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Ein verpflichtender Filter, wie ihn die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ vorgesehen hatte, wird nicht kommen. Jedoch sollen Angebote für Eltern etabliert werden. Bedenken gibt es in Bezug auf die Netzneutralität.
Der Wiener Spieleentwickler Thomas Mahler arbeitet oft von sechs bis drei Uhr früh.
Filter, die den Besuch pornografischer Webseiten blockieren, sofern Nutzer sich bei ihrem Provider nicht explizit dagegen aussprechen: Das war einer der Pläne der türkis-blauen Regierung. Dem Vernehmen nach stand die Vorstellung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs kurz bevor, als der Ibiza-Skandal die Koalition sprengte. Auch im türkis-grünen Regierungsprogramm ist der Umgang mit Pornografie im Netz wieder Thema – wenig verwunderlich, gilt doch ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler als eine der größten Verfechterinnen der Maßnahme. In der Vergangenheit waren sich die Parteien im Parlament einig, dass ein stärkerer Kinderschutz im Netz notwendig ist – wie genau vorgegangen werden soll, blieb jedoch offen.
Im Regierungsprogramm ist nun die Rede von einem „leichten, kostenlosen und freiwilligen Zugang zu Schutzfiltern“. Wie der grüne Abgeordnete Süleyman Zorba, der netzpolitische Agenden behandelt, auf STANDARD-Anfrage erklärt, gibt es hierbei ein „Bekenntnis zur Zensurfreiheit im Internet“. „Ein Mechanismus wie in Großbritannien ist nicht vorgesehen“, sagt Zorba. Eher gehe es darum, Angebote für Eltern zu etablieren. Laut der ÖVP-Abgeordneten Kugler ist die konkrete Umsetzung der Maßnahmen noch offen. „Ich würde mir wünschen, dass man, wenn man sich erstmals bei seinem Serviceprovider anmeldet, auf einer Oberfläche auswählen kann, welche Bereiche man filtern möchte“, sagt sie im STANDARDGespräch. Dabei gehe es nicht nur um Pornografie, sondern beispielsweise auch um Webseiten mit Glücksspielangeboten und Gewaltdarstellungen. „Es gibt gute Beispiele aus England, wo man dieses Angebot einfach und kostenlos in Anspruch nehmen kann“, sagt Kugler. „Das Ziel ist, einen Weg zu finden, der die Meinungsfreiheit schützt und gleichzeitig die Netzneutralität sichert.“
In Großbritannien gibt es zahlreiche Bestrebungen zur Zensur pornografischer Inhalte – zuletzt im vergangenen Jahr. Pornoplattformen sollten dazu verpflichtet werden, das Alter ihrer Nutzer zu überprüfen. Die Pläne wurden im Oktober gekippt. Kritiker hatten moniert, dass Jugendliche die Hürden ohnehin leicht umgehen könnten – etwa über virtuelle Netzwerke, die die eigene Identität verschleiern. „Kein Filter kann das Gespräch mit dem Kind ersetzen“, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär des Providerverbands Ispa. Zudem gab es Bedenken in Hinblick auf die Privatsphäre – denn Plattformen hätten Daten über Nutzeridentitäten speichern müssen. Hierzulande sollen Provider Inhalte filtern. Schon jetzt gibt es von Anbietern wie „3“, Magenta und A1 sogenannte „Kindersicherungen“. Aktuell sind diese kostenpflichtig. „Wir wollen ein kostenloses Angebot. Wie das im Detail passiert, ist noch nicht ausgearbeitet“, sagt Kugler. Die aktuellen Angebote könnten gegen die Netzneutralität verstoßen. Diese sieht vor, dass jeder Datenverkehr im Internet gleich behandelt werden muss. Sperren darf es nur ausnahmsweise nach richterlicher oder behördlicher Anordnung geben oder wenn ein Gesetz das deutlich vorschreibt. Dann müssten die zu filternden Inhalte im Wortlaut klar definiert werden. Das gilt nur für Sperren, die direkt im Netz forciert werden. Somit sind über den Router konfigurierte oder auf dem Endgerät eingesetzte Filter erlaubt, Angebote wie die „A1-Kindersicherung“wohl nicht.
Datenschützer kritisieren
Sollte die Netzneutralität, die derzeit evaluiert wird, so bleiben, wie sie ist, erscheint es fraglich, ob gesetzlich vorgeschriebene Kinderschutzmaßnahmen rechtskonform wären. „Netzseitige Internetfilter auf Basis der Geschäftsbedingungen sind nicht mit der Netzneutralität vereinbar“, sagt Thomas Lohninger von der Grundrechtsorganisation Epicenter Works. Die Regulierungsbehörde RTR müsste in einem solchen Fall dagegen vorgehen. Filtermöglichkeiten gebe es ohnehin, beispielsweise durch Apps. „Jugendschutzfilter im Mobilfunknetz kann jedes Kind mit einem simplen WLAN umgehen. Der von der ÖVP vorgeschlagene englische Weg ist ineffizient für den Jugendschutz, gefährlich für die Netzfreiheit und klar europarechtswidrig“, kritisiert der Netzaktivist.