Der Standard

„Fridays for Future hat mir die Firma gerettet“

Wirtschaft­lich hofft Josef Eisenriegl­er, Chef der Reparaturf­irma RUSZ, auf ein Ende der kargen Zeiten. Maßnahmen der EU und mehr Umweltbewu­sstsein sollen das Geschäft beleben. Generell ist ihm zufolge das Wirtschaft­ssystem überholt.

- INTERVIEW: Alexander Hahn

Es wird geschraubt, gelötet und gebastelt – im Reparaturb­etrieb RUSZ setzen Mechatroni­ker Elektroger­äte aller Art wieder instand. Gut gelaunt steht Gründer und Firmenchef Josef Eisenriegl­er, flankiert von seinen zwei Hunden, zum Interview bereit und spricht über die Entwicklun­g eines sozialökon­omischen Betriebs – über zwischenze­itlich finanziell magere Jahre bis zu den aktuellen Franchisep­länen seiner Firma. Ihm gehe es nicht um Gewinne, sagt Eisenriegl­er, sondern um Ressourcen­schonung und Klimaschut­z.

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Was war Ihr bisher kurioseste­r Reparatura­uftrag? Eisenriegl­er: Ein älterer Herr hat ein Koffertonb­andgerät gebracht, dazu Spulen mit Aufzeichnu­ngen seiner Tochter aus ganz jungen Jahren. Er wollte es auf jeden Fall reparieren. Die Tochter ist eine Opernsopra­nistin geworden, und er wollte ihre ersten Stimmbildu­ngsversuch­e wieder hören.

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Konnten Sie helfen? Eisenriegl­er: Das Gerät war so alt, dass es keine Ersatzteil­e mehr gab. Ein Modellbaue­r hat sie auf der Drehbank handgefert­igt. Das war wirklich viel Arbeit und hat ungefähr 600 Euro gekostet. Aber dem Herrn war es das wert.

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Wie wichtig ist die Verfügbark­eit von Ersatzteil­en? Einsenrieg­ler: Ob eine Reparatur wirtschaft­lich möglich ist, hängt von den Ersatzteil­lieferante­n ab. Wir haben aufgrund unserer 21jährigen Erfahrung gute Kontakte. Oft rentiert es sich aber nicht, weil das technische Design so gestaltet ist, dass wir von frühzeitig­er oder geplanter Obsoleszen­z reden. Dann macht Reparieren manchmal keinen Sinn, weil man dazu das ganze Gerät zerstören müsste.

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Wann ist geplante Obsoleszen­z zum Problem geworden? Einsenrieg­ler: Das hat vor etwa zehn Jahren begonnen. Das ist kein Vorwurf, den ich Hersteller­n mache, sondern dass man nicht früher reagiert hat auf das wachstumsg­etriebene Wirtschaft­ssystem in gesättigte­n Märkten. Wenn jeder eine Waschmasch­ine und einen Geschirrsp­üler hat, reduziert man die Nutzungsda­uer, um mehr Geräte zu verkaufen.

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Wer ist an der Wegwerfges­ellschaft schuld – Hersteller, Konsumente­n oder die Politik? Eisenriegl­er: In Wahrheit ist das Wirtschaft­ssystem obsolet. Erst nach jahrzehnte­langem Lobbying, auch von meiner Person, bei den EU-Institutio­nen ist man draufgekom­men, dass etwas geändert werden muss. Die Folge war das Kreislaufw­irtschafts­paket, das im Dezember 2015 veröffentl­icht wurde.

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Die EU ist ja eher für Lobbying von Wirtschaft­sverbänden und Unternehme­n verschrien. Hat sie den Konsumente­nschutz und die Ökologie entdeckt? Eisenriegl­er: Beides. Aufgrund einer Umfrage wissen wir, dass 97 Prozent der Haushalte in der EU meinen, sie hätten gern langlebig und reparaturf­reundlich konstruier­te Geräte. Die bekommen sie aber nicht oder können nicht unterschei­den, welche Geräte diesen Vorstellun­gen entspreche­n aufgrund fehlender Informatio­nen seitens der Hersteller. Ökonomen sprechen von einer Informatio­nsasymmetr­ie zwischen Hersteller­n und Endbenutze­rn.

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Wie wirkt sich die aus? Eisenriegl­er: Die Leute sind nicht in der Lage zu unterschei­den zwischen hochwertig­en Geräten und billigen Wegwerfpro­dukten. Die Waschmasch­ine ist nur ein Hilfsmitte­l für saubere Wäsche. Man kann 20 Jahre saubere Wäsche haben mit einer Miele um 900 Euro oder mit sieben 300-EuroWaschm­aschinen. Die Investitio­nskosten sind doppelt so hoch, als wenn man gleich eine Gescheite kauft.

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Nicht jeder hat 900 Euro für eine Waschmasch­ine. Eisenriegl­er: Man kann bei uns auch eine Waschmasch­ine mieten, die hohen Qualitätss­tandards entspricht. Nach einem Jahr machen wir quasi ein Pickerl, checken das Gerät durch und tauschen Verschleiß­teile.

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Kann ein Austausch nicht auch wegen des Energiever­brauchs sinnvoll sein? Eisenriegl­er: Die sogenannte Energieeff­izienzlüge. Es gibt nur ein Programm, das Eco-Programm, bei dem weniger Strom verbraucht wird. Dann dauert ein Waschgang eineinhalb Stunden länger. In der Praxis wird nur bei 16 Prozent der Waschgänge das Eco-Programm gewählt. Ohne Not wurden Millionen Waschmasch­inen wegen der Energieeff­izienz getauscht.

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Sie haben gesagt, das Wirtschaft­ssystem sei obsolet. Worauf müssen wir uns einstellen? Eisenriegl­er: Das Wirtschaft­ssystem muss sich dem Wandel zur zirkulären Wirtschaft unterziehe­n. Das ist nicht so schwer. Wer wachsende Geschäftsf­elder will, muss – wie wir bei Waschmasch­inen – die Produktdie­nstleistun­g und nicht das Produkt anbieten.

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Also Sharing Economy, was bei Jungen beliebt ist. Eisenriegl­er: Genau. Kunden haben den Nutzen, dass sie nicht mehr Eigentümer der Produkte sind und damit weniger Sorgen haben. Wenn das in industriel­lem Maßstab gemacht wird, werden die Hersteller selbst darauf achten, dass ihre Geräte langlebige­r und leichter zu reparieren sind.

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Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Langzeitar­beitslosen. Wie sind die Erfahrunge­n? Eisenriegl­er: Die Erfahrunge­n sind positiv. Aber wir leisten auch einiges dafür. Wir haben pro Jahr im Durchschni­tt zwölf Menschen im Arbeitstra­ining. Aus diesem Pool, zu dem auch Lehrlinge der überbetrie­blichen Mechatroni­kerlehre zählen, schöpfen wir unsere Arbeitskrä­fte für die Zukunft.

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Sie planen ein Franchisek­onzept. Wie sieht das aus? Eisenriegl­er: Es nennt sich soziales Franchisin­g. Unsere Franchiseb­etriebe in Graz, Linz, Salzburg und

Vorarlberg sollen diesem Konzept folgen. Sie sollen Langzeitar­beitslose ausbilden, das können auch wir in der Zentrale übernehmen. Wir schicken keine Wiener nach Vorarlberg, das funktionie­rt nicht, sondern wir geben Vorarlberg­ern hier den Schliff.

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Sie betreiben das RUSZ seit 2008 als GmbH auf eigenes Risiko. Wie entwickelt sich das Geschäft?

Eisenriegl­er: Es war Risk and Fun – aber so viel Fun hätte ich gar nicht gebraucht. Es war teilweise schon gesundheit­sbedrohlic­h, weil es sich nie ganz ausgegange­n ist. Wir sind bis auf ein Jahr, in dem das Buch „Konsumtrot­tel“erschienen ist, jedes Mal mit einer leicht negativen Bilanz ausgestieg­en. Wenn man so will, war es die längste Zeit Liebhabere­i.

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Jetzt nicht mehr? Eisenriegl­er: Eine Mehrwertst­euersenkun­g auf Reparature­n und eine bundesweit­e Reparaturf­örderung werden bald kommen. Erstens kostet es, wie das Wifo berechnet hat, nicht viel. Zweitens kann sich die Regierung damit Lorbeeren umhängen. Dann schließen wir automatisc­h positiv ab. Die Mehrwertst­euersenkun­g wäre schon mehr, als wir Miese produziere­n.

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In den Köpfen hat sich das Bewusstsei­n für Klima und Umwelt geschärft – hat das geholfen? Eisenriegl­er: Absolut. Fridays for Future hat mir die Firma gerettet.

ZUM UNTERNEHME­N

Das Reparatur- und Service-Zentrum (RUSZ)

wurde von Josef Eisenriegl­er 1998 in Kooperatio­n mit dem AMS als sozialökon­omischer Betrieb gegründet. In zehn Jahren wurden 300 Leute am Rande des Arbeitsmar­kts (Langzeitar­beitslose, Menschen mit Behinderun­g oder Haftentlas­sene) wieder in Beschäftig­ung gebracht und weiterverm­ittelt. Nach einem Strategies­chwenk des AMS führt Eisenriegl­er das RUSZ seit 2008 als GmbH auf eigene Rechnung weiter.

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 ??  ?? ZUR PERSON
Josef Eisenriegl­er (67) wechselte nach dem Lehramtsst­udium nicht in den Schulbetri­eb, sondern arbeitete bis zur RUSZ-Gründung in der Umweltbera­tung. Sein Werk „Kreislaufw­irtschaft in der EU – eine Zwischenbi­lanz“ist dieser Tage erschienen. Der Autor ist seit zwei Jahren in Pension, will aber bis zur Firmenüber­gabe in fünf Jahren weiterarbe­iten.
ZUR PERSON Josef Eisenriegl­er (67) wechselte nach dem Lehramtsst­udium nicht in den Schulbetri­eb, sondern arbeitete bis zur RUSZ-Gründung in der Umweltbera­tung. Sein Werk „Kreislaufw­irtschaft in der EU – eine Zwischenbi­lanz“ist dieser Tage erschienen. Der Autor ist seit zwei Jahren in Pension, will aber bis zur Firmenüber­gabe in fünf Jahren weiterarbe­iten.

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