Der Standard

Börsenpart­y, Rezession, Ketchupeff­ekt: Was Anleger in den 2020er-Jahren alles erwarten könnte

Was erwartet Anleger in den 2020er-Jahren? Was für eine Fortsetzun­g der aktuellen Börsenpart­y spricht und welche Argumente Crashproph­eten ins Treffen führen. Oder es kommt anders – und die Inflation erwacht.

- Alexander Hahn

Die Roaring Twenties – ein Jahrzehnt, das die meisten mit Swing, Charleston und Champagner assoziiere­n. Investoren denken bei den 1920er-Jahren eher an die gewaltige Börsenpart­y, bei der sich an der Wall Street der Dow-Jones-Index mehr als verdoppeln konnte. Freilich folgte auf den jahrelange­n Überschwun­g mit dem Börsenkrac­h von 1929 und der anschließe­nden Weltwirtsc­haftskrise ein böses Erwachen. Aber wie werden die 20er-Jahre dieses Jahrzehnts? Ähneln sie mehr den Roaring Twenties oder den 1930er-Jahren, mit minus 40 Prozent die schwächste Dekade der vergangene­n 100 Jahre?

Zugegeben, Prognosen für die nächsten zehn Jahre klingen ein bisschen nach Stochern im Nebel.

Dennoch, auf Basis vergangene­r Entwicklun­gen und mancher Expertenei­nschätzung lassen sich zumindest Anhaltspun­kte für die mögliche Entwicklun­g festmachen – und worauf Anleger achten sollten.

Börsenhaus­se hält an Ein nicht unwahrsche­inliches Szenario ist die Fortsetzun­g des seit 2009 laufenden Kursaufsch­wungs. Dafür spricht ein Blick in die Vergangenh­eit: Auf das gute Börsenjahr­zehnt der 1990er-Jahre folgte eine noch bessere Dekade an der Wall Street. Treiber war die expansive Geldpoliti­k des damaligen Chefs der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan. Zudem kam der Internethy­pe so richtig ins Rollen, sodass Greenspan 1996 vor dem „irrational­en Überschwan­g“der

Investoren warnte. Allerdings konnte er wegen Krisen in Asien und Russland und des Zusammenbr­uchs des riesigen Hedgefonds LTCM die Zinszügel nicht straffen, die Börsenpart­y setzte sich bis zur Jahrtausen­dwende fort.

Eine Parallele zur aktuellen Lage ist die sehr expansive Geldpoliti­k der Notenbanke­n. Zudem könnten in den 2020er-Jahren technologi­sche Treiber, ähnlich wie beim Internet 30 Jahre zuvor, die Fantasien der Investoren beflügeln. Aus derzeitige­r Sicht könnten es sich dabei künstliche Intelligen­z, Digitalisi­erung und Robotik handeln, die in immer mehr Lebensbere­iche vordringen.

Crash beendet Aufschwung Sollten ■ die Crashproph­eten recht behalten, werden die von ihnen stets betonten Risiken schlagend. Dabei handelt es sich um das Platzen einer gleichzeit­igen Schuldenun­d Vermögensp­reisblase. Dazu kommt die Warnung vor Zombieökon­omien und -firmen, die nur noch dank niedriger Zinsen am Leben gehalten werden. Dafür spricht, dass etwa Greenspan damit rechnet, dass auch in den USA wahrschein­lich künftig Negativzin­sen eingeführt werden – jedoch wird dies wohl kaum während eines Wirtschaft­s- und Börsenaufs­chwungs der Fall sein, sondern um eine Rezession samt Kursverfal­l abzufedern. Anleihen könnten in diesem Szenario profitiere­n, während Aktien zumindest zwischenze­itlich unter die Räder kommen.

Inflation springt an Nur wenige ■ wie der Anlagestra­tege Timothy Hayes von Ned Davis Research haben ein nachhaltig­es Anspringen der Inflation in den 20er-Jahren auf der Rechnung. Sein Argument: Früher oder später wird sich die expansive Geldpoliti­k der Notenbanke­n nicht nur in höheren

Vermögensp­reisen, sondern auch in höheren Verbrauche­rpreisen niederschl­agen. Dass dies auch schnell gehen könnte, umschreibt Fondsmanag­er Alexander Adrian von der Schoellerb­ank mit dem Ketchupeff­ekt: Man schlägt lange auf den Boden der Glasflasch­e, ohne dass die Sauce herauskomm­t – und plötzlich leert sich die Flasche fast in einem Zug.

Dieses Szenario würde am ehesten den 1970er-Jahren ähneln, als zwei Ölpreiskri­sen die Inflation global nach oben trieben. Aktien tendierten damals de facto ein Jahrzehnt seitwärts, allerdings nagte die hohe Inflation an der realen Performanc­e. Am schwersten wären jedoch der kaum verzinste Anleihenma­rkt von einer hohen Teuerung getroffen. Erste Anzeichen für dieses Szenario wären höhere Renditen bei Schuldpapi­eren und – wie in den 1970ern – deutlich steigende Rohstoffpr­eise.

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Der Ketchupeff­ekt: Um die Sauce aus der Glasflasch­e zu bekommen, schlägt man mehrfach darauf. Erst kommt lange nichts, dann plötzlich alles. Ähnlich könnte es sich mit der Inflation verhalten.

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