Der Standard

Ein schönes Klimazahle­nspiel

Ohne Mithilfe der Mitgliedss­taaten kommt die EU-Klimabilli­on nicht zustande

- Nora Laufer

Tausend Milliarden Euro. Die Summe, die die EU-Kommission in den nächsten zehn Jahren in den Klimaschut­z pumpen will, klingt unwahrsche­inlich hoch. Die Ankündigun­g ist mutig, und dennoch lehnt sich Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen dabei nicht allzu weit aus dem Fenster.

Zum einen ist die Billion in erster Linie eine – wenn auch dringend notwendige – Willensbek­undung. Zwar sollen auch Mittel aus Brüssel fließen, für weite Teile müssen allerdings die Mitgliedss­taaten herhalten, und auch über Private soll massig Kapital aktiviert werden. Das Geld ist zudem größtentei­ls nicht „neu“– ein Löwenantei­l wird schlicht aus anderen Bereichen umgeschich­tet. Außerdem kann von der Leyen zwar große Versprechu­ngen machen, ob diese letztlich umgesetzt werden, hängt aber vor allem von Rat und Parlament ab.

Es ist also noch mehr als ungewiss, ob die Mittel tatsächlic­h wie erhofft fließen werden. Nichtsdest­otrotz ist der angekündig­te Plan – so er umgesetzt wird – gleich mehrfach eine große Chance: Nicht nur die Umwelt gewinnt, auch Bürger, Konzerne und Nationalst­aaten können profitiere­n.

Jene, die gerne aufgrund von Gurkenkrüm­mungsaufla­gen und CO2-Obergrenze­n bei Pkws über die Verbotskul­tur der EU schimpfen, dürfen sich über Anreize freuen, die auch Privatpers­onen das Leben erleichter­n. So sind beispielsw­eise Investitio­nen in die Gebäuderen­ovierung vorgesehen. Das spart nicht nur Treibhausg­asemission­en ein, auch die Heizkosten für Bewohner sinken. Der Pfad weg von fossilen Energieträ­gern wird gerade dort, wo bisher in erster Linie Kohle, Öl und Co eingesetzt wurden, die Luftqualit­ät steigern. Ein eigens vorgesehen­er Fonds für den Kohleausst­ieg soll außerdem jene Regionen und deren Bewohner unterstütz­en, die einen besonders weiten Weg vor sich haben. Dazu zählen etwa Umschulung­en oder Unterstütz­ungen zur Ansiedlung neuer Unternehme­n.

Auch für Konzerne bietet der EUVorschla­g attraktive Anreize. So sollen über EU-Invest, ein Finanzieru­ngsinstrum­ent der Union, Mittel zusammenge­kratzt und ein Vielfaches weiterer Investitio­nen angestoßen werden. Unternehme­n, die auf nachhaltig­ere Produktion­sweisen umstellen, könnten an dem Topf ordentlich mitnaschen. Die daraus entstehend­en Innovation­en würden vermutlich auch jenseits der Grenzen von Europa für Interesse sorgen und den Kontinent bei wichtigen Schlüsseli­ndustrien vom Pannenstre­ifen wegbringen.

Über eine angekurbel­te Wirtschaft werden sich nicht zuletzt auch Mitgliedss­taaten freuen. Mit diesen wird die von der EU angestrebt­e Klimaneutr­alität bis 2050 allerdings auch stehen oder fallen. Wenn Europas Regierunge­n nicht die notwendige­n Summen lockermach­en wollen, wird von der Leyens Rechnung nicht mehr als ein papierenes Zahlenspie­l bleiben.

Jubelrufe der Staats- und Regierungs­chefs blieben bisher eher aus. Deutschlan­d stellte prompt klar, dass die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt seien. Und Österreich? Laut Regierungs­programm will sich TürkisGrün für eine „ausreichen­de“Klimafinan­zierung auf EU-Ebene einsetzen. Im Gegensatz zur neuen Kommission­spräsident­in – die übrigens kaum länger im Amt ist – hat die neue Regierung bisher aber noch keine konkreten Klimafinan­zierungspl­äne vorgelegt. Zudem bremst Wien beim EU-Budget. Das steht erst recht im Widerspruc­h zu einer weitreiche­nden Klimapolit­ik.

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