Ringen um Rückkehr nach voreiliger Abschiebung
Afghanischer Asylwerber in Kabul in großer Gefahr
Es sei „alles rechtens gelaufen“, sagt Christoph Pölzl, Sprecher des Innenministeriums. Bei der Abschiebung des Afghanen E. Z. hätten Polizei und Behörden keine Fehler gemacht.
Wie im STANDARD berichtet, war der im Asylverfahren rechtskräftig negativ beschiedene junge Mann, der in Österreich im vergangenen November katholisch getauft wurde, Anfang Februar mit einem Frontexflug nach Kabul gebracht worden; Einwände und Proteste, weil ihm als vom Islam abgefallenem Christen in Afghanistan Lebensgefahr droht, verhallten ungehört.
Aufschiebende Wirkung
Zwei Wochen später – konkret am Montag dieser Woche – gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag von Z.s Anwältin Elke Weidinger auf aufschiebende Wirkung der außerordentlichen Revision gegen das eigene Erkenntnis statt, das die Abschiebung zur Folge gehabt hatte. Bis zur endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs könne der junge Mann in Österreich bleiben.
Für diesen kommt das zu spät. Z. verkriecht sich seit seiner Rückkehr nach Kabul in seinem Zimmer. Einmal schon musste er übersiedeln, weil Mitbewohner beharrlich an seiner Tür geklopft und ihn aufgefordert hatten, am Freitag mit in die Moschee zu kommen.
Um den konvertierten Christen aus seiner gefährlichen Lage zu befreien, müsse er so rasch wie möglich nach Österreich zurückgebracht werden, sagt Doro Blanke von der NGO Fairness Asyl; über soziale Medien ist sie mit Z. fast täglich in Kontakt.
Gilt wieder als Asylwerber
Hier aber kommt Widerspruch aus Asylbehördenkreisen: Z. zurückzuholen sei rechtlich nicht vorgesehen, heißt es dort: „Aber wenn er sich bis nach Österreich durchschlägt, wird er ins Land gelassen. Immerhin gilt er jetzt wieder als Asylwerber.“
Das stimmt – und ist rechtlich ebenso gedeckt, wie es die Abschiebung
war: Laut den herrschenden Bestimmungen können rechtskräftig in zweiter Instanz abgelehnte Asylsuchende schon nach den 14 Tagen, die ihnen für eine freiwillige Ausreise eingeräumt werden, binnen der Frist aus Österreich weggebracht werden, die sie danach für ein Rechtsmittel an ein Höchstgericht haben. Möglich ist das schon lange, doch ausgenutzt wurde diese Option von den Behörden nicht immer.
Pragmatischer Vorschlag
Gibt das Gericht der Behandlung statt, wenn der Betroffene bereits außer Landes ist, erwächst den Behörden daraus keine Pflicht, für seine Rückkehr zu sorgen. Das ist erst dann der Fall, wenn das Höchstgericht – im vorliegenden Fall der Verwaltungsgerichtshof – für den Beschwerdeführer entschieden haben sollte.
Wäre Z.s Fall in Deutschland anhängig, würde es für ihn schon jetzt Rückholoptionen geben, sagt Flüchtlingshelferin Blanke. Sie hat einen pragmatischen Vorschlag: „Ende Februar geht der nächste Abschiebeflieger aus Europa nach Kabul. Mit diesem Flugzeug könnte E. zurückkommen“, sagt sie.
Rechtsschutzlücke
Lukas Gahleitner von der NGO Asylkoordination teilt diese Forderung. Darüber hinaus müsse die „Rechtsschutzlücke“geschlossen werden, die Abschiebungen binnen Rechtsmittelfrist möglich machen. „Derzeit werden hier Fakten geschaffen, die existenzielle Härten zur Folge haben.“Die Neos wollen einen konkreten Gesetzesänderungsvorschlag einbringen.
Keine zur Veröffentlichung bestimmte Reaktion auf den Fall E. Z. kam bisher von den regierungsverantwortlichen Grünen im Bund. Im Burgenland, wo der Afghane bis zu seiner Abschiebung lebte, meldete sich hingegen Landtagsabgeordnete und Landessprecherin Regina Petrik mit Kritik an der voreiligen Abschiebung E. Z.s zu Wort. Um derlei zu verhindern, „braucht es nicht einmal eine Gesetzesänderung, sondern die Einhaltung der Rechtsmittelfrist“, sagt sie.
Die Grünen stehen vor einem Asyldilemma, das ihnen mittelfristig ernste Probleme einbringen kann. Als Juniorpartner der Kurz’schen ÖVP, die bei Flüchtlingen inhaltlich bisher nicht von ihrem rigiden Kurs unter Türkis-Blau abgewichen ist und die sämtliche bundespolitische Kompetenzen in diesem Bereich innehat, sind sie mit Positionen konfrontiert, die die meisten ihrer Mitstreiter und Funktionäre keineswegs teilen.
Aber großteils schweigen sie, offenbar, weil ihnen der Frieden am Koalitionstisch über alles geht.
Die Grünen schweigen noch, sagen manche und ersuchen um Schonfrist für den Regierungsnewcomer. Andere weniger Wohlmeinende vermuten, die heiße Kartoffel Flüchtlingspolitik werde von der grünen Führung in der Hoffnung liegengelassen, die Partei dadurch mehr in die Mitte zu rücken. Unter asylpolitisch interessierten Grünen-Sympathisanten macht sich unterdessen zunehmender Frust breit.
Jüngster Anlass ist der Härtefall eines Afghanen, der sich in Österreich katholisch taufen ließ. Rechtliche Grundlagen, um ihn rasch nach Österreich zurückzuholen, gibt es nicht – und im türkisen Innenministerium ist bisher keine Bereitschaft zu einer humanitären Lösung erkennbar.
Eine solche Situation, so sollte man meinen, bietet Anlass für konstruktive grüne Einwände. Doch weder von grünen Parlamentariern noch aus Kreisen der Regierungstruppe kam dazu bisher ein Wort; mit dem Standard gesprochen wurde nur im Off. Immerhin: Im Burgenland meldet Regina Petrik Kritik an dem Behördenvorgehen an. Auch sie aber zeigt Verständnis dafür, dass die Partei im Bund in solchen Fällen nicht die öffentliche Auseinandersetzung sucht, sondern intern Gespräche mit dem Koalitionspartner führt.
Es gehe auch darum, einen atmosphärischen Rückschlag in rot-schwarze Zeiten zu vermeiden, sagt Petrik. Das mag Sinn machen, doch die Rolle kommentarloser Erdulder kafkaesker Flüchtlingsfälle und Kurz’scher Asylhärteparolen geht mit akuter Gefahr grünen Profilverlusts einher.
Dies könnte sich spätestens bei der kommenden Wahl rächen. Um das abzufangen, sollten Koglers Frauen und Mannen mehr Mut an den Tag legen. Stimmenmäßig könnte sich das sogar lohnen: Unter Türkisen, die der alten ÖVP zuzurechnen sind, gibt es viele, die das Ausscheiden der FPÖ aus Regierungsfunktionen mit der Hoffnung verbunden haben, dass es mit der extremen Asylhärte nun ein Ende haben werde. Sie warten auf entsprechende Signale.