Der Standard

So geht Solidaritä­t

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Vielleicht tröstet es Alma Zadić ein wenig, dass sie nicht alle mit Wut- und Bierschaum vor dem Mund und Brett aus deutscher Eiche vor dem Kopf vorgebrach­ten Angriffe auf ihre Person persönlich nehmen muss. Denn für die FPÖ von Herbert Kickl, Markus Tschank und Peter Fichtenbau­er stellt jeder das Amt ernstnehme­nde Justizmini­ster eine massive Bedrohung dar.

Weil das Amtsverstä­ndnis der neuen Justizmini­sterin durchaus von diesem Willen zur Durchsetzu­ng des Rechtsstaa­ts geprägt sein könnte, braucht sie auch die volle Unterstütz­ung der Bundesregi­erung, die sich nicht nur in pflichtsch­uldigen Solidaritä­tsadressen erschöpfen, sondern konkrete Taten folgen lassen sollte. Dazu hat sie gleich jetzt die Chance, indem sie auf jegliche als Verzögerun­gstaktik interpreti­erbaren Geschäftso­rdnungstri­cks verzichtet und den Untersuchu­ngsausschu­ss zur Casinos-Novomatic-Ibiza-Affäre seine Arbeit machen lässt. Diese könnte sich nämlich für die heimische Justiz als erhellend, ja geradezu horizonter­weiternd erweisen.

So steht dort unter anderem die Aussage eines Zeugen bevor, der über Absprachen der Wiener Polizei mit Novomatic zu berichten weiß, laut denen bestimmte Spiellokal­e für etwaige Polizeikon­trollen als Tabuzonen galten. Und auch zur innenpolit­ischen Kernthese des Ibiza-Videos – „Novomatic zahlt an alle drei“– wird er Interessan­tes zu berichten wissen. Beispielsw­eise wie der ehemalige Novomatic-Boss Franz Wohlfahrt bei höchstrang­igen Politikern die Verhinderu­ng eines für das kleine Glücksspie­l profitverr­ingernden Gesetzes erreicht haben will. Was er mit der Anmerkung, das sei „nicht billig gewesen“, dem Zeugen gegenüber kommentier­te. Das wären Erkenntnis­se, dank derer unsere Justiz ihre bisherige Herangehen­sweise zum Thema Novomatic überdenken könnte, denn diese war bislang – vorsichtig formuliert – ein wenig eigenwilli­g.

So hat die Staatsanwa­ltschaft St. Pölten rund 300 Anzeigen von Kriminalpo­lizei, Finanzämte­rn und Spielern gegen Novomatic abgeschmet­tert, indem sie sich zum einen auf das Gutachten eines Anwalts berief, der zuvor für den beschuldig­ten Glücksspie­lkonzern gearbeitet hatte, zum anderen auf einen Kommentar zum Glücksspie­lgesetz, den dieser Anwalt zusammen mit einem prominente­n Co-Autor verfasst hat – nämlich mit dem zuvor erwähnten Novomatic-Boss Wohlfahrt. Das wäre ungefähr so, als würde ein Prozess gegen den Eurofighte­rHerstelle­r aufgrund eines Gutachtens von Karl-Heinz Grasser und eines gemeinsam mit Alfons Mensdorff-Pouilly verfassten Kommentars zum Korruption­sstrafrech­t eingestell­t werden.

Und apropos Grasser: Die Einstellun­g des Verfahrens wegen der von Novomatic an ihn und Walter Meischberg­er ohne ersichtlic­he Gegenleist­ung geflossene­n Zahlungen könnte durch die im U-Ausschuss zutage kommenden Erkenntnis­se noch unerklärli­cher wirken, als sie es jetzt schon tut.

Höchste Zeit also, dass auch die Justiz einen Akt der Solidaritä­t mit der neuen Ministerin setzt. Ein Generalsek­retär des Justizmini­steriums, der seine Aufgabe nicht im „Daschlogen“von Verfahren sieht – also entweder sein Amt ernst oder andernfall­s seinen Hut nimmt –, wäre dafür ein starkes Signal.

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