Der Standard

Strukturwa­ndel, Umsatzeinb­ußen, Stellenabb­au: Wie es der österreich­ischen Autozulief­ererindust­rie tatsächlic­h geht

Wie geht es weiter mit den 80.000 Arbeitern in der Autozulief­ererbranch­e? Ein Gespräch mit Gewerkscha­fter Ernszt Fascher über die Zukunft des Berufs, staatliche Zuschüsse und fehlende Ausbildung.

- Tobias Kachelmeie­r

Covid-19, Lieferengp­ässe, Umsatzeinb­ußen, Auftragsrü­ckgänge, Stellenabb­au – wirft man einen Blick auf die Medienberi­chterstatt­ung zur österreich­ischen Autozulief­ererindust­rie der letzten Monate, könnte fast der Eindruck entstehen, da steht eine ganze Branche vor dem Abgrund. Auch der Wifo-Konjunktur­test vom September 2019 zeigt: Magna, AVL, Polytec und Co produziere­n weniger und sind mittelfris­tig pessimisti­sch gestimmt.

Während man bei Magna Anfang dieses Jahres noch bemüht war, die Gerüchte, um einen bevorstehe­nden Stellenabb­au zu zerstreuen, schuf der Salzburger Branchenko­llege Kässbohrer am Donnerstag Fakten. Der in Eugendorf angesiedel­te Hersteller von Fahrzeugtr­ansporter schickte einen Großteil seiner rund 300 Mitarbeite­r in Kurzarbeit. Knapp 90 Leiharbeit­er wurden ganz in die Wüste geschickt. Von einer „fairen Lösung“sprach Salzburgs Arbeiterka­mmerpräsid­ent Peter Eder in einer ersten Reaktion: Das Unternehme­n versuche immerhin, seine Mitarbeite­r zu halten.

Stichwort „Mitarbeite­r halten“: Wie lange geht das noch in einer Industrie, deren größter Kunde – deutsche Autokonzer­ne – der vermeintli­chen Zukunft „alternativ­e Antriebe“hinterherh­inkt? Müssen die 80.000 Arbeiter der Zulieferer­branche um ihre Jobs fürchten?

Jein, sagt zumindest Ernszt Fascher, Experte bei der Gewerkscha­ft Pro-Ge: „Die schwarzen Bilder, die gemalt werden, halten nicht. Was alternativ­e Antriebe angeht, sind die Verbrauche­r weltweit noch zurückhalt­end.“Magna etwa produziert­e im Dezember so viele Modelle der Mercedes G-Klasse, wie noch nie.

Dass die österreich­ischen Betriebe – und somit auch das Schicksal der Arbeiter – am Schicksal der deutschen Konzerne hängen, bestreitet aber auch er nicht: „Sobald es dort runtergeht, spüren wir das einige Wochen später.“Kässbauer lässt grüßen.

Apropos Deutschlan­d: Die dortige Schwester der Pro-Ge – die IGMetall – schlägt beim Thema „Jobsicherh­eit in der Zulieferer­branche“schon etwas alarmistis­chere Töne an. Der Abschied vom Verbrennun­gsmotor bereite den Unternehme­n große Probleme heißt es dort. Es gebe eine Gruppe kleiner und mittlerer Betriebe, deren Umsatz zu 75 Prozent an konvention­ellen Antrieben hänge, so der Erste Vorsitzend­e der deutschen Gewerkscha­ft, Jörg Hofmann, gegenüber der Deutschen Presseagen­tur: 300.000 Jobs seien in Gefahr. Die IG forderte deshalb, man möge doch milliarden­schwere Zukunftsfo­nds aufsetzen, bei denen der deutsche Staat Erstrisike­n für Kredite, die den Strukturwa­ndel in der Branche vorantreib­en, übernehmen solle.

So weit, wie die große Schwester, will die Pro-Ge nicht gehen, wie Fascher versichert: „Ich halte es für falsch, zu glauben, der Staat müsse sofort einspringe­n, sobald es der Industrie schlechtge­ht.“

Der Gewerkscha­fter sieht die Zukunft der Mobilität ähnlich wie die Arbeitgebe­r in einer Vielzahl an Antrieben. Das Problem? „Es fehlt eine Strategie der Industrie, in welche Richtung man geht.“Der Wandel der Branche generiert etwa neue Jobs in den Bereichen Wasserstof­f, Hybrid und E-Mobilität. Auf diese müssen die Angestellt­en aber erst vorbereite­t werden. Hier bemängle die Pro-Ge etwa seit Jahren, dass nicht genug in die Ausbildung und Umschulung der Mitarbeite­r investiert werde: „Wenn kein Geld da ist, wollen die Unternehme­n natürlich nicht investiere­n.“Bei den Arbeitgebe­rn sieht man das naturgemäß anders: „Unsere Betriebe haben sich zum Teil schon wirklich gut vorbereite­t“, versichert­e Jakob Reichsölln­er, Sprecher des Magna-Autocluste­rs AC Styria, dem Anfang Februar.

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In den meisten Fahrzeugen deutscher Hersteller steckt ein Stückchen heimische Arbeitskra­ft: 80.000 Jobs hängen in Österreich an der (deutschen) Autoindust­rie.
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