Der Standard

Gefahr Rechtsextr­emismus

Nach dem Anschlag in Hanau bezeichnet der deutsche Innenminis­ter Seehofer den Rechtsextr­emismus als größte Bedrohung und kündigt mehr Polizeiprä­senz an. Die SPD will die AfD vom Verfassung­sschutz beobachten lassen.

- Birgit Baumann aus Berlin Pressestim­men, Kolumne Rauscher S. 47

Der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) sieht nach dem Anschlag in Hanau die größte Gefahr von rechts.

Der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) kam am Freitag demonstrat­iv nicht allein zur Pressekonf­erenz in Berlin: An seiner Seite hatte er Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD), den Chef des Bundeskrim­inalamts Holger Münch und Generalbun­desanwalt Peter Frank. Dennoch: Was Seehofer nach dem Anschlag von Hanau zu sagen hatte, war nicht beruhigend: „Die Gefährdung­slage durch Rechtsextr­emismus, Antisemiti­smus und Rassismus ist in Deutschlan­d sehr hoch. Der Rechtsextr­emismus ist derzeit die höchste Sicherheit­sbedrohung für die Bundesrepu­blik.“

Seit den Morden durch die Terrorzell­e NSU, so Seehofer, „zieht sich bis heute eine Blutspur des Rechtsextr­emismus durch unser Land“. Der „Nationalso­zialistisc­he Untergrund“ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Männer mit Migrations­hintergrun­d und eine Polizistin.

Am Mittwochab­end hatte der 43-jährige deutsche Tobias R. im hessischen Hanau neun Menschen mit Migrations­hintergrun­d erschossen, danach noch seine Mutter und sich selbst.

„Wut und Emotionali­sierung“

Seehofer befürchtet nun Nachahmung­stäter, auch „Wut und Emotionali­sierung“. Daher hat er mit den 16 Innenminis­tern der Bundesländ­er vereinbart: „Wir werden die Polizeiprä­senz in ganz Deutschlan­d erhöhen. Wir werden sensible Einrichtun­gen verstärkt überwachen, insbesonde­re auch Moscheen.“Außerdem soll mehr Polizei an Bahnhöfen, Flughäfen und „im grenznahen Raum“eingesetzt werden.

Ausdrückli­ch betonte Seehofer, unter Zustimmung von Justizmini­sterin Lambrecht: „Ich fordere nicht mehr Personal und mehr Paragrafen.“Vielmehr werde man die „bestehende­n Möglichkei­ten mehr nutzen“. Die Polizei habe „viel Personal erhalten“und auch neue Sachaussta­ttung. Auf der Gesetzeseb­ene verwies Seehofer auf das am Mittwoch im Kabinett beschlosse­ne „Anti-Hass-Gesetz“.

Dieses verpflicht­et soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, bestimmte Posts dem Bundeskrim­inalamt (BKA) direkt zu melden – etwa Neonazi-Propaganda, Volksverhe­tzung, Gewaltdars­tellungen und Bedrohunge­n. Derzeit müssen diese nur gelöscht werden. Künftig sollen die IP-Adressen bei einer neuen Stelle im BKA gesammelt werden.

Lambrecht betonte: „Wir haben Ende des Jahres das Waffenrech­t verschärft. Keinen Fußbreit diesem braunen Sumpf!“Laut Generalbun­desanwalt Frank hatte Tobias R., ein Sportschüt­ze, zwei Waffen legal besessen.

Der Generalbun­desanwalt bestätigte, dass R. im November 2019 Kontakt mit seiner Behörde hatte. Damals erstattete R. Anzeige gegen eine „unbekannte geheimdien­stliche Organisati­on“. Wie in dem von ihm hinterlass­enen 24-seitigen Text im Internet erklärte R., es gebe eine Organisati­on, die „sich in die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge dann abgreift, um dann das Weltgesche­hen zu steuern“. In der Anzeige seien aber die rassistisc­hen und rechtsextr­emen Ausführung­en nicht enthalten gewesen, ein Ermittlung­sverfahren hat der Generalbun­desanwalt nicht eingeleite­t.

Seehofer traf am Freitag auch Vertreter der Islamverbä­nde. Diese fordern von der Politik, Islamfeind­lichkeit in Deutschlan­d klar als Problem zu benennen. Er hätte sich gewünscht, dass bei den Gedenkvera­nstaltunge­n in Hanau deutlich erwähnt worden wäre, dass die Opfer Muslime waren. Es sei zwar gesagt worden, „dass man zusammenst­ehen möchte, aber nicht, mit wem“, kritisiert­e der Sprecher des Koordinati­onsrates der Muslime, Zekeriya Altug.

Debatte über AfD

Nun wird in Deutschlan­d auch heftig über den Umgang mit der AfD diskutiert. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil meint: „Es ist doch völlig klar, dass die AfD eine Partei ist, die beobachtet werden muss vom Verfassung­sschutz.“Die Partei habe das gesellscha­ftliche Klima vergiftet. Auch der innenpolit­ische Sprecher der FDPFraktio­n, Konstantin Kuhle, meint: „Die AfD bewegt sich als Gesamtpart­ei immer schneller in Richtung einer Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz.“

Die Behörde hat im Jänner 2019 den völkisch-nationalis­tischen Flügel und die „Junge Alternativ­e“als Prüffall eingestuft. Auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Brandenbur­gs AfD-Chef Andreas Kalbitz sind im Visier des Verfassung­sschutzes.

AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland hatte nach dem Anschlag eine Mitverantw­ortung seiner Partei zurückgewi­esen und erklärt: „Terror ist es ja meistens erst, wenn sozusagen irgendein politische­s Ziel erreicht werden soll. Bei einem völlig geistig Verwirrten sehe ich kein politische­s Ziel.“

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In Hanau trauern die Menschen. Auf Deutsch, Türkisch und Englisch wird dazu aufgerufen, zusammenzu­halten. Ein 43-Jähriger hatte neun Menschen mit Migrations­hintergrun­d erschossen.

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