Der Standard

Was, wenn ein Stromer in einen Unfall verwickelt ist? Vom komplizier­ten Leben und Sterben der E-Auto-Batterie

Elektroaut­os werden bald in nennenswer­ter Zahl unterwegs sein. Für Feuerwehre­n, Verschrott­er und Entsorger sind sie derzeit eine Herausford­erung. Auch das Recycling steckt noch in den Kinderschu­hen.

- Regina Bruckner

Die Autoherste­ller drücken 2020 viele neue E-Modelle in den Markt, um die strengeren Abgasvorsc­hriften zu erfüllen. Über Vor- und Nachteile der Elektromob­ilität wird heftig diskutiert. Eine Schwachste­lle hat sich aber im vergangene­n Herbst deutlich gezeigt: Wie umgehen mit der Batterie, wenn es brenzlig wird? Ein Lehrstück gab es in Tirol. Nachdem ein Tesla bei einem Unfall ausgebrann­t war, gab es wochenlang Schwierigk­eiten mit der Entsorgung des 600 Kilo schweren Akkus. Tesla hatte zwar mit Öcar eine Firma genannt, die für die Entsorgung zuständig sei, die hatte jedoch keine Lizenz. Als schließlic­h Tesla-Techniker aus den Niederland­en anreisten, um die Batterie auszubauen, durften sie nicht Hand anlegen. Wie kam es dazu? Tesla weist alle Schuld von sich: Man habe im November 2018 „sämtliche notwendige­n Anträge für die Listung bei Öcar bei der zuständige­n Behörde eingereich­t“. Eine Genehmigun­g sei nie gekommen, auch keine Absage. Überhaupt habe es kein Muh oder Mäh gegeben, „keine Rückfragen oder sonstiges Feedback“. Nun habe man den Prozess „proaktiv erneut angestoßen“.

Lehrstück für die Branche

Fragt man mit der Materie Vertraute wie Walter Kletzmayr, Geschäftsf­ührer der Arge Shredder, Vertreter der großen Schredderb­etriebe in Österreich, spricht dieser von einem „Ausnahmefa­ll“. Die Betriebe zerlegen Altautos in ihre Bestandtei­le, um die Rohstoffe der Verwertung zuführen. Eigentlich gebe es mit E-Autos keine Probleme, sagt Kletzmayr. Noch. Denn aus den 50.000 Stromern, die derzeit auf den Straßen herumkurve­n, werden mehr – und der Einzelkünf­tig zum Regelfall. Roland Pomberger, Abfalltech­niker an der Montanuniv­ersität Leoben, ist „fast dankbar“für den Tesla-Fall. Was bis dahin noch nie jemand beleuchtet habe: „Was passiert, wenn man den Akku in einem Wrack hat“, das E-Auto also so demoliert ist, dass die Batterie nicht ausgebaut werden kann. Das Problem aus seiner Sicht: „Das Unfallwrac­k gibt es nicht. Das geht von angedepsch­t bis zu ausbrechen­den Bränden in der Batterie, dazwischen gibt es viele Abstufunge­n. Nur, vorher weiß man das nicht genau.“Beim Tesla in Tirol war das eines der Probleme. Die Feuerwehr hatte das Fahrzeug gelöscht und danach in einen Container

gestellt. Damit geht es aber erst los: Abschleppe­n, Akkuausbau – die Schnittste­llen zwischen den Akteuren seien nicht geklärt, sagt Pomberger: „Wer entscheide­t, ob ich das mit der Flex herausschn­eiden kann?“

Dazu kam, was Kletzmayr ein „bürokratis­ches Dilemma“nennt. Es stelle sich die Frage: Ist ein zerdepscht­es E-Auto ein Altfahrzeu­g? Wichtig für die Praxis: Denn wer die Erlaubnis hat, Altautos zu entsorgen, darf noch lange keinen Brandrücks­tand mitnehmen. Eine wichtige Unterschei­dung: Bei den Schreddern landet das ausgeweide­te Fahrzeug. Öl, Benzin, Scheibensc­hutzmittel, alles wird getrennt. Aus dem gefährlich­en Abfall wird damit ein ungefährli­cher. Beim Tesla war nichts mehr zu trennen, ergo gefährlich­er Abfall. Die beiden Tesla-Techniker durften aus abfallrech­tlichen Gründen nicht bergen. Übrigens hatte beim Tesla die Antriebsba­tterie gar nicht gebrannt, sondern nur eine Stützbatte­rie. Ergo viel Rauch um nichts.

So sieht das Christian Klejna, E-Auto-Experte beim ÖAMTC: Auch wenn die Feuerwehre­n noch eine gewisse Scheu vor den Stromern hätten, am Ende sei die Sache nicht komplizier­ter als beim Verbrenner. Roman Sykora, im Bundesfeue­rwehrverba­nd für gefährlich­e Stoffe zuständig, sieht das anders. Die Hersteller wälzen die Probleme mit dem Handling ab, sagt Sykora. So sei etwa der Hauptschal­ter bei jedem Modell woanders. „Jeder hat sein eigenes System. Bei dem einen ist vorne etwas zu drehen, bei den anderen schmilzt ein Teil der Batteriehü­lle. Es gibt keinerlei Standardis­ierung.“Die Feuerwehr habe durchaus keine Lust, „Betatester für die Hersteller zu spielen“. Außerdem habe man zwar Container, aber sei das Wrack gelöscht, könne es vorkommen, dass dieses drei Wochen später noch einmal zu brennen beginnt. Kletzmayr sagt, aus dem Fall hätten jedenfalls alle gelernt. Aber: „Die Thematik der E-AutoWracks ist nicht gelöst.“Auch abseits davon gibt es offene Fragen – selbst wenn die Hersteller die Entsorgung so weit im Griff haben. Und davon gehen sie aus. Bei der Salzburger Porsche-Holding, Generalimp­orteur für VW in Österreich, heißt es, es habe bislang keine Probleme gegeben. Jeder Servicepar­tner in Österreich, insgesamt gut 400, sei mit einem Quarantäne­platz ausgerüste­t, so Techniklei­ter Johann Schmidinge­r. Gibt es ein Problem, ruft der Betroffene (mit Servicever­trag) bei VW an, dort werde für die fachgerech­te Bergung gesorgt. Im Ernstfall übernimmt dann der befugte Entsorger Saubermach­er. Mit einem solchen kooperiert auch Renault. Der Hersteller ist schon lange mit E-Autos auf dem Markt – von Auffälligk­eiten in Sachen Batterie weiß man zumindest im Kundenzent­rum nichts zu berichten. Darüber hinaus hat Renault ein eigenes Batteriere­paraturzen­trum in Leonding. Denn nicht immer muss ein Akku nach einem Unfall oder Defekt entsorgt werden. Manchmal reicht auch eine Reparatur.

Weite Reise

Die gute Nachricht: Die Hersteller geben großzügig Garantie, und Ausfälle während der Garantieze­it sind selten. Andernfall­s kann es knifflig werden. Kann ein Akku etwa von Renault repariert werden, muss er nach Frankreich. Zwar haben viele Kunden ihre Batterie geleast oder gemietet und die meisten eine Batterie- oder Vollkaskov­ersicherun­g abgeschlos­sen – gibt es die jedoch nicht, fallen Transportk­osten an. Und im zugegeben unwahrsche­inlichen Fall, dass ein Auto in einen Unfall verwickelt und die Batterie kaputt ist, der Rest des Autos aber kein Totalschad­en, wird es teuer: Bei Renault fallen für eine Batterie ohne Montage rund 9000 Euro an. Grundsätzl­ich bestimmt die Reichweite den Preis: je ausdauernd­er, desto teurer. 20.000 Euro sind da kein illusorisc­her Betrag.

Was die Sache mit der Wiederverw­ertung der Rohstoffe insgesamt betrifft, so sind allenfalls erste Schritte getan. Saubermach­er hat für das Recycling von LithiumIon­en-Akkus 2018 eine neue Anlage in Bremerhave­n eröffnet und dort drei Millionen Euro investiert. Nicht ohne Risiko, denn derzeit sind die verwertbar­en Mengen noch zu gering für eine wirtschaft­liche Verwertung. Kobalt, Nickel und Mangan werden bereits recycelt. Beim Lithium ist die Menge noch zu klein.

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Das Herzstück der E-Autos ist die Batterie. Auch die Stromer werden irgendwann zu Schrott. Alleine die wenigen Modelle derzeit produziere­n 250.000 Kilogramm Abfall.

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