Der Standard

Iran gibt Lügen zu und sieht Schuld an Abschuss bei USA

Zarif: Iraner demonstrie­ren, weil sie belogen wurden – Ukraine fordert Herausgabe der Flugschrei­ber

- Michael Vosatka

Eine Woche nach dem Abschuss einer ukrainisch­en Passagierm­aschine nahe der iranischen Hauptstadt Teheran hat der Iran erstmals zugegeben, über die Vorgänge die Unwahrheit gesagt zu haben. Der iranische Außenminis­ter Javad Zarif erklärte bei einem Besuch in Indien, die seit Tagen in Teheran demonstrie­renden Menschen würden protestier­en, weil sie belogen wurden.

Zarif sagte weiter, Präsident Hassan Rohani und er hätten erst am Freitag die Wahrheit herausgefu­nden. Die für den Abschuss verantwort­lichen Revolution­sgarden hätten jedoch sofort Bescheid gewusst. Gleichzeit­ig schob Zarif den USA die Schuld zu: Der „unverzeihl­iche Fehler“sei passiert, „weil es eine Krise gab“.

In der Nacht vor dem Abschuss hatte der Iran als Rache für die Tötung des Generals Ghassem Soleimani Anfang Jänner Militärbas­en im Irak angriffen und aus Angst vor einer Bestrafung durch die USA die Luftabwehr in Alarmberei­tschaft versetzt, ohne jedoch den Luftraum für Passagierf­lugzeuge zu sperren. Direkt nach dem Abschuss hatten offizielle Vertreter

des Iran „technische Probleme“für den Absturz verantwort­lich gemacht. Nachdem sich die Hinweise auf einen Abschuss durch Boden-Luft-Raketen verdichtet hatten, wurde dies gar als „wissenscha­ftlich unmöglich“bezeichnet. Alle 176 Insassen der Maschine – darunter viele Iraner – kamen ums Leben. Ein neu aufgetauch­tes Video einer Überwachun­gskamera zeigt, wie das Flugzeug nacheinand­er von zwei Raketen getroffen wird und brennend abstürzt. Am Mittwoch forderte die Ukraine von Teheran die Herausgabe der Flugschrei­ber. Da eine iranische Reaktion ausblieb, stellte Kiew eine zweite Anfrage.

Auch im Konflikt um den Atomdeal zeigt sich Teheran wenig kooperativ. Am Dienstag hatten Paris, Berlin und London den im Atomabkomm­en JCPOA vorgesehen­en Streitschl­ichtungsme­chanismus aktiviert, um den Deal noch zu retten. Rohani warnte in einer Reaktion, „falsche Schritte“ würden den Europäern nur schaden. Schon heute seien US-Truppen in der Region in Gefahr, morgen könnten auch die Europäer in Gefahr sein, drohte der Präsident.

„Hurensohn“Soleimani

US-Präsident Donald Trump erklärte unterdesse­n bei einer Rede in Wisconsin, Soleimani hätte schon vor zwanzig Jahren getötet werden sollen. Viele Menschen hätten unter der von ihm verursacht­en Gewalt gelitten, hunderte hätten bei Bombenansc­hlägen wegen dieses „Hurensohne­s“Gliedmaßen verloren, erklärte er in Milwaukee. In einer TV-Debatte kritisiert­en die Präsidents­chaftsbewe­rber der Demokraten Trump für die Begründung des Angriffs auf Soleimani. Joe Biden warf ihm vor, gelogen zu haben, Bernie Sanders warnte vor einem Krieg.

Londons Botschafte­r im Iran hat unterdesse­n der Agentur Irna zufolge das Land verlassen. Rob Macaire war am Samstag festgenomm­en worden, weil er ein Gedenken für die Opfer des Flugzeugab­schusses besucht hatte. Irans Justiz forderte seine Ausweisung. London zufolge war Macaires Reise lange geplant, ebenso seine Rückkehr in den Iran.

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Donald Trump rechtferti­gte bei einer Rede in Wisconsin den Angriff auf General Soleimani. Dieser habe viel Leid verursacht.

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