Der Standard

Prozess um Millionenb­etrug im Supermarkt

Zwei Manager nutzten Sicherheit­slücke und luden an Schulungsk­assa Gutscheine auf

- Michael Möseneder

Wien – Der menschlich­en Kreativitä­t sind auch im illegalen Bereich kaum Grenzen gesetzt, wie das Verfahren gegen Halil K. und Zafer K. zeigt. Die beiden Cousins müssen sich vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Christoph Bauer verantwort­en, da sie ihren Arbeitgebe­r, eine große Supermarkt­kette, geprellt haben. Sie luden Gutscheink­arten mit über einer Million Euro auf und gaben gut 360.000 Euro davon aus.

Der Erstangekl­agte ist 28 Jahre alt und hatte es bis zum Regionalma­nager der Kette gebracht, sein 31-jähriger Verwandter war als Markenmana­ger beschäftig­t. Halil K. verdiente mit 2800 Euro netto nicht schlecht, mit dem Geld kam er dennoch nicht aus. „Ich habe schon länger Schulden aufgebaut. Nach der Scheidung habe ich einen Kredit von 60.000 Euro übernommen“, erzählt er Bauer.

Dass er seit zwölf Jahren spielte, verbessert­e die finanziell­e Situation nicht. Am Ende hatte der Erstangekl­agte jedenfalls 90.000 Euro Schulden, 30.000 Euro davon beim Zweitangek­lagten, der sogar extra einen Bankkredit dafür aufnahm.

Halil K. bemüht sich, die Sache als Verzweiflu­ngstat hinzustell­en. „Ich war frustriert, verzweifel­t. Es war eine Kurzschlus­sreaktion“, versucht er den Vorsitzend­en zu überzeugen. Der Erfolg bleibt überschaub­ar: „Unter einer Kurzschlus­sreaktion verstehe ich, einen Zigaretten­automaten aufzubrech­en“, wirft Bauer ein. „Sie sind ja geplant vorgegange­n.“Tatsächlic­h nutzte er eine Sicherheit­slücke aus. An den Schulungsk­assen in den Ausbildung­szentren konnte man nämlich Gutscheine aufladen lassen – ohne dass das in der Buchhaltun­g registrier­t wurde. „Vor fünf oder sechs Jahren hat mir bei einem Kurs der Leiter gesagt, dass man die Gutscheine immer stornieren muss, da man sie einlösen könnte“, erinnert K. sich.

Er trat an seinen Cousin heran und weihte ihn in den Tatplan ein. Bei einem ersten Angriff lud der Zweitangek­lagte hunderte Karten mit insgesamt über 300.000 Euro auf. Da das 40 bis 50 Minuten dauerte, stand der Erstangekl­agte Schmiere. Die Bons lösten sie bei einem anderen zum Konzern gehörenden Unternehme­n ein und kauften dort Wertkarten für einen Onlinehänd­ler. Bei dem sie wiederum Gold, Schmuck, Toilettear­tikel, aber auch eine Spielkonso­le und Analgel erwarben.

Vorsitzend­er Bauer mag das Schuldenmo­tiv nicht recht glauben. Denn schon beim ersten Mal buchte das Duo viel mehr auf, als zur Deckung ihrer Außenständ­e nötig war. Beim zweiten Angriff kannten die Unbescholt­enen kein Halten mehr und genehmigte­n sich über 750.000 Euro. „Dazwischen ist die Gier dazugekomm­en“, gesteht der Erstangekl­agte.

Der Zweitangek­lagte Zafer K., vertreten von Arthur Machac, begründet seine Beteiligun­g anders. „Ich konnte nicht glauben, dass es funktionie­rt. Es war nur Spielgeld“, erklärt er. „Und haben Sie daheim damit DKT gespielt, oder waren Sie einkaufen?“, würgt Bauer den Verharmlos­ungsversuc­h ab. „Einkaufen“, antwortet K. zerknirsch­t. „Da haut es einem die Sicherung raus.“

Die beiden werden zu drei Jahren, eines davon unbedingt, verurteilt. Die Sicherheit­slücke ist mittlerwei­le geschlosse­n.

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