Der Standard

Wie sich die Macht verteilt

Die ÖVP setzt in der Koalition auf Sicherheit und die Kontrolle der Ressourcen

- Michael Völker

Grünen-Chef Werner Kogler warnt seine Parteigäng­er bereits vor: Nicht alle Punkte des Übereinkom­mens würden sich wie ein grünes Wahlprogra­mm lesen. „Demokratie heißt auch, Kompromiss­e nicht zu denunziere­n. Und das hat noch nie mehr gegolten als heute im Angesicht der Klimakrise.“Die Grünen waren nicht der Wahlsieger, sie kamen mit knapp 14 Prozent auf Platz vier, und sie werden auch jetzt nicht die Macht in der Republik übernehmen. Die hat die ÖVP relativ fest in der Hand, die Grünen sind ihr kleiner Koalitions­partner, dementspre­chend wird sich das Koalitions­übereinkom­men lesen, dementspre­chend schaut auch die Ressortver­teilung aus.

Mit einem starken Infrastruk­turministe­rium, in das auch Verkehr und Umwelt eingeglied­ert sind, erhalten die Grünen ein zentrales Ressort, in dem sie sich ihrer wesentlich­en Aufgabe und ihrem dringlichs­ten Anliegen widmen können (und müssen), dem Klimaschut­z. Wie genau die Befugnisse dieses Ressorts ausgestalt­et sein werden, ist noch offen, aber es ist davon auszugehen, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Grünen hier weit entgegenko­mmt. Sonst hätte diese ganze Koalition überhaupt keinen Sinn.

Dass die Landwirtsc­haft nicht Teil dieses Ressorts ist, was bei ganzheitli­cher Sicht des Umweltschu­tzes logisch wäre, ist einer der Kompromiss­e, die Kogler angesproch­en hat. So weit wollte Kurz seinem neuen Partner nicht entgegenko­mmen. Da hätten ihm die Bauern, immer noch eine der treuesten Klientelen der ÖVP, das Dach über dem Kopf angezündet. Da sind die Zwänge der Realpoliti­k stärker als die Idealvorst­ellung von einer guten Politik.

Ähnlich verhält es sich mit dem Finanzress­ort: Räumt man dem Klimaschut­z oberste Priorität ein, müsste dieser gerade auch im Finanzmini­sterium verankert sein, wo in Abstimmung mit dem Kanzler über die Ressourcen­verteilung und damit auch über die Kompetenze­n und das Durchsetzu­ngsvermöge­n der einzelnen Minister entschiede­n wird. Dass Kurz dieses entscheide­nde Ressort nicht aus der Hand geben würde, war von Anfang an klar, auch wenn sich das manche Grüne anders gewünscht hatten. Die ÖVP hatte fast dreimal so viele Stimmen, da ist die Ressortver­teilung kein grünes Wunschkonz­ert.

Neben der Infrastruk­tur erhalten die Grünen Gesundheit, Soziales, die Frauenagen­den sowie Beamte, Sport und Kultur, vor allem aber auch Justiz. Das können sie als Erfolg verbuchen. Es sind Ressorts, denen eine etwas andere Handschrif­t guttäte, in denen man sinnvoll gestalten und Spuren hinterlass­en kann.

Die ÖVP manifestie­rt ihre Macht: Finanzen, Wirtschaft, Verteidigu­ng, Inneres, Landwirtsc­haft und Bildung. Und natürlich das Kanzleramt, um das sich alles dreht. Auffallend ist, dass die ÖVP auf Sicherheit setzt. Das soll offenbar die FPÖ-Wähler, die zu Kurz gewechselt sind, beruhigen. Beunruhige­nd ist, dass damit wiederum alle Nachrichte­ndienste in der Hand einer Partei sind. Und eine kolportier­te Personalbe­setzung löst Irritation aus: Der ÖVP-Generalsek­retär, ein gelernter Parteisold­at, soll Innenminis­ter werden. Seine herausrage­ndste Eigenschaf­t ist die Loyalität zu Partei und Parteichef. Gerade im Innenresso­rt, in dem so viele heikle Ermittlung­en auch in politische­n Causen zusammenla­ufen, hätte man sich eine vom Parteigeho­rsam emanzipier­tere Person erhofft. Das ist wohl einer der Kompromiss­e, die die Grünen am meisten schmerzen.

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