„Ich arbeite oft von sechs bis drei Uhr früh“
Thomas Mahler ist Chef des Wiener Spieleentwicklers Moon Studios, der mit „Ori and the Blind Forest“einen weltweiten Hit erzielte. Nun steht der Release des Nachfolgers bevor.
Extravagant sieht es bei der Wiener Spieleschmiede Moon Studios nicht aus. Hinter einer fast schon unscheinbaren Glasfassade in der Neustiftgasse im siebenten Bezirk entsteht aktuell eines der wichtigsten Games des Jahres: Nach dem Millionenhit Ori and the Blind Forest steht mit Ori and the Will of the Wisps das nächste Abenteuer mit dem liebevoll gestalteten Schutzgeist bevor. Als Kopf des Projekts agiert der Wiener Thomas Mahler, der ein internationales Team leitet, das über den ganzen Globus verteilt ist.
STANDARD: „Ori and the Will of the Wisps“erscheint am 11. März. Wie schlafen Sie momentan?
Mahler: Schlecht. Ich schlafe seit Monaten schlecht. Es ist so viel zu tun. Ich arbeite an zwei Projekten und habe auch noch einen zwei Jahre alten Sohn. Bei Will of the Wisps sind für mich noch 160 Bugs offen. Wir kommen aber ganz gut voran.
STANDARD: Wie kann man sich diese letzte Phase vorstellen? Mahler: Für jeden unterschiedlich. Ich kann nicht ohne viel Arbeit und will auch Gewissheit, dass ich hundert Prozent gegeben habe. Mir gibt es auch ein gutes Gefühl, wenn ich hart gearbeitet habe. Mein Tagesablauf ist aktuell so, dass mich mein Sohn um sechs Uhr in der Früh aufweckt – eigentlich war ich immer ein Langschläfer. Dann arbeite ich oft bis zwei oder drei Uhr in der Früh. Ohne kurze Powernaps würde ich den Tag nicht überstehen.
STANDARD: „Ori and the Blind Forest“war ein riesiger Erfolg. Wie verbessert man ein ohnehin schon sehr gutes Spiel?
Mahler: Wir haben uns angeschaut, welche Mechaniken wir verbessern können – eine große
Sache war das Kampfsystem. Wir haben natürlich auch die Basis des Spiels verfeinert, die Welt vergrößert und zudem neue Charaktere hinzugefügt. Auch der Ablauf des Games ist nun nicht mehr linear, ab dem zweiten Abschnitt kann man frei entscheiden, wo man als Nächstes hingeht. Ori and the Will of the Wisps bringt auch eine bessere Wiederspielbarkeit mit sich. Wir wollen einfach einen Schritt wie von
Super Mario Bros. 1 auf
Super Mario Bros. 3 bieten.
STANDARD: Sind Sie immer noch der Meinung, dass man ins Ausland gehen muss, um an einem Topgame mitzuarbeiten?
Mahler: Es fehlt hierzulande an den Talenten, und es fehlt das Budget. Videospiele zu machen ist superteuer. Unser Action-RPG ist ein Triple-A-Spiel – Sie können sich vorstellen, wie viel Geld dafür nötig ist. Das hast du in Österreich einfach nicht. Und es gibt hierzulande auch keine Leute, die bei internationalen Entwicklern gearbeitet haben, wo sie wirklich Erfahrungen sammeln konnten. In Österreich sind nur Leute, die irgendeinen Mobile-Shit gemacht und vielleicht ein bisschen Geld verdient haben. Es gibt aber einen Unterschied zwischen „Ich kann meine Firma halten“und „Ich mache ein Meisterwerk“. Die einzige Art und Weise, wie wir überleben, ist, dass wir Titel machen, die die Industrie braucht und die wichtig für den Markt sind. Das hat auch bei Microsoft funktioniert. Dass wir als kleines Indie-Studio für Microsoft so wichtig werden, hätten wir uns damals nicht denken können. Heute sind wir einer der Entwickler, die die höchstqualitativen Spiele für sie liefern. Das ist cool, und darauf bin ich auch stolz.
STANDARD: Videospiele werden zum ersten Mal im österreichischen Regierungsprogramm erwähnt – allerdings nur hinsichtlich E-Sport. Fühlen Sie sich als Entwickler im Stich gelassen? Mahler: Ehrlich gesagt ignoriere ich die Politik. Es macht für mich einfach keinerlei Unterschied, da es in Österreich ohnehin keine
Förderungen gibt. Ich war bereits bei Treffen mit Digitalministerin Margarete Schramböck, um ihr zu sagen, dass sie bei den Schulen ansetzen soll, um Talente hervorzubringen. Die Videospielindustrie erwirtschaftet mehr Geld als die Musik- und Filmindustrie zusammen – das ist doch komplett bescheuert, dass das von der österreichischen Regierung komplett ignoriert wird. Es braucht ja im Grunde nur einen klugen Kopf, um ein Spiel zu entwickeln – siehe etwa Minecraft. Die Regierung verabsäumt einfach, was das mittlerweile für eine riesige Industrie geworden ist, die massig Geld einbringen kann. Ich zahle etwa Millionen Euro Steuern an den österreichischen Staat. Es müssen in diesem Bereich einfach Förderungen für junge Leute und Änderungen im Bildungssystem her, damit dieses progressiver wird. Es darf einfach nicht passieren, dass Kinder in Schulen vergessen werden.
STANDARD: Zuletzt noch: Für viele sind Videospiele ein Rückzugsort. Was macht Thomas Mahler eigentlich nach einem anstrengenden Arbeitstag?
Mahler: Ich rede mit meiner Freundin. Offene Gespräche sind mir extrem wichtig – auch für meine Arbeit. Dieses Pingpong ist für mich ein gewisser Ausgleich. Natürlich spiele ich aber auch Videospiele. Ich bin ein riesiger Dark Souls-Fan und nutze auch viele Retro-Games. Bei älteren Spielen war alles noch simpler und auf das Wichtigste abstrahiert.
THOMAS MAHLER (36) wurde in WienSimmering geboren und absolvierte ein Bildhauerstudium. Er war bei Blizzard USA als Cinematic Artist tätig, bis er 2010 Moon Studios gründete.