Greta ist nicht allein
Sie wurde zum bekanntesten Gesicht der jungen Klimabewegung. Aber so wie die Schwedin Greta Thunberg gehen in vielen Ländern der Welt jugendliche Aktivistinnen und Aktivisten auf die Straße, um für die Zukunft des Planeten zu kämpfen. Egal auf welchem Kon
Einen Aufsichtsratsjob bei Siemens können nicht viele 23-Jährige vorweisen. Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer lehnte dennoch ab, als ihr Vorstandschef Joe Kaeser im Jänner einen solchen anbot. Die Vorgeschichte: Neubauer protestierte gegen die Zulieferung einer Zugsignalanlage für ein umstrittenes Kohlebergwerk in Australien. Siemens hielt an dem Vertrag fest. Ein „unentschuldbarer Fehler“, kritisierte Neubauer. Der Konzern dürfe sich nicht an einem Projekt beteiligen, „das im Alleingang das weltweite 1,5Grad-Ziel gefährdet“. Wohl zur Besänftigung wurde der Aktivistin der Job angeboten – auch wenn es sich nur um einen „Sitz in einem Aufsichtsgremium“gehandelt habe und nicht um ein Aufsichtsratsmandat, wie Kaeser später klarstellte. Neubauer meinte aber, den Job nicht mit ihrer Rolle als Klimaaktivistin vereinbaren zu können. Es sei damit nicht möglich, Siemens unabhängig zu kommentieren.
Die Geografiestudentin gilt wegen ihrer zahlreichen Medienauftritte als das Gesicht der deutschen Fridays-for-FutureBewegung. Sie selbst weist diese Zuschreibung zurück, da es der Natur der Bewegung widerspreche. Ihre öffentlichen Auftritte reißen dennoch nicht ab. Neubauer reiste zum Weltwirtschaftsforum nach Davos und traf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch der Protest gegen Siemens wird keine Ausnahme bleiben: Die Klimaaktivisten wollen künftig verstärkt Unternehmen ins Visier nehmen. Wegen der enormen Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft sei dies effektiver, meint Neubauer. (brun)
Ihr Fehlen in der medialen Berichterstattung brachte Vanessa Nakate wenig später ebendiese. Die 23-jährige Klimaaktivistin aus Uganda wurde beim Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sie an einer Podiumsdiskussion teilnahm, von der Nachrichtenagentur AP schlichtweg aus einem Foto herausgeschnitten. Zu sehen waren lediglich Greta Thunberg und drei weitere junge Klimaschützerinnen – allesamt aus Europa. „Ihr habt nicht nur ein Foto gelöscht. Ihr habt einen ganzen Kontinent gelöscht“, richtete Nakate der Nachrichtenagentur kurz darauf via Twitter aus.
Seither hat sich AP bei der Aktivistin entschuldigt und das Bild durch das Original, auf dem eben auch Nakate zu sehen ist, ersetzt, nichtsdestotrotz sorgte die Aktion in sozialen Medien für ordentlich Wirbel. Gegen die Nachrichtenagentur wurden Rassismusvorwürfe laut.
Nakate selbst setzt sich seit rund eineinhalb Jahren für eine rigidere Klimapolitik ein. Auslöser für ihren Aktivismus war eine ungewöhnlich starke Hitzewelle in ihrem Heimatland. Diese traf in erster Linie Bauern – und damit einen großen Teil der Bevölkerung des Landes, das nach wie vor stark von der Landwirtschaft geprägt ist. Nichtsdestotrotz protestierte die BWL-Absolventin lange Zeit allein vor dem Parlament in Ugandas Hauptstadt Kampala.
Mittlerweile leitet die junge Frau nicht nur eine Initiative für den Schutz des Regenwaldes im Kongobecken, sie wurde auch international ein bekanntes Gesicht der Klimaschutzbewegung. Neben dem Weltwirtschaftsforum in Davos besuchte Nakate auch die UN-Klimakonferenz in Madrid. (lauf)
Allein ihr Vorname gilt als Synonym für den Kampf der Jugend gegen den Klimawandel. Greta Thunberg hat mit einem selbstgemalten Schild und Entschlossenheit geschafft, was Wissenschafter und Aktivisten in den Jahrzehnten zuvor nicht hinbekommen haben: dass die Welt über den Klimawandel spricht und ernsthaft über Lösungen diskutiert. Die Schwedin mit den markanten Zöpfen war 15 Jahre alt, als sie begann, jeden Freitag vor dem Parlament in Stockholm für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren. „Klimastreik“wurde der Begriff für den Protest, an dem an seinem bisherigen Höhepunkt im September vier Millionen Menschen weltweit teilnahmen.
Mit acht Jahren erfuhr Thunberg zum ersten Mal von den Gefahren des Klimawandels. Ihre Volksschullehrerin zeigte der Klasse Bilder von Eisbären, die verhungern, und Wetterextremen, die sich verstärken werden. Die gesamte Klasse war schockiert, aber die meisten Kinder vergaßen ihre Betroffenheit wieder. Thunberg ließ sie nicht mehr los. Grund dafür ist auch das Aspergersyndrom, das sie Gefühle und Erfahrungen anders verarbeiten lässt. Mit elf Jahren verfiel Thunberg in eine Depression, aus der sie erst durch ihren Kampf gegen den Klimawandel herausfand.
Seitdem traf die heute 17-Jährige den Papst, den Schauspieler und Umweltaktivisten Leonardo DiCaprio, sprach vor den Vereinten Nationen, forderte die Mächtigen in Davos auf, „panisch zu werden“, lieferte sich einen öffentlichen Schlagabtausch mit US-Präsident Donald Trump und querte zweimal den Atlantik in einem Segelboot. (bbl)
Mit Freunden durch Reisfelder ziehen, in den Ozean eintauchen, dann verschnaufen am Strand – in Interviews beschreiben die Umweltaktivistinnen Melati Wijsen (18) und ihre Schwester Isabel (16) eine unbeschwerte Kindheit auf Bali. 2012 waren ihre Kinderjahre zwar noch nicht gezählt – die Sorgenfreiheit aber schon.
Sie wurden zu Zeugen der zunehmenden Plastikverschmutzung der Insel und ihrer Gewässer. Statt Muscheln waren die paradiesischen Strände zunehmend mit Plastikabfall übersät. Nach einem Bad im Meer klebten Plastikfetzen an ihren Körpern. Melati (li. im Bild) und ihre Schwester verspürten Gefühle der Beklemmung, aber auch den Drang, etwas zu tun. Mit einem Gesuch, Plastiksackerl auf der Insel zu verbieten, blitzten die zwei Kinder (damals zwölf und zehn) bei der Lokalregierung aber ab. Deshalb gründeten sie die NGO Bye Bye Plastic Bags und starteten eine Petition, für die sie am Flughafen von Bali Unterschriften sammelten. Auch auf Social Media versuchten die Schwestern, die Aufmerksamkeit des Gouverneurs von Bali auf sich zu ziehen. Es gelang: Made Mangku Pastika versprach 2016 seine Unterstützung. Drei Jahre später führte sein Nachfolger ein Verbot für Einwegplastikverpackungen ein. Während die Regierung das Verbot nun langsam durchsetzt, organisieren die Schwestern weiterhin Müllaufräumaktionen auf der Insel. „Das war erst der Anfang“, betonte Melati Wijson kürzlich in Davos. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, möglichst viele Jugendliche dazu zu motivieren, selbst gegen Umweltzerstörung aktiv zu werden. (fmo)
Für Salvador Gómez-Colón begann alles mit dem Hurrikan Maria: Als der Wirbelsturm im September 2017 auf Puerto Rico traf, waren die Schäden katastrophal. Mit Windstärken von 250 Kilometern pro Stunde zerstörte der Hurrikan ein Drittel aller Häuser und Wohnungen, die Stromund Wasserversorgung der Karibik-Insel brach zusammen. Puerto Rico ist Außengebiet der Vereinigten Staaten, doch Washington sandte verzögert Hilfsleistungen. Vier Monate später mussten noch immer 80 Prozent der Bevölkerung ohne Strom auskommen. Betroffen war auch die Familie von Salvador GómezColón.
Der damals 15Jährige begann, Solarlampen und handbetriebene Waschmaschinen zu organisieren. Schließlich bündelte er seine Bemühungen zu einer Organisation namens Light and Hope for Puerto Rico. Mit dieser gelang es ihm, sein anvisiertes Spendenziel von 100.000 US-Dollar zu übertreffen: Er sammelte 175.000 Dollar, durch die er 3100 Familien helfen konnte. Gómez-Colóns Bemühungen machten ihn bekannt, noch im selben Jahr wählte ihn das Time Magazine zu den 30 einflussreichsten Jugendlichen 2017.
Zwei Jahre später half seine Initiative auch 500 Haushalten auf den vom Hurrikan Dorian getroffenen Bahamas. Im Jänner dieses Jahres sprach der inzwischen 17-Jährige als Teil einer vom Weltwirtschaftsforum Davos zusammengestellten Gruppe von jungen Persönlichkeiten zum Kampf gegen die Klimakrise. Er pochte in den Schweizer Alpen auf Resultate: „Wir sind es leid, hier zu reden, und daheim geschieht nichts.“(giu)