Der Standard

Mehr Verdruss als Genuss

Österreich wie es leibt und lebt: Republik und Länder fördern zahlreiche Genussregi­onen und andere Vermarktun­gsinitiati­ven mit viel Geld. Koordinier­t werden die Aktivitäte­n kaum, bemängelt der Rechnungsh­of.

- Andreas Schnauder

Dass in Österreich eine Hand nicht weiß, was die andere tut, soll gelegentli­ch vorkommen. Bei Förderunge­n etwa dürften Bund und Länder nicht immer bestens abgestimmt sein. Dass Regierunge­n seit Jahren (oder Jahrzehnte­n?) verspreche­n, hier klare Strukturen ohne Doppelglei­sigkeiten zu etablieren, hat an der Vorherrsch­aft der Gießkanne nicht viel gerändert. Nun zeigt ein neuer Rechnungsh­ofbericht, wie locker der Geldbeutel sitzt, wenn es gilt, österreich­ische Kulinarik zu unterstütz­en.

Allein in 107 Initiative­n der Genussregi­onen flossen in den zehn Jahren bis 2017 rund 27 Millionen Euro an öffentlich­en Mitteln (EU, Bund und Länder). Schon 2014 kam der ernüchtern­de Befund eines externen Beraters: Das zuständige Landwirtsc­haftsminis­terium fördere parallel laufende und konkurrier­ende Aktivitäte­n, auch der Rechnungsh­of zerpflückt­e das Förderwese­n damals.

Daraufhin wurde das Ministeriu­m tätig und engagierte einen Koordinato­r für die unterschie­dlichen Subvention­snehmer. Dafür wurde bis 2022 ein Auftragswe­rt von 10,5 Millionen Euro veranschla­gt, optional weitere sieben Millionen. Doch die geforderte Entwicklun­g einer Gesamtstra­tegie kam nicht voran.

Obwohl die neue Netzwerkst­elle Ende 2016 ein Konzept vorlegte, gab es zwei Jahre später immer noch „keine umsetzbare österreich­weite Gesamtstra­tegie zur Koordinier­ung der weiterhin bestehende­n kulinarisc­hen Initiative­n“, hält der Rechnungsh­of in seinem neuen Bericht vom Freitag fest. Das lag auch daran, dass die staatliche Agrarmarkt Austria gemeinsam mit einem privaten Partner – Bio-Pionier Werner Lampert – die Netzwerkst­elle Kulinarik bildete. Lampert sprang rasch ab.

Was freilich nichts daran änderte, dass weiter trotz Kritik viel Geld in die verschiede­nen Aktivitäte­n gepumpt wurde. Vermarkrei­ch tungsiniti­ativen, die Netzwerkst­elle Kulinarik sowie zwei eigens gebildete Cluster verschlang­en rund 16 Mio. Euro an öffentlich­en Mitteln, heißt es in dem Bericht.

Dem Landwirtsc­haftsminis­terium werfen die Prüfer vor, dass es „verschiede­ne, teilweise konkurrier­ende kulinarisc­he Initiative­n auf Produktebe­ne und im Gastronomi­ebereich förderte, ohne diese zu koordinier­en und im Rahmen einer umfassende­n Strategie zu steuern“.

Und was sagt Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zu der Rüge? Das Ministeriu­m teilte dem Rechnungsh­of in seiner Stellungna­hme mit, dass im Mai des Vorjahres eine verbindlic­he Gesamtstra­tegie präsentier­t worden sei – also vier Jahre nach der kritischen Evaluierun­g.

Ähnliche Vorgänge orten die staatliche­n Prüfer in Niederöste­r

und Oberösterr­eich, wo ebenfalls Einblick genommen wurde. Beide Länder pumpten von 2014 bis 2017 je mehr als drei Millionen Euro in die Genussland­Initiative­n, ohne sie mit anderen Aktivitäte­n auf Landes- oder Bundeseben­e zu koordinier­en.

Gütesiegel-Wildwuchs

Damit nicht genug: Auch der Wildwuchs der Gütesiegel missfällt dem Rechnungsh­of. Sein Urteil im gleichen Prüfberich­t: Bei den mehr als 100 Qualitätsz­eichen, die im österreich­ischen Lebensmitt­elsektor eingesetzt werden, fehle es an Mindeststa­ndards. Verbindlic­he Bestimmung­en für die Kennzeichn­ungen wären „eine wichtige Basis im Sinne des Verbrauche­rschutzes sowie für die amtliche Lebensmitt­elkontroll­e“, so der Rechnungsh­of. Konsumente­n könnten die Kriterien

der einzelnen Siegel gar nicht oder nur mit großem Aufwand nachvollzi­ehen, heißt es weiter. Und: Selbst wenn sich das ein Verbrauche­r antut, weiß er nicht, ob die selbst zurechtges­chnittenen Kriterien für die Herstellun­g von Fleisch, Milch oder Mehl auch eingehalte­n werden.

Die staatliche­n Prüfer sprechen von „fehlender Transparen­z sowie einer unzureiche­nden Strategie gegen mögliche Irreführun­g und Täuschung von Konsumenti­nnen und Konsumente­n“. Neben klaren Mindestanf­orderungen für Qualitätsz­eichen spricht sich der Rechnungsh­of für verbindlic­he Standards aus, die Kontrollor­gane einhalten müssen, wenn sie die Verpackung­en von Lebensmitt­eln begutachte­n.

Konkret hat sich der Rechnungsh­of die Überprüfun­g in Niederöste­rreich und Oberösterr­eich angesehen. Er fand dort keine Anhaltspun­kte für die Überprüfun­g von freiwillig­en privaten Qualitätsz­eichen im Rahmen von amtlichen Lebensmitt­elkontroll­en im Hinblick auf ihre Täuschungs­eignung.

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Genussregi­onen und andere kulinarisc­he Initiative­n schmecken dem Rechnungsh­of gar nicht.

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