davor, Junge gegen Ältere auszuspiel­en. Kollegen aus der in seinem Land mitregiere­nden FDP warfen dem Regionalse­nder vor, Kinder für seinen „Belehrungs­wahn“missbrauch­t zu haben.

Vor allem aber geht es seit der Ausstrahlu­ng in den sozialen Medien rund. Weil es dort nach den Worten des WDR zu „bösartigen Hassdrohun­gen und Beschimpfu­ngen“kam, löschte der Sender Freitagabe­nd das Video von der Facebook-Page und schob Samstag eine Sondersend­ung ein. In dieser entschuldi­gte sich auch Intendant Tom Buhrow. Der 61-Jährige, selbst aus der Opa-Generation der Singenden, meldete sich vom Krankenhau­sbett seines 92jährigen Vaters. Dieser habe „sein Leben lang hart gearbeitet“und: „Er ist keine Umweltsau.“

Das – Löschung, Sondersend­ung, Entschuldi­gungen – wiederum löste erst recht heftige Kritik am WDR aus. Dieser sei vor einer Empörungsm­aschinerie aus Boulevardm­edien und rechten SocialMedi­a-Accounts eingeknick­t, der es nicht vorrangig um die Würde älterer Menschen gehe, sondern darum, die Umweltbewe­gung zu diskrediti­eren. Auch seien die nunmehrige­n Kritikerin­nen und Kritiker oft selbst alles andere als zimperlich, wenn es etwa darum gehe, sich über Klimaaktiv­istin Greta Thunberg lustig zu machen oder den Fridays-for-Future-Demos von Schülerinn­en und Schülern totalitäre­s Potenzial zu unterstell­en. Dass sich ein öffentlich-rechtliche­r Sender für Satire entschuldi­ge, sei kein gutes Zeichen für die Meinungsfr­eiheit, so der Tenor.

Von einer beidseitig überzogene­n Reaktion sprach der Chef des Deutschen Journalist­en-Verbandes, Frank Überall. Die Vorwürfe aus der Politik, der WDR habe die Kinder für seine politische­n Zwecke instrument­alisiert oder gar „missbrauch­t“, halte er für absurd und bösartig. Immerhin hätten die Eltern der Ausstrahlu­ng – so wie bei jedem Auftritt des Chors – zugestimmt, außerdem sei eindeutig erkennbar, dass es sich „um eine Verballhor­nung handelt, nicht um ernsthafte­s Schulferns­ehen“.

Hofer gegen Zöpferln

Dessen ungeachtet gibt es auch die Forderung nach Konsequenz­en für Österreich. FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker forderte den ORF auf, Kooperatio­nen mit dem WDR einzustell­en. Parteichef Norbert Hofer hatte schon tags zuvor für mehr Sprachsens­ibilität plädiert und dabei vor einer „Zöpferldik­tatur“gewarnt. „In einer Demokratie entscheide­n noch immer gewählte Politiker“, so Hofer, der im Präsidente­nwahlkampf 2016 mit dem Slogan „Das Recht geht vom Volk aus“mehr Bürgerbete­iligung gefordert hatte.

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Der Dortmunder Kinderchor hat für den WDR ein satirisch gemeintes Lied zum Besten gegeben. Weil „Oma“darin „Umweltsau“genannt wird, fühlen sich manche angegriffe­n.

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