Der Standard

Keine falsche Bescheiden­heit

- Regina Bruckner

Eine 35-Stunden-Woche bei gleichblei­bendem Gehalt: Eine einzige Forderung stellt die Gewerkscha­ft für die privaten Pflegekräf­te in der aktuellen Lohnrunde – die hat es aber in sich. Im Durchschni­tt käme dies einem Gehaltsplu­s von sage und schreibe 8,6 Prozent gleich. Klingt nach Größenwahn, denn wer soll das bezahlen? Anderersei­ts: Auch wenn am Ende etwas weniger herauskomm­t, ist falsche Bescheiden­heit gerade in der Pflegebran­che nicht angebracht.

Zwar wird ständig über die steigenden Kosten gejammert, und die zunehmend besser ausgebilde­ten Kräfte verdienen auch mehr. Aber im Branchenve­rgleich schneiden Pflegekräf­te schlecht ab. Produktion­sbetriebe zahlen um die Hälfte mehr. Dazu kommt: Österreich leistet es sich, vergleichs­weise wenig für Langzeitpf­lege auszugeben. In den Niederland­en oder in Schweden ist das mindestens doppelt so viel. Warum das so ist? In Nordeuropa wurde die öffentlich­e Unterstütz­ung von Pflege ab den 1950er-Jahren systematis­ch ausgebaut, Österreich begann damit erst in den 1990ern.

Das hat auch mit dem verkrustet­en Familienbi­ld zu tun, das sich viel zu langsam ändert. Aufgaben wie Kinderbetr­euung und Pflege älterer Angehörige­r sind immer noch gern Frauensach­e. Die weiblichen Familienmi­tglieder machen das traditione­ll für Gotteslohn. In solchen Bereichen mangelt es an Wertschätz­ung der Arbeit und vor allem an der Bereitscha­ft, sie angemessen zu entlohnen.

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