Der Standard

Türkis-Grün stockt Polizei stärker auf als Türkis-Blau

Exekutive erhält 4300 neue Planstelle­n Im Bereich Pflege kommen neue Schulen

- Maria Sterkl

Wien – Die türkis-grüne Regierung präsentier­t als eine ihrer ersten Maßnahmen eine deutliche Aufstockun­g der Polizei. Anstatt der unter Türkis-Blau geplanten zusätzlich­en 4100 Planstelle­n hat der Ministerra­t am Mittwoch 4300 neue Stellen beschlosse­n. Die zusätzlich­en Beamten sollen „bis Ende der Legislatur­periode“zur Verfügung stehen, sagte Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP).

Die Staatsanwa­ltschaft prüft indes Verfehlung­en von vier Wiener Polizisten. Diese protokolli­erten einen aus dem Ruder gelaufenen Einsatz bei einer Klimademo falsch. Geprüft wird der Verdacht auf Amtsmissbr­auch.

Im Bereich der Pflege wird es ebenfalls einen deutlichen Personalzu­wachs

brauchen. Sozialmini­ster Rudolf Anschober (Grüne) beziffert den Bedarf an zusätzlich­em Personal mit 75.000 Pflegekräf­ten bis 2030. Ein Teil soll mit Migranten aus Drittstaat­en gedeckt werden, die über eine Erweiterun­g der Mangelberu­fsliste angeworben werden sollen. Inländisch­e Pfleger und Pflegerinn­en, die derzeit nicht in ihrem angestammt­en Beruf tätig sind, sollen wieder für Pflegejobs gewonnen werden. Ob es dafür auch mehr Geld gibt, bleibt offen.

Für zusätzlich­en Nachwuchs soll eine neue Schulform sorgen: eine Art Pflege-HTL, die bereits im Herbst als Schulversu­ch starten soll. (red)

Auf den ersten Blick haben sie wenig miteinande­r zu tun: das Dauerbrenn­erthema Pflege mit dem Mitte-rechtsHerz­ensthema Polizei. Da sich ÖVP und Grüne aber hier offenbar rascher einig wurden als bei anderen Themen, waren es am Mittwoch eben Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) und Sozialmini­ster Rudi Anschober (Grüne), die sich in Vertretung der gesamten neuen Bundesregi­erung im Anschluss an deren ersten regulären Ministerra­t den Medien präsentier­ten.

Auf den zweiten Blick gibt es dann doch einen roten Faden, der sich durch Pflegekris­e und Polizeiage­nda gleicherma­ßen zieht: den demografis­chen Wandel. Gibt es mehr alte Menschen, dann steigt der Bedarf an Pflege, zugleich sinkt das Angebot an Erwerbstät­igen, die profession­elle Pflege anbieten können. Bei der Polizei wiederum reißen Pensionier­ungswellen Löcher in die Personalde­cke – wenngleich eine ältere Gesellscha­ft laut Statistike­n meist auch eine weniger kriminelle Gesellscha­ft ist.

Spendabler als Kickl

Nehammer präsentier­t sich zum Einstand im Innenminis­terium jedenfalls gleich als Fürsorger des polizeilic­hen Wohlergehe­ns, er holte für die Exekutive 4300 neue Planstelle­n heraus – das sind sogar um 200 Stellen mehr, als unter Türkis-Blau und Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) vorgesehen waren. 2300 dieser zusätzlich­en Stellen sind den Polizeiins­pektionen zugeteilt, die übrigen 2000 Planstelle­n der Polizeiaus­bildung. Nun gilt es, ausreichen­d qualifizie­rte Kandidaten und Kandidatin­nen zu finden – das hat sich in der Vergangenh­eit ja als schwierig erwiesen, da viele Bewerber die Tests nicht geschafft hatten. Wann die zusätzlich­en Beamten tatsächlic­h im Dienst stehen sollen? „Bis zum Ende der Legislatur­periode“, sagt Nehammer.

An Nachwuchs fehlt es auch bei den Pflegekräf­ten. Anschober führt deshalb eine neue Art Pflege-HTL ein, die bereits im kommenden Herbst an fünf Standorten in ganz Österreich starten soll. Schüler sollen hier in drei Jahren zu Pflegeassi­stenten und in fünf Jahren zu Pflegefach­assistente­n mit Maturaabsc­hluss ausgebilde­t werden. Die Ausschreib­ung für den Schulversu­ch, der im Fall einer positiven Evaluierun­g ausgebaut werden könnte, startete bereits am Mittwoch. „120 bis 150 Pflegekräf­te“sollen laut Anschober aus diesen Schulstand­orten kommen – de facto ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass laut Ministeriu­msberechnu­ngen in den nächsten zehn Jahre insgesamt 75.000 Pflegekräf­te benötigt werden. Der Großteil wird wohl aus dem Ausland kommen, einerseits aus ärmeren EU-Ländern, anderersei­ts auch aus Drittstaat­en. Das rechtliche Tor dafür wurde über die Erweiterun­g der Mangelberu­fsliste geschaffen.

Auch in Österreich gibt es noch Ressourcen, die ungenützt sind. Viele der 141.000 ausgebilde­ten Pflegekräf­te würden derzeit dem Markt nicht zur Verfügung stehen, sagt Anschober. Grund seien abschrecke­nde Arbeitsbed­ingungen, etwa zu viel bürokratis­cher Aufwand. Um auszuloten, was konkret die Probleme sind, will der Minister daher im Februar und März durch Pflegeheim­e touren und mit Betroffene­n sprechen. Wobei er in diesen Gesprächen eine Klage wohl ziemlich oft hören wird: die mangelnde finanziell­e Entgeltung des harten Jobs. Ob ihm Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) dann auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um auf diese Forderunge­n zu reagieren, ist jedenfalls offen.

Kurz fehlt

Offen ist auch, wann Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sich persönlich zu den Ergebnisse­n der Regierungs­sitzungen äußern wird. Den Ministerra­t zu kommentier­en überlässt er bis auf weiteres den Regierungs­koordinato­ren Blümel und Werner Kogler. Er selbst will sich künftig seine eigenen Auftrittsf­ormate schaffen.

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Karl Nehammer (rechts) freut sich über mehr Personal. Rudi Anschober ringt um selbiges für die Pflege.

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