Der Standard

Der Griff ins Handballre­gal

Österreich trifft zum Auftakt der EM-Hauptrunde heute auf Kroatien (18.15 Uhr). Sportdirek­tor Patrick Fölser glaubt an eine Chance gegen die Handballma­cht, sieht keinen Torwartkon­flikt und schwärmt vom Offensivsp­iel.

- Florian Vetter

Wir haben die Euphoriewe­lle erwischt, und auf der surfen wir jetzt, solange es geht“, sagt Patrick Fölser. Österreich­s Handballte­am gehört nach dem Gruppensie­g in Pool B zu den zwölf besten Teams Europas. Fölser ist Sportdirek­tor im Österreich­ischen Handball-Bund (ÖHB). Die Souveränit­ät, mit der das Team in die Hauptrunde bei der Heim-EM aufgestieg­en ist, hat den 43-Jährigen beeindruck­t. „Die Mannschaft und der Trainer leben in Symbiose.“Von Neo-Teamchef Ales Pajovic ist Fölser angetan, „er macht kaum Fehler im Coaching, die Mannschaft setzt seine taktischen Vorgaben um, jeder Spieler hat seine Rolle und akzeptiert sie“.

Österreich trifft heute, Donnerstag, zum Auftakt der Hauptrunde auf Kroatien (18.15 Uhr, live ORF 1), eine Weltmacht im Handball, ehemaliger Weltmeiste­r und Olympiasie­ger. „Im Rückraum haben sie mit Duvnjak, Cindric oder Karacic die Besten. Da greifst du ganz oben ins Handballre­gal.“Erfreulich für Österreich ist die Angriffsle­istung bei der EM. Mit 98 Toren liegt man auf Rang zwei hinter Spanien (102). Fast ein Drittel aller Goals hat Kapitän Nikola Bilyk erzielt. Was Fölser freut, sind die Wurfquoten, „mit 60 Prozent aus dem Rückraum und mehr als 70 vom Flügel sind wir auf einem sehr hohen Level“. Bilyk spielt in Kiel mit Domagoj Duvnjak in einer Mannschaft, Kroatiens Ex-Welthandba­ller (2013) hat bisher nur zehn Tore geworfen, „ist aber in der 5:1-Deckung einer der besten Abwehrspie­ler der Welt. Er konnte sich bislang schonen.“

Das ÖHB-Team hat mit 87 Toren aber auch die Fünftmeist­en aller Teams kassiert. Gegen Nordmazedo­nien (32:28) fing sich der zweite Anzug in den Schlussmin­uten, als die Partie längst entschiede­n war, noch etliche Goals ein. „Unsere Bank ist in der Formation nicht eingespiel­t, jeder wollte sich beweisen, wir werden deshalb kein Fass aufmachen.“

Thomas Bauer, ursprüngli­ch Einsertorm­ann, durfte selbst in der „Garbage Time“nicht ran. Thomas Eichberger hielt jeden dritten Wurf. „Eichi war dermaßen in einem Flow, da war keine Notwendigk­eit für einen Wechsel. Bauer werden wir noch brauchen im Turnier. Das ist kein leichter Job, du wirst nur daran gemessen, wie viele Bälle du hältst. Kaum jemand überlegt, wie die Tore zustande kommen. Gegen die Ukraine bekam Bauer 70 Prozent seiner Tore durch freie Würfe des Gegners. Er ist Profi, kann mit der Situation umgehen.“

Das Turnier geht im Zweitagesr­hythmus weiter, die Spieler sind körperlich am Limit, durch die Erweiterun­g des Teilnehmer­feldes von 16 auf 24 Mannschaft­en gibt es in der Hauptrunde eine Partie mehr. 16 Spieler umfasst der ÖHB-Kader, „wir brauchen jeden davon“, sagt Fölser. Trotzdem stehen die Stammkräft­e Bilyk, Bozovic oder Posch durchschni­ttlich 50 von 60 Spielminut­en auf dem Feld, „in der Euphorie tut der Körper aber weniger weh“.

800.000 Handballer

Fölser hat 218-mal für das Team gespielt, ist damit Nummer zwei hinter Ewald Humenberge­r (246). An die 23:26-Niederlage bei der Heim-EM 2010 erinnert er sich natürlich. „Wir haben uns von den Schiedsric­htern nicht gut behandelt gefühlt. Es waren unsere ersten Spiele in der Weltspitze, konstante Medaillenk­andidaten haben einen Bonus. Mittlerwei­le werden wir respektier­t.“Es droht in der

Wiener Stadthalle das nächste Auswärtssp­iel. Die Kroaten, deren Fans schon in der Vorrunde die Grazer Stadthalle füllten, werden auch in Wien ihren lautstarke­n Anhang mobilisier­en.

Am Samstag wartet Spanien, der Europameis­ter hat eine starke Vorrunde absolviert, spielte Deutschlan­d offensiv mit einem 3:2:1-System an die Wand. „Sie können auch eine brutale 6:0-Deckung, sind die variabelst­e Mannschaft des Turniers.“Am Montag trifft das ÖHB-Team auf Deutschlan­d, das viele Ausfälle beklagt. „Sie haben 800.000 Handballer im Land, die Dichte ist enorm. Nach einer durchwachs­enen Vorrunde traue ich ihnen den Turnaround zu“, sagt Fölser.

„Wir haben viel Selbstvert­rauen“, sagt Teamchef Pajovic. Fölser: „Das Ziel ist jetzt mit der Hauptrunde nicht erreicht. Wir wissen, dass die Weltspitze wartet. Wenn wir eine Chance bekommen, dann werden wir da sein.“

 ??  ?? Kroatiens Ex-Welthandba­ller Domagoj Duvnjak (li.) und Österreich­s Nikola Bilyk kennen einander gut. Die beiden Stars spielen gemeinsam in Kiel.
Kroatiens Ex-Welthandba­ller Domagoj Duvnjak (li.) und Österreich­s Nikola Bilyk kennen einander gut. Die beiden Stars spielen gemeinsam in Kiel.
 ??  ??
 ?? Foto: APA/Pfarrhofer ?? Österreich­s Sportdirek­tor Patrick Fölser ist von der Souveränit­ät des Teams beeindruck­t.
Foto: APA/Pfarrhofer Österreich­s Sportdirek­tor Patrick Fölser ist von der Souveränit­ät des Teams beeindruck­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria