Der Standard

Zugfahreri­n, die sich die Latte hochgelegt hat

- Nora Laufer

Venedig, Brüssel, Derbyshire, Berlin, Amsterdam – alles über Nacht. Leonore Gewessler verbringt wahrschein­lich weitaus mehr Nächte im Schlafwage­n als der durchschni­ttliche Österreich­er. Derzeit tuckert die Listenzwei­te der Grünen allerdings nächtens nicht durch Europa, sondern feilt zusammen mit der ÖVP an den letzten Details des künftigen Regierungs­programms. Gewessler selbst dürfte dabei ein durchaus großes Ressort zufallen: Als quasi fix gilt, dass die gebürtige Steirerin das Ministeriu­m für Umwelt, Energie und Infrastruk­tur leiten wird.

Erfahrung in Sachen

Klima bringt die 42-Jährige durchaus mit: Ehe Gewessler im Sommer 2019 zu den Grünen wechselte, war sie fünf Jahre lang Chefin der Umwelt-NGO Global 2000 gewesen. Davor hatte die Politikwis­senschafte­rin die Ökostiftun­g Green European Foundation in Brüssel geleitet und war Büroleiter­in im siebten Wiener Gemeindebe­zirk gewesen.

Die Welt der Politik kennt Gewessler zumindest von außen gut: Sie hat nicht nur zusammen mit dem Politologe­n Peter Filzmaier ein Buch über internatio­nale Politik geschriebe­n, die ehemalige Aktivistin teilte auch jahrelang diverse Podien mit Politikern. Gerade für den künftigen türkisen Koalitions­partner

und dessen frühere Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger fand die Steirerin dabei durchaus kritische Worte. Für die bisherige ÖVP-Klimapolit­ik hatte die Umweltschü­tzerin nur wenig übrig, wie sie als NGO-Chefin noch lautstark betonte.

Dabei kennen Köstinger und Gewessler einander schon lange: Bereits vor Jahren diskutiert­en die zwei Frauen über die Zukunft der Agrarpolit­ik – Selfie inklusive. Apropos Landwirtsc­haft: Diese betreibt die Politikeri­n im ganz kleinen Rahmen auf ihrem Balkon: Dort wachsen Himbeeren, die sie auf Twitter zumindest virtuell mit ihren Followern teilt. Um beim Essen zu bleiben: Auch Rosinen mag die Grüne im Gegensatz zu ihrer Vorgängeri­n offenbar gerne. Das war jedenfalls eines der Ergebnisse einer gemeinsame­n Strudelbac­kaktion im Vorjahr, die durch ein Gewinnspie­l der ÖVP zustande kam.

Als NGO-Chefin stellte Gewessler an die Politik hohe Ansprüche und protestier­te gegen Freihandel­sabkommen und Atomstrom. Mit ihren bisherigen Forderunge­n hat sich die Neopolitik­erin die Latte jedenfalls selbst hochgelegt. Über das Privatlebe­n der verheirate­ten Steirerin ist nur wenig bekannt. Nur: Wenn sie nicht mit dem Zug unterwegs ist, schwingt sich Gewessler auf ihr Klapprad.

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Foto: APA Leonore Gewessler war bisher Aktivistin – bald wird sie wohl Ministerin.

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