Eine Umweltsau drückt viele rote Knöpfe
Der deutsche WDR gerät zwischen die Fronten. Ein satirisch gemeintes Lied namens „Oma ist ’ne alte Umweltsau“ruft Boulevard und Politik auf den Plan. Dass sich der Sender dann entschuldigt hat, sorgt aber auch für Ärger.
Zumindest ein Befund schien nach einem wüsten Wochende für den WDR unstrittig festzusehen. Dem Satz „Oma ist ’ne alte Umweltsau“könnte es an „sprachlicher Feinheit fehlen“. Eingeräumt hat das am Samstagabend der Chef des Radiosenders WDR 2, Jochen Rausch – doch da war es schon viel zu spät, um die Debatte wieder einzufangen. Ausgelöst hatte diese tags zuvor der Kinderchor des nordrhein-westfälischen Senders. Der sang zur Melodie von Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad einen Text, der satirisch-klimafreundlich sein sollte, aber vor allem Diskussionen über Omafeindlichkeit einerseits und die Grenzen der Meinungsfreiheit andererseits auslöste.
Die Bezeichnung „Umweltsau“wird im Text unter anderem damit gerechtfertigt, dass Oma für ihre Motorradfahrten im Stall „tausend Liter Super jeden Monat“verbrauche, durch den Kauf von Billigfleisch zudem unökologische Landwirtschaft fördere und: „Meine
Omi fährt im SUV beim Arzt vor, ... überfährt dabei zwei Opis mit Rollator.“Derlei Textzeilen haben, wie der WDR am Samstagabend in einer Reaktion einräumte „bei vielen einen roten Knopf gedrückt“. Das gilt nicht zuletzt für Boulevardmedien und Politik.
Papa ist keine Umweltsau
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (58) verurteilte schon Freitagabend das Lied, er sehe „die Grenzen des Stils und des Respekts“gegenüber Älteren überschritten. Er warne davor, Junge gegen Ältere auszuspielen. Kollegen aus der in seinem Land mitregierenden FDP warfen dem Regionalsender vor, Kinder für seinen „Belehrungswahn“missbraucht zu haben.
Vor allem aber geht es seit der Ausstrahlung in den sozialen Medien rund. Weil es dort nach den Worten des WDR zu „bösartigen Hassdrohungen und Beschimpfungen“kam, löschte der Sender Freitagabend das Video von der Facebook-Page und schob Samstag eine Sondersendung ein. In dieser entschuldigte sich auch Intendant Tom Buhrow. Der 61-Jährige, selbst aus der Opa-Generation der Singenden, meldete sich vom Krankenhausbett seines 92jährigen Vaters. Dieser habe „sein Leben lang hart gearbeitet“und: „Er ist keine Umweltsau.“
Das – Löschung, Sondersendung, Entschuldigungen – wiederum löste erst recht heftige Kritik am WDR aus. Dieser sei vor einer Empörungsmaschinerie aus Boulevardmedien und rechten SocialMedia-Accounts eingeknickt, der es nicht vorrangig um die Würde älterer Menschen gehe, sondern darum, die Umweltbewegung zu diskreditieren. Auch seien die nunmehrigen Kritikerinnen und Kritiker oft selbst alles andere als zimperlich, wenn es etwa darum gehe, sich über Klimaaktivistin Greta Thunberg lustig zu machen oder den Fridays-for-Future-Demos von Schülerinnen und Schülern totalitäres Potenzial zu unterstellen. Dass sich ein öffentlich-rechtlicher Sender für Satire entschuldige, sei kein gutes Zeichen für die Meinungsfreiheit, so der Tenor.
Von einer beidseitig überzogenen Reaktion sprach der Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall. Die Vorwürfe aus der Politik, der WDR habe die Kinder für seine politischen Zwecke instrumentalisiert oder gar „missbraucht“, halte er für absurd und bösartig. Immerhin hätten die Eltern der Ausstrahlung – so wie bei jedem Auftritt des Chors – zugestimmt, außerdem sei eindeutig erkennbar, dass es sich „um eine Verballhornung handelt, nicht um ernsthaftes Schulfernsehen“.
Hofer gegen Zöpferln
Dessen ungeachtet gibt es auch die Forderung nach Konsequenzen für Österreich. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker forderte den ORF auf, Kooperationen mit dem WDR einzustellen. Parteichef Norbert Hofer hatte schon tags zuvor für mehr Sprachsensibilität plädiert und dabei vor einer „Zöpferldiktatur“gewarnt. „In einer Demokratie entscheiden noch immer gewählte Politiker“, so Hofer, der im Präsidentenwahlkampf 2016 mit dem Slogan „Das Recht geht vom Volk aus“mehr Bürgerbeteiligung gefordert hatte.