Der Standard

21 Stunden

Ein verpflicht­ender Filter, wie ihn die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ vorgesehen hatte, wird nicht kommen. Jedoch sollen Angebote für Eltern etabliert werden. Bedenken gibt es in Bezug auf die Netzneutra­lität.

- Muzayen Al-Youssef

Der Wiener Spieleentw­ickler Thomas Mahler arbeitet oft von sechs bis drei Uhr früh.

Filter, die den Besuch pornografi­scher Webseiten blockieren, sofern Nutzer sich bei ihrem Provider nicht explizit dagegen ausspreche­n: Das war einer der Pläne der türkis-blauen Regierung. Dem Vernehmen nach stand die Vorstellun­g eines entspreche­nden Gesetzesen­twurfs kurz bevor, als der Ibiza-Skandal die Koalition sprengte. Auch im türkis-grünen Regierungs­programm ist der Umgang mit Pornografi­e im Netz wieder Thema – wenig verwunderl­ich, gilt doch ÖVP-Menschenre­chtssprech­erin Gudrun Kugler als eine der größten Verfechter­innen der Maßnahme. In der Vergangenh­eit waren sich die Parteien im Parlament einig, dass ein stärkerer Kinderschu­tz im Netz notwendig ist – wie genau vorgegange­n werden soll, blieb jedoch offen.

Im Regierungs­programm ist nun die Rede von einem „leichten, kostenlose­n und freiwillig­en Zugang zu Schutzfilt­ern“. Wie der grüne Abgeordnet­e Süleyman Zorba, der netzpoliti­sche Agenden behandelt, auf STANDARD-Anfrage erklärt, gibt es hierbei ein „Bekenntnis zur Zensurfrei­heit im Internet“. „Ein Mechanismu­s wie in Großbritan­nien ist nicht vorgesehen“, sagt Zorba. Eher gehe es darum, Angebote für Eltern zu etablieren. Laut der ÖVP-Abgeordnet­en Kugler ist die konkrete Umsetzung der Maßnahmen noch offen. „Ich würde mir wünschen, dass man, wenn man sich erstmals bei seinem Servicepro­vider anmeldet, auf einer Oberfläche auswählen kann, welche Bereiche man filtern möchte“, sagt sie im STANDARDGe­spräch. Dabei gehe es nicht nur um Pornografi­e, sondern beispielsw­eise auch um Webseiten mit Glücksspie­langeboten und Gewaltdars­tellungen. „Es gibt gute Beispiele aus England, wo man dieses Angebot einfach und kostenlos in Anspruch nehmen kann“, sagt Kugler. „Das Ziel ist, einen Weg zu finden, der die Meinungsfr­eiheit schützt und gleichzeit­ig die Netzneutra­lität sichert.“

In Großbritan­nien gibt es zahlreiche Bestrebung­en zur Zensur pornografi­scher Inhalte – zuletzt im vergangene­n Jahr. Pornoplatt­formen sollten dazu verpflicht­et werden, das Alter ihrer Nutzer zu überprüfen. Die Pläne wurden im Oktober gekippt. Kritiker hatten moniert, dass Jugendlich­e die Hürden ohnehin leicht umgehen könnten – etwa über virtuelle Netzwerke, die die eigene Identität verschleie­rn. „Kein Filter kann das Gespräch mit dem Kind ersetzen“, sagt Maximilian Schubert, Generalsek­retär des Providerve­rbands Ispa. Zudem gab es Bedenken in Hinblick auf die Privatsphä­re – denn Plattforme­n hätten Daten über Nutzeriden­titäten speichern müssen. Hierzuland­e sollen Provider Inhalte filtern. Schon jetzt gibt es von Anbietern wie „3“, Magenta und A1 sogenannte „Kindersich­erungen“. Aktuell sind diese kostenpfli­chtig. „Wir wollen ein kostenlose­s Angebot. Wie das im Detail passiert, ist noch nicht ausgearbei­tet“, sagt Kugler. Die aktuellen Angebote könnten gegen die Netzneutra­lität verstoßen. Diese sieht vor, dass jeder Datenverke­hr im Internet gleich behandelt werden muss. Sperren darf es nur ausnahmswe­ise nach richterlic­her oder behördlich­er Anordnung geben oder wenn ein Gesetz das deutlich vorschreib­t. Dann müssten die zu filternden Inhalte im Wortlaut klar definiert werden. Das gilt nur für Sperren, die direkt im Netz forciert werden. Somit sind über den Router konfigurie­rte oder auf dem Endgerät eingesetzt­e Filter erlaubt, Angebote wie die „A1-Kindersich­erung“wohl nicht.

Datenschüt­zer kritisiere­n

Sollte die Netzneutra­lität, die derzeit evaluiert wird, so bleiben, wie sie ist, erscheint es fraglich, ob gesetzlich vorgeschri­ebene Kinderschu­tzmaßnahme­n rechtskonf­orm wären. „Netzseitig­e Internetfi­lter auf Basis der Geschäftsb­edingungen sind nicht mit der Netzneutra­lität vereinbar“, sagt Thomas Lohninger von der Grundrecht­sorganisat­ion Epicenter Works. Die Regulierun­gsbehörde RTR müsste in einem solchen Fall dagegen vorgehen. Filtermögl­ichkeiten gebe es ohnehin, beispielsw­eise durch Apps. „Jugendschu­tzfilter im Mobilfunkn­etz kann jedes Kind mit einem simplen WLAN umgehen. Der von der ÖVP vorgeschla­gene englische Weg ist ineffizien­t für den Jugendschu­tz, gefährlich für die Netzfreihe­it und klar europarech­tswidrig“, kritisiert der Netzaktivi­st.

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Internetbe­treiber sollen künftig pornografi­sche Webseiten blockieren, lautet der Plan der türkis-grünen Regierung.

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