Grüne erhalten Justiz und zentrales Klimaministerium
Letzter Feinschliff für Regierungspakt Grüner Bundeskongress einberufen
Wien – Die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen stehen kurz vor ihrem Abschluss. Offenbar werden die Grünen eine überraschend große Anzahl von Ministerien besetzen, darunter auch das Justizressort. Außerdem erhalten sie ein deutlich aufgewertetes Umweltministerium, in dem auch die Energie- und Infrastrukturagenden angesiedelt werden. Hier gilt die grüne Listenzweite Leonore Gewessler als Fixstarterin. Über die genaue Aufteilung der Ressortagenden wird noch bis Neujahr verhandelt werden.
Im Großen und Ganzen ist der Regierungspakt allerdings fertig. Sichtbar wurde das daran, dass die Grünen am Samstag spätnachts Einladungen zu ihrem Bundeskongress verschickten. Dort sollen Delegierte kommenden Samstag über den grünen Regierungseintritt abstimmen – ein Ja gilt als nahezu sicher. „Demokratie heißt auch, Kompromisse nicht zu denunzieren“, schrieb Grünen-Chef Werner Kogler in einer E-Mail an Parteimitglieder. Das soll eine Vorwarnung dafür sein, dass die Grünen abseits der Umweltthematik nur wenige Reformen platzieren konnten.
Was genau ausverhandelt wurde, sollen die Delegierten so bald wie möglich erfahren, versprach Grünen-Generalsekretär Thimo Fiesel. Die Öffentlichkeit wird vermutlich am Donnerstagnachmittag darüber informiert werden. Einzelne Grüne kritisierten das Vorgehen bereits. Sie bezeichneten die Zeitspanne für das Prüfen des Regierungsprogramms vor der Abstimmung auf dem Bundeskongress als zu kurz. Außerdem sahen einige die grünen Statuten verletzt, da der Kongress nicht ausreichend früh einberufen worden sein soll.
Die Angelobung der neuen Regierung soll dann am 7. Jänner erfolgen. Vorher will Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch Gespräche mit den geplanten Ministern führen. Bei der ÖVP setzt man großteils auf bekannte Gesichter, kolportiert wird etwa der aktuelle Generalsekretär Karl Nehammer als Innenminister.
Heinz Faßmann, Gernot Blümel, Margarete Schramböck, Elisabeth Köstinger und Karoline Edtstadler sollen der Regierung wieder, Außenminister Alexander Schallenberg der Regierung weiterhin angehören. Einen Coup will ÖVPChef Sebastian Kurz mit Klaudia Tanner landen: Die niederösterreichische Landtagsabgeordnete soll erste Verteidigungsministerin werden. Bei den Grünen gelten noch Alma Zadić, Eva Blimlinger, Astrid Rössler und Rudi Anschober als Ministerkandidaten. (red)
Am Samstagabend erwachte die Innenpolitik aus ihrer Weihnachtsruhe: Bald würden die Grünen ihre Einladungen zum Bundeskongress verschicken, hieß es am späten Nachmittag – und damit bestätigen, dass die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP quasi abgeschlossen sind. Bis kurz vor Mitternacht dauerte es, dann wurden die E-Mails tatsächlich verschickt. Nächsten Samstag sollen die wichtigsten Grünen darüber abstimmen, ob die Verhandlungserfolge ihrer Parteispitze ausreichen, um fünf Jahre Türkis-Grün zu probieren. Als wichtigstes Verkaufsargument soll ein grünes Superministerium mit den Agenden Umwelt, Verkehr, Energie und Infrastruktur dienen, das durch eine Form von Ökosteuer ausreichend finanzielle Ressourcen erhält. Außerdem überließ die ÖVP den
Grünen offenbar die Justiz sowie eine ganze Reihe „kleinerer“Ministerien, sodass deren Aufteilung das Wahlergebnis (37,5 Prozent für die ÖVP, 13,9 Prozent für die Grünen) nicht im Ansatz widerspiegelt.
Die ÖVP kann hingegen für sich verbuchen, das Innen- und das Außenministerium zurückerobert zu haben. Außerdem blockierte sie einige grüne Ideen für Bildung und Soziales. Die größten Brocken wurden vom Verfassungsgerichtshof aus dem Weg geräumt, beispielsweise die Kopplung der Mindestsicherung an Sprachkenntnisse, was der ÖVP ein großes Anliegen gewesen ist.
Jetzt geht es um die letzten Details
Sebastian Kurz und Werner Kogler werden sich auch in den kommenden Stunden intensiv miteinander beschäftigen. Am Regierungsprogramm soll gefeilt werden, bis es am Donnerstag oder Freitag zu dessen öffentlicher Präsentation kommt. Währenddessen sollen Ministerkandidaten (siehe Text Seite 3) auch schon Besuche bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen absolvieren. Am 7. Jänner soll dann die erste türkis-grüne Regierung angelobt werden.
Dass es so weit kommt, hätten vor der Ibiza-Affäre nur wenige gedacht: Im Frühjahr regierte die ÖVP glücklich mit der FPÖ, dem Gegenpol der Grünen. Diese waren nicht einmal im Nationalrat. Dann kam der Wahlkampf, in dem sich ÖVP-Klubobmann August Wöginger beschwerte, dass „unsere Kinder nach Wean fahren und als Grüne zurückkommen“. Bei der Wahl schnitten Türkis und Grün gut ab. FPÖ und SPÖ weniger gut. Erstere war dann mit ihrem Ex-Obmann, Letztere mit sich selbst beschäftigt. Also entschlossen sich Kurz und sein grünes Gegenüber Kogler zu Faschingsbeginn, gemeinsam in Regierungsverhandlungen zu treten. Trotz dieses Starttermins herrschte Ernüchterung. Kogler konstatierte „große inhaltliche Entfernungen“. Eine Armada von über hundert Verhandlern versuchte seither, „Brücken zu bauen“, wie es in Pressestatements hieß. Das Ganze funktionierte je nach Untergruppe anders: Meistens wurden Whatsapp-Gruppen aufgesetzt, in denen man sich gegenseitig Verhandlungspapiere schickte. Mehrmals pro Woche trafen sich die einzelnen Gruppen in Prinz Eugens Winterpalais. Heikle Punkte wurden rot markiert und sofort nach oben eskaliert, wo die Parteichefs Kurz und Kogler dann den großen Abtausch ausverhandelten. Daher wissen auch nur wenige Eingeweihte, wie der türkis-grüne Plan tatsächlich aussieht. „Wir dürfen Kompromisse nicht denunzieren“, warnte Kogler seine Parteikollegen schon einmal per E-Mail vor. Sobald das Regierungsabkommen fertig sei, solle es jedenfalls allen Mitgliedern vorgelegt werden.
Die intensiven Verhandlungen der vergangenen Tage und Wochen haben sich gelohnt. Die Ziellinie ist noch nicht überschritten, aber die großen Steine auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung sind von beiden Seiten aus dem Weg geräumt worden. Wir stehen zwei Tage vor Silvester, diese Zeit und den Jahreswechsel wollen wir noch für einen letzten Feinschliff nutzen.
Sebastian Kurz
Viele scheinbar unüberbrückbare Hürden wurden bereits überwunden. Einzelne wichtige Fragen sind noch offen und sollen in den nächsten Tagen geklärt werden. Wenn es uns gelingt, auch diese letzten offenen Punkte zu lösen, kann am nächsten Samstag beim Bundeskongress über den Eintritt der österreichischen Grünen in die Bundesregierung entschieden werden.
Werner Kogler