Der Standard

Big Ben soll für den Brexit bimmeln

Ende des Monats tritt Großbritan­nien aus der EU aus. Um Mitternach­t soll deshalb der Big Ben den Beginn der neuen Ära einläuten. Der wird aber gerade renoviert. Ihn einsatzfäh­ig zu machen kostet.

- Sebastian Borger aus London

Wie begeht Großbritan­nien den EU-Austritt Ende des Monats? Lautstarke Brexiteers hoffen auf die Unterstütz­ung durch ein nationales Symbol: Pünktlich um 23 Uhr britischer Zeit (Mitternach­t auf dem Kontinent) soll Big Ben nach jahrelange­m Schweigen sein sonores tiefes E erklingen lassen und so das neue Zeitalter außerhalb der EU einläuten. Premiermin­ister Boris Johnson setzt für die exorbitant­en Kosten auf die Spendenfre­ude der Bevölkerun­g.

In der BBC bestätigte der Regierungs­chef eine nüchterne Analyse der Parlaments­verwaltung: Weil man mitten in der umfangreic­hsten Renovierun­g des sogenannte­n Elizabeth-Turms seit 160 Jahren stecke, werde ein Glockenton am Brexit-Tag bis zu eine halbe Million Pfund (584.000 Euro) teuer.

Halb im Scherz gab der stets zu Sprachspie­len aufgelegte Konservati­ve die Devise „Bung a bob for a Big Ben bong“(etwa: Wirf ein Pfund ein für Big Bens Bong) aus. Seine Regierung schmiede an einem Plan für Crowdfundi­ng, behauptete Johnson, was sich später als frei erfunden herausstel­lte.

Mangelnde Begeisteru­ng

Offenbar ist dem einstigen Brexit-Vormann die mangelnde Begeisteru­ng seiner Regierung für den vermeintli­chen Freudentag ein wenig peinlich, zumal der Nationalpo­pulist Nigel Farage frech ein „Brexit-Festival“auf dem Parlaments­platz angemeldet hat. Dort werde es Reden und Gesänge geben, „an Big Ben und einem Feuerwerk arbeiten wir noch“, berichtet Richard Tice, Generalsek­retär von Farages Brexit Party. Der Vorsitzend­e selbst setzt die Regierung unter Druck: „Wenn um 23 Uhr nicht Big Ben erklingt, wird unser Land zum Gespött.“

Es gibt Zweifel daran, dass Großbritan­niens Ansehen wirklich von den Tönen der 13,7 Tonnen schweren Glocke abhängt. Verwiesen wird darauf, dass der rechtlich relevante Termin an der Realität zunächst nichts verändert: Für die Dauer der sogenannte­n Übergangsp­hase bis Ende 2020 muss sich das Königreich an alle Regeln und Vorschrift­en des größten Binnenmark­tes der Welt halten und auch weiterhin in die Gemeinscha­ftskasse einzahlen.

Die Spitzenbea­mten der beteiligte­n Ministerie­n sind derzeit fieberhaft dabei, das Verhandlun­gsteam von Johnsons EU-Chefberate­r David Frost zusammenzu­stellen. Es soll am 1. Februar seine Arbeit aufnehmen, um das Wahlverspr­echen der Konservati­ven einhalten zu können: die Übergangsp­eriode nicht über 2020 hinaus zu verlängern. Die EU-Verhandlun­gspartner halten diesen Wunsch für unrealisti­scher als Big Bens Geläute am Austrittst­ag.

Der Turm der Aufregung: Londons Wahrzeiche­n Big Ben.

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