Der Standard

„Ich arbeite oft von sechs bis drei Uhr früh“

Thomas Mahler ist Chef des Wiener Spieleentw­icklers Moon Studios, der mit „Ori and the Blind Forest“einen weltweiten Hit erzielte. Nun steht der Release des Nachfolger­s bevor.

- INTERVIEW: Daniel Koller

Extravagan­t sieht es bei der Wiener Spieleschm­iede Moon Studios nicht aus. Hinter einer fast schon unscheinba­ren Glasfassad­e in der Neustiftga­sse im siebenten Bezirk entsteht aktuell eines der wichtigste­n Games des Jahres: Nach dem Millionenh­it Ori and the Blind Forest steht mit Ori and the Will of the Wisps das nächste Abenteuer mit dem liebevoll gestaltete­n Schutzgeis­t bevor. Als Kopf des Projekts agiert der Wiener Thomas Mahler, der ein internatio­nales Team leitet, das über den ganzen Globus verteilt ist.

STANDARD: „Ori and the Will of the Wisps“erscheint am 11. März. Wie schlafen Sie momentan?

Mahler: Schlecht. Ich schlafe seit Monaten schlecht. Es ist so viel zu tun. Ich arbeite an zwei Projekten und habe auch noch einen zwei Jahre alten Sohn. Bei Will of the Wisps sind für mich noch 160 Bugs offen. Wir kommen aber ganz gut voran.

STANDARD: Wie kann man sich diese letzte Phase vorstellen? Mahler: Für jeden unterschie­dlich. Ich kann nicht ohne viel Arbeit und will auch Gewissheit, dass ich hundert Prozent gegeben habe. Mir gibt es auch ein gutes Gefühl, wenn ich hart gearbeitet habe. Mein Tagesablau­f ist aktuell so, dass mich mein Sohn um sechs Uhr in der Früh aufweckt – eigentlich war ich immer ein Langschläf­er. Dann arbeite ich oft bis zwei oder drei Uhr in der Früh. Ohne kurze Powernaps würde ich den Tag nicht überstehen.

STANDARD: „Ori and the Blind Forest“war ein riesiger Erfolg. Wie verbessert man ein ohnehin schon sehr gutes Spiel?

Mahler: Wir haben uns angeschaut, welche Mechaniken wir verbessern können – eine große

Sache war das Kampfsyste­m. Wir haben natürlich auch die Basis des Spiels verfeinert, die Welt vergrößert und zudem neue Charaktere hinzugefüg­t. Auch der Ablauf des Games ist nun nicht mehr linear, ab dem zweiten Abschnitt kann man frei entscheide­n, wo man als Nächstes hingeht. Ori and the Will of the Wisps bringt auch eine bessere Wiederspie­lbarkeit mit sich. Wir wollen einfach einen Schritt wie von

Super Mario Bros. 1 auf

Super Mario Bros. 3 bieten.

STANDARD: Sind Sie immer noch der Meinung, dass man ins Ausland gehen muss, um an einem Topgame mitzuarbei­ten?

Mahler: Es fehlt hierzuland­e an den Talenten, und es fehlt das Budget. Videospiel­e zu machen ist superteuer. Unser Action-RPG ist ein Triple-A-Spiel – Sie können sich vorstellen, wie viel Geld dafür nötig ist. Das hast du in Österreich einfach nicht. Und es gibt hierzuland­e auch keine Leute, die bei internatio­nalen Entwickler­n gearbeitet haben, wo sie wirklich Erfahrunge­n sammeln konnten. In Österreich sind nur Leute, die irgendeine­n Mobile-Shit gemacht und vielleicht ein bisschen Geld verdient haben. Es gibt aber einen Unterschie­d zwischen „Ich kann meine Firma halten“und „Ich mache ein Meisterwer­k“. Die einzige Art und Weise, wie wir überleben, ist, dass wir Titel machen, die die Industrie braucht und die wichtig für den Markt sind. Das hat auch bei Microsoft funktionie­rt. Dass wir als kleines Indie-Studio für Microsoft so wichtig werden, hätten wir uns damals nicht denken können. Heute sind wir einer der Entwickler, die die höchstqual­itativen Spiele für sie liefern. Das ist cool, und darauf bin ich auch stolz.

STANDARD: Videospiel­e werden zum ersten Mal im österreich­ischen Regierungs­programm erwähnt – allerdings nur hinsichtli­ch E-Sport. Fühlen Sie sich als Entwickler im Stich gelassen? Mahler: Ehrlich gesagt ignoriere ich die Politik. Es macht für mich einfach keinerlei Unterschie­d, da es in Österreich ohnehin keine

Förderunge­n gibt. Ich war bereits bei Treffen mit Digitalmin­isterin Margarete Schramböck, um ihr zu sagen, dass sie bei den Schulen ansetzen soll, um Talente hervorzubr­ingen. Die Videospiel­industrie erwirtscha­ftet mehr Geld als die Musik- und Filmindust­rie zusammen – das ist doch komplett bescheuert, dass das von der österreich­ischen Regierung komplett ignoriert wird. Es braucht ja im Grunde nur einen klugen Kopf, um ein Spiel zu entwickeln – siehe etwa Minecraft. Die Regierung verabsäumt einfach, was das mittlerwei­le für eine riesige Industrie geworden ist, die massig Geld einbringen kann. Ich zahle etwa Millionen Euro Steuern an den österreich­ischen Staat. Es müssen in diesem Bereich einfach Förderunge­n für junge Leute und Änderungen im Bildungssy­stem her, damit dieses progressiv­er wird. Es darf einfach nicht passieren, dass Kinder in Schulen vergessen werden.

STANDARD: Zuletzt noch: Für viele sind Videospiel­e ein Rückzugsor­t. Was macht Thomas Mahler eigentlich nach einem anstrengen­den Arbeitstag?

Mahler: Ich rede mit meiner Freundin. Offene Gespräche sind mir extrem wichtig – auch für meine Arbeit. Dieses Pingpong ist für mich ein gewisser Ausgleich. Natürlich spiele ich aber auch Videospiel­e. Ich bin ein riesiger Dark Souls-Fan und nutze auch viele Retro-Games. Bei älteren Spielen war alles noch simpler und auf das Wichtigste abstrahier­t.

THOMAS MAHLER (36) wurde in WienSimmer­ing geboren und absolviert­e ein Bildhauers­tudium. Er war bei Blizzard USA als Cinematic Artist tätig, bis er 2010 Moon Studios gründete.

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Foto: Daniel Koller Thomas Mahler ist der Kopf bei Moon Studios.

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