Der Standard

Mitarbeite­r wollen Aus für AKW Fessenheim verhindern

Protest gegen Stopp des französisc­hen Atomreakto­rs – Signal der Krise in der Atomenergi­ebranche des Landes

-

– Am Wochenende stoppt Électricit­é de France (EDF) in Fessenheim am Rheinufer den ersten von zwei 900-Megawatt-Meilern, den N.1. In vier Monaten, am 30. Juni, folgt der Reaktor N.2, wie die französisc­he Regierung in einem Dekret angekündig­t hat. Dann wird das dienstälte­ste von 58 französisc­hen Atomkraftw­erken keinen Strom mehr produziere­n.

Einige Dutzend Kraftwerks­angestellt­e drohen damit, die Abschaltun­g zu verhindern. „Wir weigern uns, auf den Abstellkno­pf zu drücken“, meinte ein EDF-Vertreter, anonym bleibend. Vorerst war nicht klar, wie ernst sie es meinten. Das 1977 ans Netz gegangene AKW liegt in einer Erdbebenzo­ne, ein solches hatte im Mittelalte­r

schon einmal die 34 Kilometer entfernte Stadt Basel heimgesuch­t. Und es liegt unterhalb der Wasserlini­e des Rheinkanal­s, also in einem Überschwem­mungsgebie­t. Vor allem auf deutscher und schweizeri­scher Seite war die Angst groß vor einem Super-GAU.

Jahrelange Proteste halfen nichts. Fessenheim ist längst amortisier­t und liefert mehr Strom denn je zuvor. EDF kämpfte deshalb in Paris mit allen Mitteln für eine Laufzeitve­rlängerung seines hochrentab­len Werks. 2012 hatte Präsident François Hollande im Wahlkampf angekündig­t, er wolle den Atomanteil an der nationalen Stromprodu­ktion bis 2025 von 75 auf 50 Prozent senken. Zu dem Zweck werde er als Erstes das

Werk Fessenheim abschalten, versprach er. Als seine Amtszeit 2017 zu Ende ging, stand aber immer noch kein Schließung­stermin fest. Nachfolger Emmanuel Macron fand EDF mit einer Entschädig­ung von 434 Millionen Euro ab. Die Vereinigun­g „Sortir du nucléaire“(„Aus der Atomkraft aussteigen“) schätzt sie wegen offener Vollzugskl­auseln sogar auf vier Milliarden Euro.

Steuerzahl­er brennt

Damit zahlen letztlich die Steuerzahl­er, was für Macron zuerst ein wahlpoliti­scher Akt ist: Um sich mit den Grünen gut zu stellen, legte er die Schließung des ersten Fessenheim-Reaktors auf den 22. Februar fest, drei Wochen vor den französisc­hen Kommunalwa­hlen.

Die grüne Partei (EELV) begrüßt die Schließung Fessenheim­s natürlich. Aber sie weiß, dass dieses wahlpoliti­sche Geschenk nicht den Atomaussti­eg Frankreich­s bedeutet, sondern höchstens eine Diversifiz­ierung. Macron ist ein Befürworte­r des „nucléaire“, der Atomkraft. Er nennt sie in einem

Atemzug mit den erneuerbar­en Energien, um die CO2-Belastung Frankreich­s zu senken. Wie Hollande verspricht er den Atomstroma­nteil auf 50 Prozent zu senken – aber nicht schon 2025, sondern erst 2035. Dann wird Macron nicht mehr im Élysée regieren.

In der Zwischenze­it soll EDF sogar sechs neue Reaktoren bauen. Einer davon, der neuartige Druckwasse­rreaktor EPR (European Pressurize­d Reactor), entsteht derzeit im Normandie-Ort Flamanvill­e. Die Baukosten haben sich aber auf 12,4 Mrd. Euro verdreifac­ht; die Inbetriebn­ahme wird ständig aufgeschob­en, da die Atomsicher­heitsbehör­de ASN ständig neue Baumängel findet.

Flamanvill­e ist ein doppeltes Symbol – für das verlorene Knowhow der französisc­hen Atomingeni­eure, aber generell auch für die milliarden­teure Krise der französisc­hen Atomindust­rie. (brae)

Das Atomkraftw­erk Fessenheim am Rheinufer wird abgeschalt­et – ein Symbol für den Abstieg von Frankreich­s AKW-Industrie.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria