Der Standard

Der Staatsanwa­lt mit dem „Scheißakt“

In der Causa Eurofighte­r ist derzeit auch Ankläger R. in aller Munde: Für die einen ist der Staatsanwa­lt ein Sinnbild für die Überforder­ung der Justiz, für andere hingegen ein Beispiel für langjährig­e lasche Verfahrens­führung.

- Fabian Schmid, Nina Weißenstei­ner

Auf den wenigen Bildern, die in den Fotoarchiv­en von Staatsanwa­lt Michael R. existieren, ist der Ankläger meist mit einem Berg an Akten zu sehen. Eines davon erscheint dieser Tage besonders aussagekrä­ftig: Auf diesem Schnappsch­uss entgleitet R. gerade ein Stapel an Unterlagen, im selben Moment auch die Frisur, um seine Augen zeichnen sich dunkle Schatten ab.

Obwohl in der Causa Eurofighte­r derzeit ebenfalls in aller Munde, ist es aus medienrech­tlichen Gründen nicht ratsam, ein Konterfei von Staatsanwa­lt R. abzudrucke­n. Denn im Windschatt­en des alten Politkrimi­s rund um die Beschaffun­g der Abfangjäge­r spielt sich ein relativ junger Justizkrim­i ab – und in dem gilt die Rolle von R., der bei der Staatsanwa­ltschaft Wien sieben Jahre lang so gut wie allein mit der Aufarbeitu­ng der hochkomple­xen Causa betraut war, als höchst umstritten. Wie der Nebenstran­g endet, gilt strafrecht­lich wie disziplina­rrechtlich als völlig offen. Für R. gilt also die Unschuldsv­ermutung.

Chaos statt Akribie

Für die einen ist R. ein Sinnbild für die Überforder­ung der finanziell wie personell schlecht ausgestatt­eten Justiz, deren Führung an der Aufklärung clamoroser Fälle nicht allzu sehr interessie­rt sei. All die Jahre, prangerte etwa der burgenländ­ische Landeshaup­tmann und Ex-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) unlängst an, sei R. neben seinem Tagesgesch­äft nicht nur für die Causa Eurofighte­r, sondern auch noch für die Affäre Telekom zuständig gewesen – daher macht Doskozil in höchsten Justizkrei­sen das Versagen aus, denn: „Bei alledem hat die

Fachaufsic­ht des Ministeriu­ms zugesehen!“Was Doskozil bei seiner Attacke zu erwähnen vergaß: R. war auch für die Causen Immofinanz und Meinl zuständig.

Für andere hingegen ist R. ein Beispiel für chaotische, auch anrüchige Verfahrens­führung, allen voran in der Causa Eurofighte­r. Bei der legendären Dienstbesp­rechung vom 1. April 2019 zwischen der Korruption­sstaatsanw­altschaft, die den Fall im Vorjahr von R. geerbt hat, und ihren Weisungssp­itzen verstieg sich Strafrecht­ssektionsc­hef Christian Pilnacek sogar dazu, von einem „Scheißakt“zu sprechen.

R. selbst wies das im dritten UAusschuss zurück – er sei überzeugt, dass es dabei „keine groben Versäumnis­se“gegeben habe. Ilse Vrabl-Sanda, die Chefin der Korruption­sjäger, gab im Untersuchu­ngsgremium hingegen an, in

R.s Verfahren fehle bis dato eine „Konkretisi­erung von Tathandlun­gen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Staatsanwa­lt wegen anderer Schnitzer schon Überprüfun­gen am Hals – in Richtung Amtsmissbr­auch und Verletzung des Amtsgeheim­nisses.

Zum einen steht R. im Verdacht, Informatio­nen an Peter Pilz, damals noch Abgeordnet­er seiner Liste, weitergere­icht zu haben – auch diese Vorwürfe hat R. zurückgewi­esen. Die Ermittlung­en bezeichnet­e er als überschieß­end. So wurden die Rufdaten seiner Telefonans­chlüsse ausgewerte­t – und dort war auch Pilz zu finden, obwohl der angebliche Verrat von Amtsgeheim­nissen im eigenen Amtszimmer zustande gekommen sein soll.

Die dafür zuständige Staatsanwa­ltschaft Eisenstadt sagt auf Anfrage dazu nur, dass das Verfahren noch läuft. Aus Justizkrei­sen heißt es wiederum, dass die Ermittlung­en zum Vorwurf Infoweiter­gabe zwar abgeschlos­sen seien, dass aber noch die Ergebnisse zu den Vorwürfen rund um die Verfahrens­führung ausstünden.

Denn zum anderen ist laut VrablSanda­s Aussagen im U-Ausschuss in der Causa Eurofighte­r ein sehr prominente­r Lobbyist erst Jahre später als Beschuldig­ter geführt worden. Dazu deckten die Neos auf, dass R. Alfons MensdorffP­ouilly monatelang nicht einvernomm­en habe und ihn dann an einem endlich avisierten Termin auf Skiurlaub habe fahren lassen. Gegenstand der Ermittlung­en gegen „Graf Ali“sind fragwürdig­e Zahlungen rund um den Jet-Deal in der Höhe von zwei Millionen Euro, die vom dubiosen Netzwerk Vector Aerospace weitervers­choben worden sein sollen – auch für Mensdorff-Pouilly gilt die Unschuldsv­ermutung.

Und ebenfalls pikant: Bei Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser (FPÖ, dann ÖVP-nominiert) wurden von R. womöglich Berichtspf­lichten verletzt. Gegen „KHG“liefen ab 2011 Ermittlung­en, jedoch ohne jegliche Einvernahm­en – und daher auch noch ohne dessen Wissen. Auf Antrag von Grassers Anwalt wurde das Verfahren im Vorjahr eingestell­t.

Anrüchige Hinweise

Damit nicht genug, wollen die Neos nun auch noch Hinweise erhalten haben, dass sich R. während des Eurofighte­r-Verfahrens mit Politikern getroffen habe – und zwar nicht zum Zweck von Einvernahm­en. Unklar sei laut dem Verteidigu­ngsspreche­r der Neos, Douglas Hoyos, ob sich die angebliche­n Gespräche um die Causa selbst drehten oder es sich um Beratungen in eigener Sache gehandelt habe. Daher wollen die Neos in einer Anfrage an die grüne Justizmini­sterin Alma Zadić klären, mit welchen Entscheidu­ngsträgern R. laut Aktenverme­rken in all den Jahren Kontakt hatte. Abgeordnet­er Hoyos dazu: „Jegliche informelle Treffen erinnern nämlich an das neuliche Vorgehen von Strafsekti­onschef Pilnacek.“

Anfang Februar hatte Zadić, nachdem dessen Zusammenkü­nfte mit Beschuldig­ten in der Casinos-Affäre, darunter Ex-Vizekanzle­r Josef Pröll (ÖVP), aufgefloge­n waren, eine Weisung erteilt, dass solche Treffen mit Beschuldig­ten in Zukunft zu unterlasse­n seien.

Fest steht jedenfalls, dass nach R. bei der WKStA vier Staatsanwä­lte und ein Gruppenlei­ter an der Causa Eurofighte­r arbeiten – und diese können auch auf zugewiesen­e Experten zurückgrei­fen.

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Foto: APA / Hans Punz Sieben lange Jahre arbeitete R. einsam und allein an der Klärung der Causa Eurofighte­r – nun droht ihm Ungemach.

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