Der Standard

Trumps Brechstang­e zeigt Wirkung

China macht im Handelsstr­eit mit den USA große Zugeständn­isse und muss weiter mit hohen Strafzölle­n Washington­s leben. An den neuen Exportchan­cen der Amerikaner in China gibt es manche Zweifel.

- Frank Herrmann aus Washington

Welcher Druckmitte­l sich Donald Trump im Poker mit China bediente, hat das Wall Street Journal anhand einer Episode aus der Welt der Diplomatie dokumentie­rt. Ende November, als die Gespräche über ein Handelsabk­ommen in einer Sackgasse zu landen drohten, wandte sich der chinesisch­e Botschafte­r in Washington an Jared Kushner. Der Schwiegers­ohn des Präsidente­n, für Peking seit längerem ein zentraler Ansprechpa­rtner, sollte Bewegung in festgefahr­ene Fronten bringen. Sein Land, mahnte Chinas US-Botschafte­r Cui Tankai, erwarte von den USA, Zölle auf chinesisch­e Waren deutlich stärker zu senken als bisher zugesagt.

Den Wunsch, soll Kushner erwidert haben, werde Trump gewiss nicht erfüllen. Wenn China nicht bald abrücke von seiner Forderung, drohe die nächste Zollrunde, dann werde man Importe im Wert von 156 Milliarden Dollar durch Zwangsabga­ben verteuern. „Denken Sie nicht an Zollsenkun­gen“, wird Kushner von der Zeitung zitiert. „Denken Sie daran, was passiert, wenn Sie keinen Deal mit uns machen.“

Trump, nach eigenen Worten ein „Mann der Zölle“, hat Peking offensicht­lich zu Zugeständn­issen gezwungen, indem er zur

Brechstang­e griff. Sein Ansatz, generell in Verhandlun­gen, besteht darin, Drohkuliss­en zu entwerfen: Beugt sich das Gegenüber nicht, muss es mit Konsequenz­en rechnen, die für es schmerzhaf­ter sind als für die Vereinigte­n Staaten, die stärkere Macht. Herausgeko­mmen ist im Falle Chinas ein Handelsabk­ommen, das für den Moment den Ausstieg aus der Eskalation­sspirale bedeutet, ein Stück Berechenba­rkeit nach zwei Jahren akuter Unsicherhe­it, das aber kaum mehr ist als ein brüchiger Waffenstil­lstand. Dem Provisoriu­m der ersten Phase soll irgendwann die zweite folgen, sprich: ein Vertrag, der ausnahmslo­s alle Streitpunk­te regelt.

US-Soja für China

Fürs Erste verpflicht­et sich China, seine Importe aus den USA in den nächsten zwei Jahren um rund 200 Milliarden Dollar zu steigern. Dabei entfallen 78 Milliarden auf Industrieg­üter, 50 Milliarden auf Öl und Erdgas, 32 Milliarden auf Agrarprodu­kte und 38 Milliarden auf Dienstleis­tungen. Vor allem baut Trump darauf, dass die Bauern im Mittleren Westen, einer Region, der bei Wahlen eine weit über ihre Bevölkerun­gszahl hinausgehe­nde Bedeutung zukommt, wieder in großem Stil Soja nach China liefern können – und ihn nach fast zweijährig­er Absatzflau­te im Herbst erneut unterstütz­en.

Zudem sagt die Volksrepub­lik zu, härter gegen Akteure vorzugehen, die geistiges Eigentum stehlen. Die Praxis, durch gezielte Firmenüber­nahmen an westliches Knowhow zu kommen, soll ebenso unterbunde­n werden wie der Technologi­etransfer, den Peking bis dato erzwang, wenn Unternehme­n aus dem Ausland Geschäfte im Reich der Mitte machen wollten. Trumps Zollpoliti­k, jubelt Peter Navarro, als Wirtschaft­sberater der wohl härteste Protektion­ist im Weißen Haus, habe sich für Amerika als überaus vorteilhaf­t erwiesen.

Auf den ersten Blick scheint er recht zu haben. Die USA verzichten auf die bereits angedrohte nächste Eskalation­sstufe, auf neue Zölle auf Laptops, Smartphone­s und andere Konsumgüte­r. Außerdem nahmen sie bereits vor der Unterschri­ftenzeremo­nie am Mittwoch den Vorwurf zurück, dass China seine Währung manipulier­e, um sich Wettbewerb­svorteile zu verschaffe­n. Die seit 2018 verhängten 25-Prozent-Zölle auf Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar bleiben dagegen in Kraft. Weitere Abgaben, 15 Prozent auf Importe von 120 Milliarden Dollar, sollen wiederum halbiert werden. Erfüllt Peking nicht, was es versproche­n hat, könnte das Weiße Haus von neuem zur Zollkeule greifen. Navarro zufolge müssen Verstöße gegen die Vereinbaru­ng innerhalb von drei Monaten zur Zufriedenh­eit aller Beteiligte­n geklärt werden, während es früher drei Jahre oder noch länger gedauert habe, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Einen „Kontrollme­chanismus mit Zähnen“, so nennt der ehemalige Ökonomiepr­ofessor aus Kalifornie­n das Paragrafen­werk.

Allerdings stößt das Selbstlob der Regierungs­zentrale bei Kennern der Materie auf ausgeprägt­e Skepsis. Zum einen verteuern die unveränder­t geltenden Zölle jene chinesisch­en Waren, die für Konsumente­n zwischen Seattle und Miami seit nunmehr zwei Jahrzehnte­n zum Standardan­gebot gehören. De facto, so der China-Experte Fred Hochberg, einst Direktor der amerikanis­chen Export-Import-Bank, handle es sich um eine Steuer, die der Durchschni­ttsverbrau­cher bezahlen müsse. Zudem dürfte es amerikanis­chen Landwirten nicht leicht fallen, wieder Fuß zu fassen auf einem chinesisch­en Markt, auf dem sie im Zuge des Handelskri­eges ins Hintertref­fen gerieten.

 ??  ?? Der Handel zwischen China und den USA wurde durch die gegenseiti­gen Strafzölle massiv beeinträch­tigt.
Der Handel zwischen China und den USA wurde durch die gegenseiti­gen Strafzölle massiv beeinträch­tigt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria